Eine Betriebsratsmitglied (beschäftigt in der Altenpflege) äußerte sich per E-Mail zum Arbeitgeber, der eine Überwachung in den Pflegebereichendass installieren wollte, um zu erfassen, wie viel Zeit zwischen den Klingeln des Gepflegten bis zum Eintreffen mit Arbeitnehmer vergeht, wie folgt:
“Die Überwachung in einem totalitären Regime haben wir vor 70 Jahren hinter uns gebracht, auch wenn hier im Kleineren gehandelt wird, so ist dies der Anfang von dem was dann irgendwann aus dem Ruder laufen kann. (…)”
Als derArbeitgeber von dem Inhalt der E-Mail des Betriebsratsmitgliedes erfuhr, beantragte er beim Betriebsrat die Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebsratsmitglieds. Der Betriebsrat verweigerte aber die Zustimmung zur Kündigung. Daraufhin beantragte der Arbeitgeber die Ersetzung der Zustimmung bei Gericht.
Der Arbeitgeber verlor sowohl vor dem Amtsgericht als auch vor dem Landesarbeitsgericht.
Das LAG Düsseldorf (Beschluss vom 4.3.2016, 10 Ta BV 102/15) führt dazu aus (Pressemitteilung vom 4.3.2016):
Diesen Antrag hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf ebenso wie das Arbeitsge-richt Oberhausen zurückgewiesen. Ein Grund zur fristlosen Kündigung des Betriebs-ratsmitglieds liegt nicht vor. Zutreffend ist, dass ein Vergleich betrieblicher Verhält-nisse mit dem nationalsozialistischen Terrorregime in der Regel ein Grund für eine fristlose Kündigung ist. Eine solche Gleichsetzung ist in der E-Mail vom 21.04.2015 nicht enthalten. Das Betriebsratsmitglied warnt vielmehr vor einer möglichen künfti-gen Entwicklung und knüpft damit allenfalls an die Verhältnisse der Weimarer Repu-blik an. Es geht ihm darum, dass man Entwicklungen von Beginn an beobachten muss „bevor etwas aus dem Ruder läuft.“ Eine solche Äußerung ist von der Mei-nungsfreiheit geschützt. Die übrige Kritik des Betriebsratsmitglieds, u.a. an der von diesem behaupteten und von der Arbeitgeberin bestrittenen Unterbesetzung im Ta-ges- und Nachtdienst enthält zulässige Werturteile, die sich im Rahmen seiner Funk-tionen als Betriebsrats- und Aufsichtsratsmitglied halten.
Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.
Rechtsanwalt Andreas Martin