Ich habe es wirklich versucht: Versucht, meine Reiseeindrücke von der schillernden, aufregenden, lauten und manchmal leisen Stadt am Bosporus in Worte zu fassen. Zu beschreiben, wie magisch ein Sonnenuntergang auf der Fähre zwischen Europa und Asien wirkt, wie sich der Geruch von Sesamkringeln, türkischen Mokka und sehr süßem Apfeltee durch die Straßen zieht, das holpernde Klappern der Straßenbahn, die sich durch die Menschenmassen zieht, die Schönheit der vielen Sehenswürdigkeiten angefangen bei der Blauen Moschee bishin zum Galata Turm. Ganz zu schweigen von den vielen unterschiedlichen Vierteln, in denen sich tagsüber muntere Geschäftsleute und Künstler Tür an Tür die Klinke in die Hand geben und abends in den vielen Bars und Restaurants das Leben tobt. Da ich mit keinem Artikelentwurf wirklich zufrieden war, greife ich nun auf den ältesten Trick der Welt zurück: Und lasse kluge Köpfe über Istanbul sprechen. Immerhin die Fotos stammen von mir. ;)
Wir laufen durch die Gassen mit den kleinen Cafès
Letzte Sonnenstrahlen sagen „Bitte nicht Gehen”
Maronenstände rauchen
Straßenkatzen fauchen
So was Schönes, Volles habe ich noch nie gesehen
Küss mich, bis der Halbe Mond aufgeht
Zieh mich durch die Kneipen
Bis die Muezzine schreien
– Bosse: Istanbul
Istanbul ohne Geruch,
das ist wie Türkei ohne Tee.
– Zeit Artikeldie ornamente
im staubigen boden
lösen sich auf die gegenwart
vergeht auf nassen wänden
zeichnen sich muster ab
die schrift an der wand
wölbt sich zur nacht die schrift
ein bröckelndes gold
ein brackendes wasser und
flüsternde algen die ornamente
in den händen der betenden
zur morgenröte bricht der klang
wo das licht sich trifft
an diesem einen punkt aus
tausend fenstern unter der kuppel
die ornamente auf marmor
und staub
– Gerrit Wustmann (aus dem Gedichtband Istanbul Bootleg)
Der berühmte französische Schriftsteller Victor Hugo soll des öfteren im Obergeschoss eines Pferdeomnibus durch ganz Paris gefahren sein, um seine Landsleute zu beobachten. Gestern haben wir es ihm gleichgetan und dabei feststellen müssen, dass viele Istanbuler auf der Straße dahinmarschieren, ohne auf die anderen die mindeste Rücksicht zu nehmen, dass sie ihre Fahrscheine, ihre Eistüten und ihre Maiskolben einfach auf den Boden werfen, dass die Fußgänger auf der Straße unterwegs sind und die Autos auf den Gehsteigen und dass die Leute nicht aus Armut, sondern aus Dummheit und Faulheit herzlich schlecht gekleidet sind.” (1952)
” Wenn wir draußen auf der Straße nicht kreuz und quer herumlaufen würden, wie es uns gerade in den Sinn kommt, sondern uns so, wie es in Europa üblich ist, an die Verkehrsregeln hielten, dann hätten wir nicht ein so furchtbares Durcheinander. Aber da stellt sich schon mal die Frage, wer in dieser Stadt die Verkehrsregeln überhaupt kennt…” (1949)
– Orhan Pamuk aus dem Roman Istanbul
Ich tanz wie ein rostiger Bosporus-Kahn
Schulmädchen, Kopftücher,…, Tarkan
Ein alter Mann spielt traurig Saz
Am leergefegten Taksim Platz
– Bosse: Istanbul
Schwarzer Tee macht meine Augen wieder Auf
Dicke Möwe fliegt zum Meer hinaus
Und du bist so nah, dass es mir den Atem raubt
– Bosse: Istanbul
fünfmal täglich schallt/grüne einsamkeit durch die straßen/hallt der gebetsruf der simitçi/trifft auf stumme katzenpfoten/auf alte schleifwerkzeuge/und die kälte/die kälte unter der haut/die kälte einer grünen tür
– Gerrit Wustmann aus Istanbul Bootleg
Du sagst
Komm mal mit, denn die Brücke ist nicht weit, Mann
Und in Asien geht bald Licht an
Und das Schiff fährt uns zwischen die Welten
Von der einen auf die andere Seite
– Bosse: Istanbulmach mir ein tape/mit songs und gerüchen/und den geräuschen/der französischen straße/deine haare nachts/und dein katzenblick/wo bleibt die musik/jener tage wo bleibt/die melodie deiner sprache/die melodie/deines gesangs von/salzigen nüssen/
und tee.
– Gerrit Wustmann aus Istanbul Bootleg