Wenn es zwischen den Parteien vor dem Arbeitsgericht in der Güteverhandlung zu einem Vergleich kommt, da wird meist nicht nur die eingeklagte Forderung verglichen, sondern darüber hinaus auch noch weitere bestehende Ansprüche, wie zum Beispiel Überstunden, Urlaubsabgeltung und die Erteilung eines Arbeitszeugnisses. Häufig schließen die Parteien dann am Schluss des Vergleiches durch eine so genannte Abgeltungsklausel alle weiteren Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis aus. Dass dies gefährlich ist, wird dabei häufig übersehen. In den meisten Fällen reicht eine Erledigungsklausel aus. Es kommt nämlich in der Praxis äußerst selten vor, dass noch weitere Ansprüche von einer der Parteien eingeklagt werden, zumindest dann, wenn das Arbeitsverhältnis beendet worden ist. Eine so genannte Abgeltungsklausel ist von daher meistens gar nicht notwendig.
Abgeltungsklausel und Verzicht auf Zeugniserteilung
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG Berlin-Brandenburg: Entscheidung vom 6.12.2011 - 3 Sa 1300/11) hatte darüber zu entscheiden, ob beim Abschluss einer Klausel, wonach “sämtliche gegenseitige Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis, dessen Beendigung und dem vorliegenden Rechtsstreit ausgeglichen sind” damit gleichzeitig ein Verzicht bzw. ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis auf den Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses vorliegt.
Ein Arbeitnehmer schloss mit dem Arbeitgeber einen Vergleich vor dem Arbeitsgericht Berlin und in dem Vergleich, hier ging es hauptsächlich um die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses, wurde die obige Klausel vereinbart. Über die Erteilung eines Arbeitszeugnisses wurde in der Verhandlung nicht gesprochen. Vielmehr meinte der Arbeitnehmer, dass er sich zur Ruhe setzen möchte. Später klagte er dann den Anspruch auf Zeugniserteilung ein. Das Arbeitsgericht Berlin lehnte den Anspruch ab und auch die Berufung zum Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg blieb ohne Erfolg.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg führt aus:
Unter Berücksichtigung dieser Auslegungsgrundsätze haben die Parteien in Ziffer 8 des Prozessvergleichs ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis iSv. § 397 Abs. 2 BGB vereinbart.
(1) Als rechtstechnische Mittel mit unterschiedlichen Rechtsfolgen kommen für den Willen der Parteien, ihre Rechtsbeziehung zu bereinigen, der Erlassvertrag, das konstitutive und das deklaratorische negative Schuldanerkenntnis in Betracht. Ein Erlassvertrag (§ 397 Abs. 1 BGB) ist dann anzunehmen, wenn die Parteien vom Bestehen einer bestimmten Schuld ausgehen, diese aber übereinstimmend als nicht mehr zu erfüllen betrachten. Ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis iSv. § 397 Abs. 2 BGB liegt dann vor, wenn der Wille der Parteien darauf gerichtet ist, alle oder eine bestimmte Gruppe von bekannten oder unbekannten Ansprüchen zum Erlöschen zu bringen. Ein deklaratorisches negatives Schuldanerkenntnis ist anzunehmen, wenn die Parteien nur die von ihnen angenommene Rechtslage eindeutig dokumentieren und damit fixieren wollen (BAG 7. November 2007 – 5 AZR 880/06 – Rn. 17, BAGE 124, 349; 19. November 2003 – 10 AZR 174/03 – Rn. 36, NZA 2004, 554).
(2) In dem die Parteien Ziffer 8 in den Vergleich aufnahmen, brachten sie ihren rechtsgeschäftlichen Willen zum Ausdruck, alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, ferner alle Ansprüche, die anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen, und alle Ansprüche, die Gegenstand des Rechtsstreits waren, und die nicht in den vorstehenden Ziffern des Vergleichs erwähnt wurden, zum Erlöschen zu bringen, und zwar unabhängig davon, ob sie an diese Ansprüche bei Abschluss des Vergleichs gedacht hatten bzw. ihnen diese bekannt oder unbekannt waren. Ziffer 8 enthält nämlich nicht nur einen Hinweis, dass die Parteien sämtliche Ansprüche, die nicht in den Ziffern 1 bis 7 des Vergleichs geregelt wurden, bereits als erfüllt betrachten. Die Verwendung des Wortes „ausgeglichen“ bringt vielmehr den Willen der Parteien zum Ausdruck, dass durch die unter Ziffer 1 bis 7 des Vergleichs positiv geregelten Rechte und Pflichten sämtliche anderen Ansprüche, die die eine Vertragspartei jeweils gegenüber der anderen hatte, kompensiert werden und damit untergehen sollen. Gegenseitige Ansprüchen sind dabei alle Ansprüche, die jeweils zwischen den Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung entstanden sind oder in dem Rechtsstreit geltend gemacht wurden. Es kommt nicht darauf an, ob es sich um unmittelbar im Synallagma stehende Ansprüche handelt, weil die Ausgleichsklausel sich nach ihrem Wortlaut nicht nur auf Hauptleistungspflichten aus einem gegenseitigen Vertrag bezieht.
dd) Von dem konstitutiven negativen Schuldanerkenntnis ist auch der Anspruch des Klägers auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses erfasst. Dies gilt sowohl bei objektiver Auslegung als auch dann, wenn die Verständnismöglichkeiten der konkreten Vertragsparteien maßgebend zu berücksichtigen sind.
(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, sind Ausgleichs- und Abgeltungsklauseln in Aufhebungsvereinbarungen, gerichtlichen Auflösungsvergleichen und sogenannten Abwicklungsvereinbarungen grundsätzlich weit auszulegen sind. Die Parteien wollen in solchen Vereinbarungen in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche erledigen, gleichgültig ob sie daran dachten oder nicht (zB BAG 19. November 2008 – 10 AZR 671/07 – Rn. 20 mwN, NJW 2009, 1019).
(2) Nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Ziffer 8 des Vergleichs enthaltenen Regelung unterfällt auch der Anspruch des Arbeitnehmers auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis dem konstitutiven negativen Schuldanerkenntnis.
(a) Nach dem eindeutigen Wortlaut werden von der in Ziffer 8 des Vergleichs geregelten Ausgleichsklausel sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, dessen Beendigung und dem damals anhängigen Rechtsstreit erfasst. Die Klausel bezieht sich damit nicht nur auf finanzielle Ansprüche. Ein verständiger und redlicher durchschnittlicher Arbeitnehmer, der in einem Kündigungsrechtsstreit einen Prozessvergleich mit einer solchen Ausgleichsklausel schließt, muss erkennen, dass unter einem Anspruch nicht nur ein auf Geld gerichteter Anspruch gemeint ist (aA wohl BAG 16. September 1974 – 5 AZR 255/74 – Juris-Rn.21, NJW 1975). Ferner ist für ihn auch erkennbar, dass er gegenüber dem Arbeitgeber überhaupt einen Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis hat. Aufgrund dieser Umstände kann auch der verständige, redliche durchschnittliche Arbeitnehmer die Klausel nur dahin verstehen, dass sein Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses unter die Ausgleichsklausel fällt.
Die Entscheidung ist nachvollziehbar. Mit der Ausgleichsklausel wollten die Parteien – sämtliche Ansprüche-auch für die Zukunft-ausschließen. Darunter fällt auch der Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses. Die Entscheidung zeigt, dass man in Bezug auf Ausgleich vorsichtig sein sollte und eher dazu tendieren sollte-zumindest dann wenn noch irgendwelche Ansprüche offen sind oder Zweifel über bestehende Ansprüche vorliegen- lieber eine Erledigungsklausel verwenden.
Anwalt Martin