An und für sich begründete Oskar Lafontaine, der ehemalige Bundesfinanzminister und Parteivorsitzender der SPD, seine Schussfolgerungen aus dem Euro-Desaster im Handelsblatt in einem Gastbeitrag zusammenhängend und verständlich; alleine die Partei Die Linke wollte ihm nicht folgen. Die eiligst einberufene “Krisensitzung” vor dem Parteitag in Dresden führte dazu, dass die Partei möglichst eine Konfrontation vermeiden wollte, auch wenn sie dann selbst den EURO “volkswirtschaftlich substanzlos” verteidigen muss. Es wäre ehrlicher gewesen zuzugeben, dass das Thema Euro und Euro-Erhalt unter Berücksichtigung der Interessenlagen der ehemaligen “Sieger” komplexer ist und neben den “volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten” die “politische” und “rechtliche” Sphäre (Stichwort: geltender Lissabon-Vertrag und andere Vereinbarungen) diskutiert werden muss und dies im “nationalen Rahmen” alleine nicht gelöst werden kann. Insofern wäre es ehrlicher gewesen festzustellen, dass die “volkswirtschaftliche Analyse” ihres ehemaligen Parteivorsitzenden sehr zutreffend ist, allerdings die “politischen” Schlussfolgerungen auf nationaler, europäischer und internationalen Ebene einer tieferen Analyse bedürfen, ehe der Partei eine Beschlussempfehlung bezogen auf den Erhalt des Euro vorgelegt werden kann.
Zu erinnern ist an den ehemaligen BDI-Präsidenten Prof. Hans-Olaf Henkel, der in einem Buch den EURO in eine Nord- und Süd-Zone aufteilen will, damit die Südschiene der EU wieder in der Lage ist, ihre zurückgebliebene Wettbewerbsfähigkeit zumindest teilweise über die Abwertung der eigenen Währung auszugleichen.
Hinzuweisen wäre auch auf die Analysen von Prof. Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker, die, soweit ich sehe, in der volkswirtschaftlichen Analysen der Krisenursachen mit Oskar Lafontaine weitgehend übereinstimmen. Prof. Wilhelm Hankel hat inzwischen Vorschläge veröffentlicht, die, plakativ dargestellt, neben den Euro jeweils die Nationalwährungen stellen wollen, um wieder die Abwertung in den weniger wettbewerbsfähigen EU-Ländern zu ermöglichen.
Matthias Elbers ist es zu verdanken, dass er den wesentlichen KERN der Krise wie folgt zusammengefasst hat:
Tatsächlich geht die Krise viel tiefer, denn es handelt sich bei der Eurokrise nicht um eine Staatsschuldenkrise, sondern um eine Zahlungsbilanzkrise mehrerer europäischer Volkswirtschaften. Die Zahlungsbilanzkrise wurde durch hohe Leistungsbilanzdefizite ausgelöst und in der Folge durch Kapitalflucht weiter verschärft. Oder mit einfachen Worten ausgedrückt: In jedem der Krisenländer hat nicht nur der Staat, sondern die gesamte Volkswirtschaft dauerhaft über ihre Verhältnisse gelebt und mehr ausgegeben als eingenommen, bis schließlich kein Geld mehr da war, um die vielen Importe aus dem Ausland zu bezahlen. Die Staatschuldenkrise ist nur ein Teilaspekt der Zahlungsbilanzkrise. Das Brisante dabei ist: Die Leistungsbilanzdefizite der Krisenstaaten sind das unmittelbare Ergebnis des politischen Projekts Europäische Währungsunion. Der Euro selbst ist das Problem – doch diese Wahrheit ist in Deutschland tabu. …
Aus dieser Sicht hat Oskar Lafontaine erneut eine Wahrheit ausgesprochen, die derzeit anscheinend nicht “wahlfähig” bzw. “gesellschaftsfähig” ist, auch weil die Bürger mehr als verunsichert sind und lieber an der Bundeskanzlerin festhalten wollen, die ausgerechnet aufgrund ihrer politischen Herkunft, volkswirtschaftliche Zusammenhänge ignoriert und lieber aus Machtgründen auf den undemokratischen EU-Einheitsstaat setzt und die unsägliche AGENDA 2010 auch in den anderen EU-Ländern erzwingen will.
Auf Seite 29 seiner Analyse weist Matthias Elbers darauf hin, dass die EU-Bürokratie sogar daran denkt, die “nationalen Rentenkassen” zu plündern, um die enormen Transferzahlungen bei Aufrechterhaltung des EURO finanzieren zu können. Er schreibt dazu:
…Ganz heiße Kandidaten sind Ansätze, die eine Zusammenlegung der nationalen Rentensysteme vorsehen. Bei allen diesen Modellen sollen die Transferzahlungen letzten Endes dadurch ermöglicht werden, dass die Rentenkassen der Deutschen, Niederländer, Finnen und Österreicher geplündert werden. …
Solche und ähnliche “Denkmodelle” in Brüssel sind vorhanden. Das Ziel ist, die undemokratische EU mit der Politik der Umverteilung von unten nach oben mit aller Macht zu erhalten. Und mit Demokratie hatte die EU noch nie viel zu tun.
Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass Oskar Lafontaine den Finger in die Wunde gelegt hatte, als er seine Partei darum bat, Farbe zu bekennen. Es macht wenig Sinn, angesichts der Entwicklungen in Europa den Kopf in den Sand zu stecken. Vielmehr muss sich jeder “wahlmündige” Bürger mit der Zukunft des Euro und mithin der Demokratie auseinandersetzen. Das war sein Ansatz, seine Mahnung an Glaubwürdigkeit, auch weil die Bürger ein sehr sicheres Gefühl dafür haben, wie es um den Euro bestellt ist.
Aber vielleicht hat er seine Partei, die mehr auf wichtige Regional- und Kommunalarbeit setzt, damit überfordert.