Am 31. Januar feierte der reformierte Berner Pfarrer und Schriftsteller Kurt Marti seinen 90. Geburtstag
NDRkultur brachte heute aus diesem Anlass in der allsonntäglichen Sendung „Glaubenssachen“ eine einfühlsame Würdigung Martis von Christian Feldmann:
Theologie der Zärtlichkeit – Kurt Marti, Pfarrer und Poet
Zitate zweier in der Sendung ziterten Gedichte
„kleiner mann hab acht
was man mit dir macht
laß dein hirn nicht rosten
denn du kennst den schlich
geht es um die kosten
braucht man sicher dich
darum sei nicht dümmer
als man grad noch muß
zahlen muß man immer
meist zahlst du zum schluß“
unser vater
(die vollständige Fassung)
1
unser vater
der du bist die mutter
die du bist der sohn
der kommt
um anzuzetteln
den himmel
auf erden
2
dein name werde geheiligt
dein name möge kein hauptwort bleiben
dein name werde bewegung
dein name werde in jeder zeit konjugierbar
dein name werde tätigkeitswort
3
bis wir
loslassen lernen
bis wir
erlöst werden können
damit
im verwehen des wahns
komme
dein reich
4
in der liebe
zum nächsten
in der liebe
zum feind
geschehe
dein wille
durch uns
5
unser tägliches brot
gib uns heute
damit wir nicht nur
für brot uns abrackern müssen
damit wir nicht
von brotgebern erpresst werden können
damit wir nicht
aus brotangst gefügig werden
6
vergib uns
unsere schuld
und die schuld derer
die schuldig geworden sind
an uns
und was
wie niemandes schuld ist:
sachzwänge verhängnis ignoranz
und unseren verdacht
du selber könntest schuldig geworden sein
an soviel elend an zuviel leiden
7
und führe uns nicht
wohin wir wie blind
uns drängen
in die do-it-your-self-apokalypse
sondern erlöse uns
von fatalität und sachzwang
damit das leben
das du geschaffen
bleibe auf diesem kleinen
bisher unbegreiflich erwählten
planeten
im schweigenden all
8
und zu uns
lass wachsen
den baum des glaubens
wurzelnd in dir
entfalte sich seine krone
auf erden:
dein reich
das unsere freiheit
deine kraft
die ohne gewalttat
deine herrlichkeit
durch die wir gelingen können
in ewigkeit
Kurt Marti (1982)