Auf den deutschen Fernsehkanälen läßt sich Greenpeace gerade feiern, als hätten sie heute vor dem Internationalen Seegerichtshof einen Sieg errungen. Doch dem ist nicht so. Das Gericht hat vorläufige Maßnahmen angeordnet. Und dem wichtigsten Punkt des niederländischen Antrags, nämlich Rußland die weitere Strafverfolgung zu untersagen, ist der ISGH gerade nicht gefolgt (hätte er auch nicht).
Die Gerichtsverfahren gegen die Bohrinselstürmer in Rußland werden also ihren Lauf nehmen. Ebenso soll demnächst, so der Wille des Gerichtshofes, ein Arbitragegericht eingesetzt werden, um den Streit zwischen Den Haag und Moskau zu klären.
Die juristische Aufarbeitung des Falles "Arctic Sunrise" ist somit noch lange nicht beendet.
Daß sich der ISGH seiner Sache nicht ganz sicher war und ist, läßt sich anhand eines Indikators ermessen: der exorbitanten Höhe der Kaution, welche die Niederlande aufbringen sollen. Das Gericht hatte bis dato in ähnlich gelagerten Fällen Kautionen im sechsstelligen Eurobereich festgelegt, in zwei oder drei Fällen auch zwischen 1 und 2 Mio. €. Doch für die "Arctic Sunrise", einen fast vierzig Jahre alten Eisbrecher, der - nach den Angaben von Greenpeace - kurz vor dem Auseinanderfallen und "Sinken" steht, sind die heute festgesetzten 3,6 Millionen Euro ein fast schon maßlos hoher Betrag.
Offenkundig hat selbst der ISGH kein allzu großes Vertrauen in die künftige Rechtstreue von Greenpeace.
Drittens: Das ZDF verbreitet gerade in seinem Videotext die Falschmeldung, Moskau habe bereits erklärt, die Anordnung des Gerichts (es ist entgegen anderslautender Medienberichte kein Urteil) nicht umsetzen zu wollen.
Dieser Behauptung liegt offensichtlich eine fehlerhafte Übersetzung zu Grunde, denn davon ist in der ersten Erklärung des Außenministeriums gerade keine Rede. Dort heißt es vielmehr, die Rußländische Föderation werde die Gerichtsentscheidung "vorbehaltlos studieren" und eine Antwort darauf formulieren. Also nichts mit dem unterstellten Totalboykott.
Ansonsten gibt es zu der Entscheidung und den Einzelvoten von immerhin sieben Richtern noch viel zu sagen. Mehr dazu in den nächsten Tagen. (Vielleicht finden unsere vielbeschäftigten Journalisten bis dahin die Zeit, die Texte des Gerichts auch wirklich zu lesen und nicht nur Pressemitteilungen falsch zu übersetzen.)
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