Kurzgeschichte "Opa ist tot"

Von Tintenweltfan

Die Montagsfrage beantworte ich dieses Mal morgen, deshalb gibt es hier nun eine eher traurige Geschichte von mir, die ich Mal im Rahmen eines Wettbewerbs bei Lizzynet eingesendet habe.
Opa ist tot.Die Uhr tickt. Das Feuer im Ofen knistert. Der Wind singt draußen ein Lied. Die Lichter sind aus. Das Haus ist tot.Wir sitzen da uns schweigen die Trauer aus. Mia meint, dass wir doch eine Leiter holen und Opa aus dem Himmel holen könnten. Mama findet, dass das unangebracht ist. Papa findet, dass Mia noch zu jung ist, um das zu verstehen. Onkel Henning guckt ins Leere, als würde er dort die Lösung finden, aber es gibt keine. Oma weint und eine weitere Träne gesellt sich zu dem See an Erinnerungen, der sich auf dem Boden angesammelt hat.  Die Uhr tickt. Das Feuer im Ofen knistert. Der Wind singt draußen ein Lied. Die Lichter sind aus. Das Haus ist tot. Opa ist tot.


Draußen erwartet uns ein weißer Teppich Schnee. Die Kälte umhüllt uns und frisst die Hoffnung. Die Trauer schnürt mir die Kehle zu. Der Schnee knirscht unter meinen Füßen. Normalerweise liebe ich das, aber heute ist nicht normalerweise. Ich setze einen Fuß vor den anderen, aber eigentlich bin ich leer und nicht fähig zu handeln. Wir sind alleine hier und die Zimmer hinter den Fenstern sind schwarz und leer. Ich fühle mich, als würde ich in einem Bild spazieren gehen, so leblos ist hier alles. Nur der Schnee taumelt, wie zu einer Melodie, die wir nicht hören können gen Boden. Die Häuser sind tot. Opa ist tot.
Die Welt fliegt an uns vorbei. Bäume, Häuser, der Schnee. Ich blicke durch das Fenster und sehe eine glückliche Familie, aber sie gehört hier nicht hin. Nicht jetzt, Nicht hier. Nicht heute.
Wir kommen zu Hause an, setzten uns an den Tisch und sehen uns nicht an. Wir haben uns nichts zu sagen. Die Stimmung ist bedrückt und der Raum ist gefüllt von Trauer. Irgendwann steht Papa auf und holt ein Buch mit Fotos vom Dachboden. Oma kauert auf dem Stuhl, wie ein Bettler und der Schmerz kommt von überall, frisst sich in unsere Herzen und schleicht sich in den Raum, um uns zu vergiften. Wir gucken uns die Bilder an, denken, wir können ihn damit zurückholen, aber die Bilder sind tot. Opa ist tot.


Als das Blau dem Schwarz der Nacht weicht und Mia ins Bett gehen muss, setzten wir uns ins Wohnzimmer. Oma, Papa, Mama, Henning und ich. Die Bäume flüstern sich draußen Geschichten zu und der Kerzenschein hüllt uns in sein warmes Licht. Mama hat und Decken geholt, die uns vor der Kälte schützen. Vor der Angst. Dem Schmerz. Der Trauer. Es funktioniert. Oma will etwas sagen, öffnet den Mund. "Vor..". Sie stockt. Schließt die Augen. Wir gucken sie an. In ihren Augen sehe ich so viele Geschichten, so viel Wissen, so viele Erfahrungen. Sie ist alt, aber ihre Augen sind lebendig, so als würden sie den Tod verspotten, so als würden sie sagen: "Wir können alles am Leben erhalten". Papa greift Omas Hand, umschließt sie und gibt ihr Kraft. Und dann beginnt Oma zu erzählen. Papa holt die Fotos wieder. Auf ihnen sind Omas Augen noch nicht so voller Geschichten, aber sie strahlen. Auch Opas Augen strahlen und die Bilder werden mit den Geschichten lebendig. Opa wird lebendig. 
Oma hört auf zu erzählen. Zurückholen können wir ihn nicht, aber ihn mit Geschichten am Leben erhalten. Solange wir an ihn denken, ist er am Leben. Ein gemeinsamer, lebendiger Gedanke.
Papa fährt Oma nach Hause. Sie sagt nichts. Öffnet die Augen nicht. Weint nicht. Nur ihr Brustkorb hebt und senkt sich stetig in einem gleichmäßigen Tackt. Sie steigen aus und der Atem bildet Wölkchen vor ihrem Mund, der ein zartes Lächeln formt.
Spät in der Nacht. Nach Mitternacht, als die Sonne tief und fest schlief und der Himmel so dunkel war, wie er nur sein kann, da stand Opa auf und die Bein trugen ihn von Straße zu Straße. In seinem weißen Schlafkleid muss er ausgesehen haben, wie ein Geist, oder wie ein Engel, oder wie Beides. Ein weißer Punkt in all dem Schwarz, ein Lichtblitz am Horizont, aber den gibt es für ihn nicht. Er stellte sich auf die Brücke. Die Straße sah aus, wie der dunkle Himmel, der sich über ihm wölbt und die Blinker der Autos, wie die Sterne, die glitzerten. Der Wind trug die lauten Motorengeräusche heran und Opa schloss die Augen und atmete die kühle Luft ein. Saugte sie auf. Ein letztes Mal. Dann ließ er sich in den Nachthimmel fallen, die Sterne erloschen und alles schwand
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