Es gibt Tage, da bleibt einem das Essen im Mund stecken. Der 10. März 2010 war ein solcher. Wer die TV-Dokumentation "Lachsfieber" in der ARD gesehen hat, weiß, wie schlimm es wirklich um die Zukunft der Meere bestellt ist - und wie sogar Organisationen wie der WWF fragwürdige Praktiken (passiv) unterstützt.
Es begann mit einer simplen Programmentscheidung: was sehen wir uns am 10. März 2010 im Fernsehen an. Die Entscheidung fiel auf die Dokumentation "Lachsfieber" der engagierten Dokumentarfilmer und WDR-Autoren Wilfried Huismann und Arno Schumann über Lachsfarmen im Meer. Nun sollte man ja meinen, dass Zuchtlachs weitaus ökologischer ist, als gefangener Wildlachs - doch weit gefehlt. Wenn man sich die Kernaussagen des Films ansieht, wird das eigene Weltbild zurecht gerückt: Für 1 kg Zuchtlachs müssen 5 kg Frischfisch aus dem Meer gefangen werden. Diese werden dann zu Fischfutter (!!) verarbeitet und an die Lachse, die in Käfigen in bis zu 40 Meter Tiefe im Meer gehalten werden, verfüttert.Da außerdem bei einer solchen Massentierhaltung (es geht um mehrere 100 Millionen Lachse, die derart gehalten werden, vorwiegend in Ländern wie Chile, wo es keine allzu strengen Umweltauflagen gibt) die Tiere permanent von Krankenheiten bedroht sind, werden weiters Tonnen an Antibiotika ins Meer gepumpt, um Seuchen zu vermeiden - was aber nicht immer gelingt. Auf diese Weise wurden ganze Küstenlinien in Chile verseucht und mit Lachsviren kontaminiert. Fischer verloren ihre Arbeit, Muschelfarmer stehen aufgrund von Seuchen vor den Ruinen ihrer Existenz und das ohnehin arme Land Chile verarmt noch mehr.
WWF kooperiert gegen Bezahlung
Und das besonders erschreckende an der ganzen Situation: im Jahr 2008 ging der für dieses ganze ökologische Desaster verantwortliche Konzern Marine Harvest (der weltweit größte "Hersteller" von Zuchtlachs) eine Kooperation mit dem WWF ein. Seit damals prangt das "Gütesiegel" mit dem Panda-Bären auf den Produkten von Marine Harvest. Dafür bekommt der WWF (nach offiziellen Eigenangaben!) 100.000 Euro pro Jahr an Spenden von Marine Harvest.
Dass die Artenschützer des WWF dabei die Vergiftung der Meere (passiv) unterstützen, scheint die Verantwortlichen des WWF US und des WWF Norway nicht weiter zu stören. Jeder Leser dieser Zeilen bzw. Zuseher der erwähnten Dokumentation "Lachsfieber" mag sich sein eigenes Bild über diese Situation schaffen. Wir haben unseres bereits gemacht...
Da kann der WWF noch so schön in seinen Unterlagen auf die "Bedrohliche Situation" des Zuchtlachses aus Chile hinweisen. Da kann der WWF noch so schön folgendes formulieren: "In Chile müssen die Gesetze stärker durchgesetzt werden. In manchen Bereichen fehlen allerdings auch Regelungen zur Fischdichte und für die Zucht in Naturschutzgebieten. Über die ökologischen Auswirkungen der Zucht in Chile sind nur wenige Daten öffentlich verfügbar. Schätzungen über den Einsatz von Antibiotika und chemischen Mitteln zeigen, dass die Werte im Vergleich zu anderen Erzeugerländern hoch sind. Um die Standards der Lachszucht in den Erzeugerländern zu verbessern, hat der WWF gemeinsam mit fortschrittlichen Produzenten, NGOs und Regierungsvertretern den „Salmon Aquaculture Dialogue“ initiiert. In diesem Forum werden internationale Standards für die ökologische, sozial gerechte und ökonomische Lachszucht entwickelt. "
Die ökologischen Auswirkungen SIND dokumentiert, sie sind verheerend und sie sind bedenklich. Solange hier nicht sehr sehr schnell ein Umdenken einsetzt und der WWF weiter Gelder von der Industrie annimmt, die auf der anderen Seite verteufelt wird, ergibt sich ein Teufelskreis, der unser Meer langsam aber sicher kollabieren lässt!
Die Verantwortlichen vom WWF meinen weiters dazu: "Bei der Lachszucht gibt es Probleme mit Krankheiten und mit Überdüngung der Küstengewässer. Futterstoffe und Kot sinken zum Seeboden bzw. zum Meeresgrund und beeinträchtigen dort die Lebewesen unter den Käfigen. Durch den dichten Besatz sind die Fische sehr anfällig für Krankheiten und Parasiten. Krankheitserreger können zwischen Zuchtlachsen und wilden Arten übertragen werden. Zur Bekämpfung von Parasiten und Krankheiten werden Chemikalien und Antibiotika in großen Mengen eingesetzt, die das Wasser und den Meeresboden verunreinigen. Lachse gehören in Chile nicht zu den einheimischen Arten. Da der Lachs ein Raubfisch ist, können entkommene Zuchttiere verheerende Folgen für das Ökosystem haben."
Na ist das nicht schön, wenn es diese Probleme gibt, aber keine Aktionen dagegen gesetzt werden? Wie wär's, wenn man was dagegen unternimmt, statt auf der einen Seite Geld genau dieser angeprangerten Industrie zu nehmen und dafür andererseits nur einen kleinen Absatz im WWF-Fischführer zu schreiben?
Die DokuWorum geht es in der Dokumentation denn nun genau? Im Prinzip um einen der reichsten Menschen der Welt, den man in seiner norwegischen Heimat nur den "Großen Wolf" nennt: John Fredriksen, Chef von Marine Harvest. Als Reeder gehört ihm nicht nur das weltgrößte Tankerimperium "Frontline", mit seiner "Marine Harvest" ist er der größte Player im Geschäft mit industriell produziertem Fisch. Seine Firma produziert pro Jahr über 100 Millionen Zuchtlachse in Chile und Norwegen - für die ganze Welt. Ein Geschäft mit schwindelerregenden Wachstumsraten.
Die bereits erwähnten WDR-Autoren Wilfried Huismann und Arno Schumann hefteten sich über ein Jahr lang an die Fersen des Großinvestors. Ihre brisanten Recherchen über den weltweit operierenden Nahrungsmittelgiganten wurden zum packenden Öko-Thriller "Lachsfieber".
Ökologischer AlptraumChile ist ein Paradies für Investoren. Alles, was in Europa durch Umweltgesetze verboten ist, können Unternehmer wie Fredriksen am anderen Ende der Welt tun: In Chile liegen die Lachsfarmen dicht beieinander, in den 40 Meter tiefen Käfigen tummeln sich doppelt so viele Lachse wie in Europa. Um Seuchen zu verhindern, werden Hunderte Tonnen Antibiotika ins Futter gemischt. Chemikalien und Farbstoffe an den Käfigen und im Wasser führen dazu, dass die Lachse nach 18 Monaten Mast ein chemisch und biologisch belastetes Produkt sind. Wenn die Fjorde vom Abfall der Industrie verseucht sind, hinterlassen Konzerne wie "Marine Harvest" einen ökologischen Friedhof und ziehen weiter gen Süden - in die noch intakte Welt Patagoniens.
Gegensätzliche Partner
Um das Image der Massentierhaltung im Meer zu verbessern, geht Fredriksen im April 2008 eine Partnerschaft mit der größten Umweltorganisation der Welt ein, dem WWF. Für eine Spende von 100.000 Euro pro Jahr darf "Marine Harvest"“ mit dem Panda-Bärchen des WWF für seine industriell erzeugten Mastlachse werben. Chilenische Fischer werfen dem WWF vor, er habe sich an John Fredriksen verkauft. Verbindliche Verbesserungen sind in diesem Abkommen nicht festgelegt. Am Lachs-Desaster in Chile hat sich nichts geändert. Wird John Fredriksen einfach so weiter machen? Endlich gelingt es den Autoren, den menschenscheuen Großinvestor in der Einsamkeit der norwegischen Berge zu stellen - beim Lachsangeln…
Das Ergebnis der Doku: Marine Harvest, die anfangs noch mit dem Fernsehteam kooperiert haben, entziehen jegliche Drehgenehmigung, die chilenischen Fischer und Ortseinwohner der betroffenen Regionen stehen vor den Trümmern ihrer Existenz und die Verantwortlichen des WWF meinen nur lakonisch, man dürfe das ganze nicht so kurzfristig sehen, sondern müsse einige Jahre zuwarten, dann werde sich schon was ändern.