Von Stefan Sasse
In der FTD sowie auf SpOn wird zum Gegenangriff auf die Vulgärmonetaristen der Bundesbank geblasen. Während Fabian Fritzsche in der FTD den Mythos zurückweist, dass von der Zentralbank initiiertes Geldmengenwachstum automatisch die Inflation steigere oder dass dieses Wachstum überhaupt besonders groß ausfalle, kommentiert Wolfgang Münchau auf SpOn, dass die Bundesbanker (als pars pro toto für alle Orthodoxen) keine echten Monetaristen seien, da nicht nur die Kontrolle der Inflation, sondern auch die stabile Geldmenge zu ihren Aufgaben gehörten und diese eben manchmal durch Verringerung der Zinsen zu erreichen sei. Das ist besonders interessant, weil er darauf verweist, dass die herrschende Orthodoxie mehr oder weniger eine ideologische Reflexreaktion ist, da die Sozialisierung der Akteure in den 1970er und 1980er Jahren stattfand, als man sich mit aller Kraft von der vorherrschenden keynesianischen Lehre zu lösen versuchte. Letztlich reagieren die Leute völlig über und sind ideologisch völlig verhärtet. Für uns kommt das wenig überraschend, denn Albrecht Müller etwa predigt das schon seit Jahren, aber es ist doch gut, dass ein relativ anerkannter Experte das breitenwirksam auch auf SpOn verkündet.
Ebenfalls im Spiegel wurde eine neue Spekulationsrunde in "wer kandidiert für den Vorsitz der LINKEn" aufgemacht, wobei man immerhin die Neuigkeit vermelden kann, dass Oskar Lafontaine wohl "im Notfall" zu einer Kandidatur bereit wäre und einen Vorsitzenden Bartsch "nur unter strikten Bedingungen" unterstützen wolle. Für eine Partei, die so viel Gewicht auf ihre angebliche innerparteiliche Willensbildung legt klingt das ziemlich selbstherrlich, aber die Fassade der LINKEn ist nach dem desaströsen Jahr 2011 ohnehin schwer in Mitleidenschaft gezogen. Als ob es sich tatsächlich um Personalfragen handle, die die LINKE so haben abstürzen lassen. Es ist vielmehr eine Kombination aus zwei Faktoren: einerseits der Effekt des Kaisers, der keine Kleider anhat, denn ebenso wie die FDP hat die LINKE vergleichsweise viele Stimmen bei der Wahl 2009 erhalten und damit praktisch nichts wahrnehmbar positives geschaffen, und andererseits hat sich der öffentliche Fokus deutlich verschoben: in den Jahren 2005 bis 2009, der Hochzeit der LINKEn, beherrschten Arbeits- und Sozialthemen die Agenda und kam eine Bankenkrise am Ende hinzu. Inzwischen ist es die wesentlich ausuferndere Gesamtkrise, die niemand mehr versteht und auf die auch die LINKE keine Antwort hat, und die Frage nach der europäischen Integration und der digitalen Revolution - Politikfelder, auf denen die Partei sehr schlecht aufgestellt ist. Die ständigen Querelen innerhalb der Partei helfen da kein bisschen weiter, und Oskar Lafontaines Versuch, sich wieder an die Spitze zu setzen, mag wenig demokratisch sein, aber vermutlich die beste Option darstellen, die die LINKE gerade hat.
Während einer Parlamentsdebatte in den USA griff Stenny Hoyer (Demokrat aus Maryland) den Vorsitzenden Boehner scharf an. Nicht nur verließen alle Republikaner den Saal, als er versuchte, eine Abstimmung über die von den Demokraten geforderten Steuererleichterungen für die Mittelschicht zu initiieren (eine solche Abstimmung muss von der Führung des Hauses, die bei den Republikanern liegt, durchgeführt werden, die das seit geraumer Zeit verschleppen). Urplötzlich schalteten auch die Kameras des Parlamentssenders C-SPAN (vergleichbar mit unserem Phoenix) weg und zeigten stattdessen Außenansichten des Kapitols. C-SPAN verteidigte sich nur Minuten später auf Twitter und erklärte, dass die Kameras im House vom Mehrheitsführer (Boehner) kontrolliert würden. Das bedeutet, dass die Republikaner, damit ihnen unangenehme Angriffe nicht im Fernsehen kommen, einfach die Kameras abschalteten. Die Kontrolle über die Kameras hatte Boehner erst im Februar an sich gerissen. Die Methoden im Kampf der Republikaner und Demokraten werden offensichtlich immer schmutziger, und der Zwischenfall dürfte ein Beweis mehr dafür sein, dass der Politik so viel Einflussnahme auf Presse und Berichterstattung wie möglich entzogen sein muss.
Im Urteil um die Unrechtmäßigkeit der Tarife für Leiharbeiter gibt es Neuigkeiten: nachdem 2010 entschieden worden war, dass die meisten Zeitarbeitsfirmen zu niedrige Gehälter ausgezahlt hatten und nun die Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von deutlich über 2 Milliarden Euro nachzahlen müssen, tritt die CDU jetzt für eine Amnestie für die betroffenen Unternehmen ein, mit der Begründung, dass das Urteil nicht vorhersehbar gewesen sei. Das ist natürlich Kokolores, denn dass die "christlichen Gewerkschaften" nicht tariffähig sind war weithin bekannt und spielte bereits im Streit um den Postmindestlohn eine wichtige Rolle. Die Zeitarbeitsfirmen konnten sehr wohl wissen, dass sie lediglich auf geborgter Zeit zu niedrige Löhne bezahlten. Sie hatten sich aber auf den Schutz der Politik verlassen, die ihnen die zahlreichen Schlupflöcher erst geschaffen hatte. Die Reaktion der CDU zeigt jetzt, dass diese Einstellung voll berechtigt war: die Politik schützt, wieder einmal, die herrschenden Zustände. Wenn man etwas länger nachdenkt, fällt die Argumentation auch auf die CDU selbst zurück, denn nicht nur hatten die Zeitarbeitsfirmen wissen können, dass ihre Verträge rechtlich alles andere als einwandfrei waren, auch die CDU selbst hätte das sehr wohl wissen müssen. Ihre Behauptung diskreditiert sie daher selbst. Da die FDP aber kaum etwas dagegen haben wird und SPD und Grüne diese Bedingungen erst geschaffen haben, ist kaum damit zu rechnen dass ein allzu großes Aufheben um diese Angelegenheit gemacht wird. Die unheilvolle Allianz von Politik und Ausbeutertum hält also weiter an.