KURZ VOR WEIHNACHTEN

MARTIN 39 Jahre, Ingenieur

Hier seine Geschichte in grau…

Er schaute auf die Uhr, viertel vor fünf, es waren noch zwei Tage bis Weihnachten und er musste unbedingt noch die Geschenke für seinen Sohn Jona besorgen. Seine Frau hatte ihn schon einige male daran erinnert, doch es kam immer etwas dazwischen. Aber heute Abend wollte er früher aufhören und noch schnell in die Stadt zum Einkaufen.

Vor zwei Wochen hatte der Chef ihn mit einer wichtigen Aufgabe betraut, das war die Chance auf die er so lange gewartet hatte, nun konnte er endlich allen beweisen was er drauf hatte. Er rechnete auch mit einer Gehaltserhöhung, dann konnten sie sich etwas Luxus leisten, vielleicht ein neues Auto, oder vielleicht sogar ihren Traum erfüllen — ein kleines Häuschen im Grünen. Für diesen Traum arbeitete er hart und oft bis in die Nacht. Also machte er sich wieder ans Werk und erstellte noch einen Bericht mit Tabellen, alles noch schnell per Mail weg und dann … Nun war es schon wieder spät geworden und er musste sich echt beeilen, dass er überhaupt noch vor Geschäftschluss in einen Laden kam.

Die Stadt war voll mit Menschen, die durch die Strassen hetzen, doch er hatte keine Zeit das zu beobachten, er regte sich nur innerlich darüber auf, dass ihm niemand so richtig Platz macht, selbst vorhin im Parkhaus dieser blöde Heini, schnappte ihm den erspähten Platz vor der Nase weg, so dass er unnötige Zeit verloren hatte.

LARA 9 Jahre, Schülerin

Hier ihre Geschichte in lila …

Sie hatte sich früher immer so sehr auf Weihnacht gefreut, aber seit dieser Nacht im Februar hat sich auch das geändert. Sie lebt nun bei ihrer Tante Inge. Eine andere Stadt, keine Freunde, neue Schule, alles fremd. Sie hat sich total zurückgezogen seit dieser Nacht, die ihr ganzes Leben verändert hat.

Die Schwester von ihrem Papa war mit Onkel Bertram verheiratet, sie hatten schon drei Kinder und waren nicht gerade begeistert jetzt noch ein viertes zu bekommen und das ließ der Onkel sie sehr oft spüren. «Weinen nützt auch nichts», sagt er immer, aber sie vemisste ihre Eltern so sehr. Deshalb schlich sie sich, so oft es ging, aus dem Haus, es würde sie eh niemand vermissen, so auch an diesem Abend, zwei Tage vor Weihnacht. Das wird ihr erstes Weihnachtsfest ohne Mama und Papa sein, deshalb musste sie so oft weinen. Dann wollte sie alleine sein, allein durch die Straßen schlendern um die vielen bunten Fenster und Lichter anzusehen, so wie früher mit Mama und Papa zusammen…

Sie schaute sich am Schaufenster die schönen Sachen an, da gab es so viele tolle Sachen, die sie wohl nie haben würde. Tante Inge sagte, dass sie sich doch nichts großes leisten könnten. Doch sie sah ja, dass die anderen drei immer reichlich bekamen, nur sie nicht. Es fiel ihr deshalb schwer sich damit abzufinden, «Sie ist jetzt halt bei uns und hat das so zu akzeptieren» hörte sie ihren Onkel einmal sagen.

Eilig erreichte er das Spielwarengeschäft, zielstrebig hastete er Richtung Eingang und musste sich auch gleich wieder aufregen, denn da standen einige Menschen und quatschten mitten auf dem Weg, so dass er sich fast mit Gewalt durchdrängeln musste. Dann schlüpfte er endlich durch die Drehtür. Jetzt schnell zur Rolltreppe, in den zweiten Stock. Dort würde er das finden, was er dann nur noch schnell schnappen musste und schon wäre er wieder verschwunden…

Oben angekommen eilte er durch die Warenangebote bis in die Abteilung mit den ferngesteuerten Autos. Der große, rote Geländejeep, der vor nichts halt macht, den wünscht sich Jona so sehr. Sie hatten ihn vor einigen Wochen hier gesehen, und Jona hat sich sofort in das Ding verliebt. Also sollte er jetzt unbedingt das Fahrzeug besorgen, so hatte er es mit seiner Frau besprochen.

Aber was sah er da, der Tisch, auf dem letztes Mal noch etliche große Kartons mit dem Jeep gestapelt waren, der war leer — nur noch ein großes Poster und ein Preisschild zeigten, was für ein tolles Fahrzeug hier bis vor kurzem noch im Angebot war

Er stand vor dem Tisch und schaute sich ratlos um — das Geschenk, das er unbedingt brauchte war weg — was sollte er nun tun? Es kam nicht oft vor, dass ihm keine Lösung einfiel, denn dafür wurde er in seiner Firma ja geschätzt, er war der Problemlöser — schnell und kompetent. Doch hier war er erstmal platt.

Im Augenwinkel sah sie diesen Mann heranstürmen, er hatte den Eingang des Geschäftes fest im Auge und sie dachte kurz, dass er aussieht wie ein Stier, der aufs rote Tuch losstürmt und musste lächeln. Schwupps war er auch schon an ihr vorbei und im Geschäft verschwunden… Sie dachte noch, bei beim Tempo kommt der bestimmt in zwei Minuten wieder raus und musste wieder lächeln.
Doch nun schaute sie sich wieder die schöné Fensterdekoration an, mit bunten Baumkugeln und viel Glitzerzeug drum herum, das war so schön, fast so, wie Ihre Mama immer die Wohnung zur Adventszeit geschmückt hat. Da funkelte es auch und die Fenster waren mit gebastelten Strohsternen dekoriert. Lara begann wieder zu träumen, wie schön war doch die Zeit, als Mama und Papa noch bei ihr waren…

Papa hat immer am Abend auf ihrem Bett gesessen und ihr eine Geschichte vorgelesen, mit Ihr gebetet und sie noch lieb auf die Stirn geküsst und gestreichelt. Und Mama hat sie dann morgens mit einem Kuss geweckt, die Läden geöffnet und ihr Zeit gelassen, bis sie richtig wach war, denn sie sei eine kleine «Morgenmuffelin» hat Mama immer gesagt, bei dem Gedanken wurde ihr warm ums Herz und Tränen stiegen in ihre Augen.

Jeden Abend betete sie still im Bett zu Jesus und fragte ihn, weshalb das passieren musste, weshalb gerade ihre Mama und Ihr Papa? Es war doch so schön, wenn sie alle zusammen waren, und dass sie nun fehlten — das war so gemein! Aber sie bekam keine Antwort …

Der Abteilungsleiter versicherte ihm, dass er nirgends mehr diesen Jeep zu Weihnachten bekommen würde, denn sie hätten das Teil exklusiv aus den USA importiert. Die Katastrophe war perfekt — er konnte schon seine Frau hören, die ihm zurecht Vorwürfe machen würde und seinen Jona, dem traurig die Tränen kullerten. Geknickt ging er zur Rolltreppe und fuhr nach unten — was er jetzt brauchte war ein Plan B, und zwar ganz dringend…

Wieder auf der Straße angekommen, überlegte er immer noch, sollte er irgend ein anderes Auto mitbringen, was Jona womöglich nicht gefällt? Oder vielleicht etwas ganz anderes? Er brauchte eine Entscheidung. Daheim anzurufen hielt er jetzt für nicht so geschickt, da seine Frau ihn sicher mit Vorwürfen überschütten würde, was ihm momentan nicht wirklich zielführend erschien. So ging er in Gedanken die Straße lang, vorbei an den Schaufenstern und bunt blinkenden Lichtern, er hatte noch ca. eine Stunde Zeit bevor die Geschäfte zumachten, der Gedanke verschaffte ihm allerdings nicht gerade Entspannung…

Sie hatte sich für Ihre Eltern etwas Besonderes zu Weihnachten ausgedacht. Sie Hatte einen tollen Brief für sie geschrieben. Jetzt musste sie ihn nur noch abschicken. Wie genau wusste sie noch nicht, aber sie war ja nicht allein, sie konnte ja immer zu Jesus beten, das haben ihre Eltern ihr so beigebracht und gemeinsam werden sie es schon schaffen, dass der Brief noch pünktlich ankommt. Denn letztes Jahr, wie Omi gestorben war, hat Mama hat zu ihr gesagt, dass Omi nun bei Jesus im Himmel sei. Deshalb war sie jetzt auch fest davon überzeugt, dass auch ihre Eltern nun zusammen mit der Omi beim Jesus dort oben sind — Sie schaute nach oben und Regentropfen fielen ihr ins Gesicht.

Sie wollte nun noch schnell in die Martinskirche, die war hier gleich um die Ecke. Sie war schon ein paar mal dort und kannte den Weg. Mama sagte immer: «wenn du Probleme hast, dann kannst du sie zum Kreuz bringen und beten» — und sie wusste dass in der Martinskirche ein ganz großes Kreuz stand — das sollte für ihr Problem hoffentlich reichen…

An der Ecke bog er nach rechts ab und kam an diesem Schaukasten vorbei, den er vorher noch nie beachtet hatte, doch heute Abend hüpfte ihm der Wortteil «MARTIN» ins Auge. Beim zweiten Blick las er nun: «MARTINSKIRCHE — das beste Geschenk kommt von Gott». Er war jetzt nicht gerade christlich aber dachte so bei sich: «Na ja, wenn die Kirche schon so heißt wie ich — vielleicht kommt mir ja da, in der Stille, né passende Idee» — was könnte er schon groß verlieren ausser eventuell 10 Minuten seiner Zeit…

Sie trat in den Kirchenraum ein, es war dunkel und die wenigen Lichter die brannten, leuchteten gegen die Dunkelheit, die von außen hereindrückte.

Sie ging hinüber zu dem Tisch, auf dem die Kerzen brannten. Mama hatte auch immer in der Kirche eine angezündet und hat gesagt, dass sie dabei an die Omi denkt und für sie betet und die Kerze sei unser verlängertes Gebet. Lara gefiel der Gedanke, dass ihr Gebet weiterbetet, auch wenn sie aufgehört hat mit Beten.

Die Tür war groß und schwer und drinnen schon etwas dunkel, aber es war ganz still da drin, ein Zustand, den er eigentlich genießt, doch heute machte es ihn irgenwie nervös, warum wußte er auch nicht. Er schaute zu den Opferkerzen hinüber, die Ecke war von den Kerzen heller erleuchtet, als der Rest der Kirche — dort sah er das Mädchen davor stehen, was macht die denn da? Er schaute sich um, doch sah keinen Erwachsenen, der dazugehören könnte. Komisch dachte er noch, und setzte sich in die hinterste Bank um über sein Problem nachzudenken.

Sie wollte für Mama und Papa auch so Kerzen anzünden. Sie sah das Schild, auf dem Stand «50 Cent» und suchte in der Hosentasche nach Geld. Während sie die Taschen umkrempelte las sie, was da an der Wand aufgehängt war: «Ich sende meinen Boten vor dir her; er wird dir vorangehen und dein Wegbereiter sein» — Lukas 7,27b — Einen Boten, ja einen Postboten das bräuchte sie jetzt. Aber sie fand nicht einmal 50 Cent in der Hosentasche, wie sollte sie da ihren Brief an die Eltern überbringen? Eine doofe Idee, je länger sie darüber nachdachte, des so trauriger wurde sie.

Er war gerade so in Gedanken über das fehlende Geschenk von Jona versunken, dass er das Geräusch jetzt erst wahrnahm. Es kam von dort drüben, von den Opferkerzen, wo er vorhin das Mädchen hat stehen sehen. Aber sie war nicht mehr zu sehen, nur das Geräusch, als ob dort jemand weint.

Er stand auf und ging hinüber, da sah er das Mädchen auf dem kalten Steinboden knieen, nach vorne gesenkt und das Gesicht in den Händen vergraben. Sie weinte jämmerlich. Ihm wurde ganz komisch ums Herz, was war dem Kind geschehen, dass es so weinen muss?

Plötzlich kam alles wieder in ihr hoch, die ganze Trauer und der ganze Schmerz. Sie fiel vor den Opferkerzen auf die Knie, vergrub das Gesicht in ihren Händen und ließ ihren Gefühlen freien Lauf. Sie heulte ihren ganzen Schmerz heraus, die Tränen liefen nur so über ihr Gesicht und über die Hände … Schmerz, Trauer und Wut kam hoch und schüttelten das ganze Häufchen Elend, das da am Boden zusammengekauert lag.

Sie musste so weinen und wurde so geschüttelt, dass sie gar nicht merkte wie jemand näherkam und sich zu ihr herunterbeugte.

Er beugte sich zu ihr hinunter und sprach sie leise an: «Hallo, ist alles in Ordnung mit Dir? — Kann ich Dir irgendwie helfen? — Hallo ???«

«Ist denn niemand mit dir da, ich kann ihn schnell rufen, deine Mama oder dein Papa?» er dachte, dass ja irgend jemand verantwortlich sein muß für das Kind, und der soll sich bitte auch mal darum kümmern, das geht doch nicht, dass man so ein Mädchen in dem Zustand alleine lässt.

Sie hörte, dass sie angesprohen wurde, wollte aber eigentlich nur allein gelassen werden mit ihrem Schmerz und ihrer Trauer. «Niemand kann mir helfen, gar niemand» schluchtzte sie, ohne zu sehen, wer da neben ihr stand.

Und dann schaute sie auf und sah den Mann neben ihr stehen, sie erkannte sofort, dass es der Stier war, der vorhin im vollen Galopp im Spielwarengeschäft verschwunden war.

Sie setzte sich auf eine Bank neben dem Opferkerzentisch und wischte sich die Tränen aus den Augen. Er setzte sich daneben und sagte: «Was hast Du denn? Übrigens, ich heiße Martin und Du?» Lara stellte sich vor, und sie spürte, dass der Martin nett ist und es ehrlich meinte und dann erzählte sie einfach alles, was ihre kleine Seele gerade so traurig machte. Martin setzte sich neben sie und hörte ihr aufmerksam zu.

Alles sprudelte nur so aus der kleinen Lara heraus, was sie die ganze Zeit so mit sich herum getragen hatte. Sie erzählte davon, dass die Eltern noch einmal um den Block spazieren gehen wollten, während sie daheim einen Film anschauen durfte, dass es dann lange gedauert hatte und sie schon gedacht hat dass etwas passiert sein könnt und wie dann der Herr Pastor zusammen mit der Polizei bei ihr geklingelt hat und wie ihr die Zeit danach nur noch schwarz, dunkel und schwer vorkam und deshalb jetzt auch ihre Idee mit dem Brief an die Eltern, und dass sie aber nicht wusste, wie sie den Brief nun zu ihnen schicken könne, weil die doch nun beim Jesus seien und so, und weil Mama immer gesagt hat, dass sie alle ihre Probleme ans Kreuz bringen könne sein sie nun hier in die Kirche gegangen und und … wieder schluchzte sie los und bedeckte ihr Gesicht mit den kleinen Händen.

Während Lara ihre Geschichte erzählte, wurde Martin immer nachdenklicher. Wie blöd war er denn nur gewesen, dass er seine Probleme so groß gesehen hatte und hier saß ein kleines Mädchen, das hatte Probleme, wirkliche Probleme!

Eigentlich könnte er sich doch glücklich fühlen, dass seine Familie gesund ist und sie sich gegenseitig haben. Anstatt soviel zu arbeiten, sollte er besser Zeit investieren, Zeit mit seinem Jona verbringen, denn diese gemeinsame Zeit ist unbezahlbar… Die kleine Lara machte ihm deutlich, wie vergänglich doch alles hier ist und wie wertvoll eigentlich die Zeit zusammen ist… Er konnte in dem Moment nicht anders, als wie die kleine Lara in den Arm zu nehmen und fest zu drücken… Auch damit Lara nicht sieht, wie ihm gerade eine Träné über die Wange kullerte.

Lara tat es gut, in den Arm genommen zu werden. Diese Nähe hat sie schon längere Zeit nicht mehr gespürt. Sie beruhigte sich und trocknete ihr Gesicht.

Martin gab Lara einen Euro, und sie konnte zwei Kerzen anzünden, eine für Mama und eine für Papa. Auf einmal sagte der Martin: «Lara. ich hab eine Idee mit deinem Brief!» Lara war ganz Ohr… Martin beugte sich zu ihr und flüsterte seine Idee in Laras Ohr … ein Strahlen ging über Laras Gesicht, es musste ein gute Idee sein, die Martin ihr zugeflüstert hatte…

Lara nahm Ihr Kuvert aus der Jacke, Martin zog seinen Kugelschreiber und gemeinsam schrieben sie noch etwas darauf … kurze Zeit später verließen sie gemeinsam grinsend die Martinskirche —

Der Pfarrer fand am nächsten Tag einen Brief am Kreuz worauf stand:

brief_2015


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