Goldmann | Taschenbuch | je 96 Seiten | je €7,00 | Kaufen 1 + 2?
Julia Engelmann wurde 2014 mit ihrem Poetry Slam Text "Eines Tages, Baby" bekannt und zur Stimme einer ganzen Generation. Ihre Texte haben einen Platz in bisher zwei veröffentlichen Büchern gefunden: "Eines Tages, Baby" (2014) und "Wir können alles sein, Baby" (2015). Beide Bücher möchte ich euch hiermit vorstellen - und ans Herz legen:
"Eines Tages, Baby" zählt zu den Büchern, für die man sich Zeit lassen sollte. Schließlich ist das hier keine Geschichte mit Anfang, Mittelteil und Schluss, sondern im Grunde ein Gedichtband, den man genießen und nicht einatmen sollte. Mit ihren kleinen, aber feinen Texten ist Julia Engelmann die Stimme (m)einer Generation geworden - und das eindeutig zurecht. Sie schafft es das Leben mit all seinen Makeln, Fehlern und schönen Dingen einzufangen und zu verpacken, sodass man sich darin wiederfinden und damit identifizieren kann. Mit einer spannenden Mischung aus blumiger und jugendlicher Sprache, Slang und gehobeneren Worten, Songtextzitaten oder bekannten Buchtexten erzählt Julia Engelmann vom Leben und von den vielen Kleinigkeiten, die wir sicherlich alle kennen oder zumindest schon einmal gedacht haben.
Was uns Halt gibt, das kann uns fallen lassen, wer uns liebt, kann uns alleine lassen, was uns frei macht, schränkt uns doch nur ein, wenn wir laut sind, woll'n wir leise sein. [S. 52 // Ich kann alleine sein] Nicht jeder Text konnte mich packen oder berühren, manche dafür aber umso mehr. Ihre kleine Hommage an ihre Eltern beispielsweise ("Für meine Eltern") hat mich zu Tränen rühren können und mir aus der Seele gesprochen. Auch der Text, mit dem sie bekannt wurde ("Eines Tages, Baby") ist natürlich vertreten und liest sich ebenso gut, wie er sich anhört. Manche Dinge wiederholen sich in manchen Texten, einige sind ab und an nicht ganz sauber formuliert, aber sicherlich würde das live auf der Bühne und als Poetry Slam noch einmal ganz anders klingen. In jedem Fall ist "Eines Tages, Baby" ein beeindruckendes Werk mit berührenden und vielschichtigen Texten, die das Sprachrohr einer Generation zu sein scheinen. Julia Engelmann hat etwas ganz eigenes geschaffen, und dafür kann man sie nur bewundern.
"Wir können alles sein, Baby" ist gleichzeitig fröhlicher und trauriger als noch Julia Engelmanns erstes Werk. Es wirkt wie eine Mischung aus erwartungsvoller Freude an das Leben und der Verarbeitung eines Verlusts - die eine Hälfte scheint sich um eine Trennung zu drehen, die andere darum, das Leben zu leben - ohne an gestern zu denken. Die Texte sind hier zudem ein wenig abwechslungsreicher, als in "Eines Tages, Baby", einfach, weil viel an Textformen ausprobiert wurde und man öfter neues erkunden kann. Ebenfalls schön sind die farblichen Strichmännchenbilder, die immer zu den Texten passen und in ihrer Einfachheit ganz besonders schön wirken - schlicht und ehrlich.
Ich hab vergessen, wer ich bin.
Dann hab ich mich gegooglet.
Nur noch 409.000 Möglichkeiten. [S. 43 / Haikus] Besonders gut gefallen haben mir auch hier wieder die Texte, in denen es um Familie und Freunde geht, aber auch den denglischen Text ("AKA BTW CU") fand ich erfrischend witzig und gut verpackt. Julia Engelmanns Texte haben einfach eine schöne Melodie, wenn man sie sich im Kopf vorliest und gerade in "Wir können alles sein, Baby" ist mir das einmal mehr aufgefallen. Die Botschaften ähneln denen aus dem ersten Buch, haben stets Identifikationspotenzial und machen Spaß. Allerdings bleibt kein Text so hängen wie "Eines Tages, Baby", was ich teils ein wenig schade fand. Auch in diesem Fall ist es ratsam, die Texte immer ab und an zu lesen und sich in Julias Worten zu verlieren.