Von Stefan Sasse
Heute mal wieder ein Post mit Links und kurzen Kommenaren dazu. Weiter nach dem Break.
In der SZ spricht sich Claus Hulverscheidt für eine Senkung der Maastrichter Defizitgrenze aus. Deren 3% sollen angeblich Staaten angeleitet haben, 2,9% Schulden zu machen, weil das psychologisch sanktioniert wäre. Ich halte das Bild, dass Staaten Schulden einfach nur machen weil sie können für Blödsinn. Die ganze Schuldenbegrenzerei, die derzeit betrieben wird, hat mit der Ursache der Krise herzlich wenig zu tun. Immerhin konsequent freut sich ein anderer SZ-Artikel darüber, dass "endlich" Blitz-Sanktionen (Wortwahl Artikel) eingeführt werden sollen, denen nun endlich auch Frankreich zugestimmt habe. Die Franzosen haben derzeit ohnehin den neuen Schwarzen Peter der Schuldenmacher bekommen, als ob Deutschland sich in den letzten zehn Jahren vorbildlich an die Maastricht-Grenze gehalten hätte. Die Frage, der sich keiner der Autoren stellt bleibt bestehen: wenn es solche Begrenzungen gibt, retten wir dann beim nächsten Mal die Banken nicht?
Im Spiegel werden aktuelle Umfragewerte vorgestellt, denen zufolge viele Bürger der Regierung attestieren, den Überblick über die Euro-Krise verloren zu haben. Wer aber hat den schon? Ich versuche seit Wochen das zu durchschauen, und ich weiß immer noch nicht was da genau passiert und ob Euro-Bonds jetzt eine gute Idee sind oder nicht. Ich gehe davon aus, dass die Regierung es tatsächlich nicht weiß. Ich gehe davon aus, dass niemand es weiß. Merkel muss tun, was sie sonst immer vermeidet: eine Entscheidung treffen ohne zu wissen was daraus wird. Die Bundestagswahlumfragen, denen zufolge eine rot-grüne Mehrheit drin wäre und die dem Artikel angefügt sind können wir getrost vergessen: die Wahlen sind zwei Jahre entfernt. Da wird noch sehr, sehr viel passieren.
In Polen, das berichtet der Spiegel, haben unbekannte (polnische) Täter ein Gedenkmal für Shoa-Opfer mit Hakenkreuzen beschmiert. Das pikante daran ist, dass es um ein Denkmal für Juden geht, die von ihren polnischen Landsleuten umgebracht wurden. Die Schuld für dieses Verbrechen war bis zur Aufdeckung des Sachverhalts im Jahr 2000 immer bei den Deutschen gelegen, und erst 2003 hat Polen es selbst anerkannt. Es ist offensichtlicher Ausdruck des allgemeinen europäischen Rechtsrucks und der spezifisch polnischen Verhältnisse mit ihrer aggressiven Geschichtspolitik, dass ausgerechnet dieses Denkmal beschmiert wird. Dass ausgerechnet Hakenkreuze darauf gekritzelt wurden ist bedenkenswert. Die Polen litten gesamtheitlich unter den Nazis, nicht nur die polnischen Juden. Die heutige polnische Rechte schmiert aber trotzdem Hakenkreuze. Das weist darauf hin, dass es sich um ein von der Historie mehr oder weniger losgelöstes Chiffre handelt; in etwa ebenso wie deutsche Neonazis den Hitler-Gruß verwenden: als Geste der Provokation, völlig ohne den historischen Kontext.
In der FAZ findet sich ein Hintergrundartikel über Westerwelle als Außenminister. Dem ist kaum etwas hinzuzufügen.
Die FTD befindet, dass Wikileaks tot ist. Sie konstatiert dem Projekt Größe. Ich teile die Einschätzung, dass der aktuelle Datenskandal das Projekt vollständig beerdigt; das gilt im Übrigen auch für OpenLeaks und andere gleichartige Konzepte. Die Kommentatoren haben Recht damit, dass Wikileaks dem eigenen Anspruch nicht gerecht werden konnte. Diese Ahnung konnte man bereits mit dem Hickhack um Assange haben, oder der relativen Bedeutungslosigkeit der diplomatischen Depeschen, aber spätestens jetzt ist er Gewissheit. Die Frage ist - wenn Wikileaks gescheitert ist, wie wird dann in Zukunft Transparenz befördert?
In der FTD spricht sich Samuel Brittan für eine Beschäftigung mit Marx und Hilferding aus. Lesenswert!
Die Zeit hat eine nüchterne Bestandaufnahme der Wandlung der Bundeswehr zu einer Berufsarmee und ihrer Verankerung in der Gesellschaft.
Und ebenfalls in der Zeit verkündet Herausgeber Joffe, dass eine höhere Besteuerung von Reichen, Banken und Unternehmen ein Irrweg sei. Die Begründung ist, dass die ja bereits jetzt einen Hauptteil des Steueraufkommens tragen, das Kapital "ein scheues Reh" sei, Arbeitsplätze schaffe und das nicht könne wenn es das Land verlasse. Ich halte diese Ansichten für falsch. Erstens ist die Belastung der Reichen historisch niedrig. Eine Einführung von Sondersteuern allein wird den Haushalt sicher nicht ausgleichen, keine Frage, aber der psychologische Faktor wird von Joffe völlig verworfen. Für den Zusammenhalt der Gesellschaft aber ist er extrem wichtig. Dass das Kapital auf der anderen Seite immer dahin geht, wo es keine Steuern gibt, ist ebenfalls ein Mythos: Deutschland bietet neben niedrigen Steuersätzen noch völlig andere Standortfaktoren, die auch bei einer 3% höheren Unternehmersteuer eine Investition noch attraktiv machen. Joffe predigt in den Tönen der Deregulierer die totale Unterwerfung des Staates unter das Diktat des Markts; konsequent zu Ende gedacht allerdings steht am Ende ein Steuersatz von 0%. Auch, dass Joffe die Laffer-Kurve als wissenschaftliches Fakt hinstellt spricht nicht gerade für ihn.