Kurt Georg Kiesinger (1904-1988) war für die CDU Bundeskanzler von 1949 bis 1963.
Er führte die erste Große Koalition: Kurt Georg Kiesinger. Im November 1966 besiegelt ein Handschlag zwischen Kiesinger und Willy Brandt die politische Sensation. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik wird es sozialdemokratische Bundesminister geben - wenn auch unter einem christdemokratischen Kanzler. Der scheint dafür allerdings wie gemacht, denn Kurt Georg Kiesinger versteht sich als Mann des Ausgleichs, als Vermittler. Das mag an seiner familiären Herkunft liegen. Der Vater ist evangelisch, die Mutter katholisch. Das ist ungewöhnlich an der Jahrhundertwende, schult aber auch den Blick für's große Ganze.
Kurt Georg Kiesinger lernt früh, vermeintliche Gegensätze zu verstehen und in Einklang zu bringen. Politisch setzt sich schon der junge Bundestagsabgeordnete Kiesinger (ab 1949) für die Zusammenarbeit der beiden Volksparteien ein. In Südwürttemberg klappt das vorzüglich, das weiß der gebürtige Schwabe genau. Nassforsch fordert er vom designierten Kanzler Konrad Adenauer, nicht dem Liberalen Theodor Heuss ins höchste Staatsamt zu verhelfen, sondern einem Sozialdemokraten. Solange verschafft er sich im Kreis der staunenden Fraktionskollegen Gehör, bis Adenauer ein Machtwort spricht: „Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter, die Sache ist längst erledigt.“ Auch als die Bundesverfassungsrichter gewählt werden ist es Kiesinger, der für einen breiten Konsens wirbt. Das prädestiniert für den Vorsitz im Vermittlungsausschuss, jenem Gremium, das verfahrene Gesetzgebungsprozesse durch Kompromisslösungen wiederbeleben soll. Nicht alle sehen im stets eleoquent und elegant auftretenden Kiesingerr einen Vermittler und Versöhner. Das liegt an seiner Vergangenheit als NSDAP-Mitglied (1933-1945). Um nicht an die Front zu müssen, hat er eine Stelle im Außenministerium angenommen. Der Protest gegen seine Kanzlerkandidatur ist laut. Dichter und Denker wie Günther Grass und Karl Jaspers fordern Kiesinger auf, auf das Kanzleramt zu verzichten. Am lautesten knallt die Ohrfeige, die Beate Klarsfeld Kiesinger auf offener Bühne des CDU-Parteitags verpasst. „Nazi! Nazi! Nazi!“ schreit sie (und kassiert dafür offenbar auch 2000 Mark von der DDR-Regierung). Dabei hatte der Journalist Conrad Ahlers (Der Spiegel) schon ein Denunziaten-Dokument aus dem Jahr 1944 aufgetan, aus dem klar hervorgeht, dass Kiesingers NSDAP-Angehörigkeit doch nicht so klar zu deuten ist. Dort ist von einem Kurt Georg Kiesinger die Rede, „der nachweislich die antijüdische Aktion hemmt.“
Den Sozialdemokraten reichen Kiesinger die Hand – die Studenten der Generation 1968 sehen in ihm dagegen die Verkörperung einer verweigerten Vergangenheitsbewältigung. Dass ausgerechnet eine Regierung unter dem Kanzler Kiesinger im Bundestag über eine Zweidrittelmehrheit verfügt und dass die verbliebene Opposition (nur noch die FDP) nicht einmal mehr genug Stimmen aufbringen kann, um einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzusetzen, dass bringt die Studenten auf die Straße. Als die Große Koalition dann auch noch die Notstandsgesetze verabschiedet, sehen viele die Demokratie in Deutschland bedroht. In diesen unruhigen Zeiten am Ende der 1960er Jahre zeigt sich, wie intakt die deutsche Demokratie tatsächlich ist. Bei der Bundestagswahl 1969 scheint Kiesingers CDU eine knappe absolute Mehrheit zu erringen. In diesem Fall hätte er es mit einer starken Opposition zu tun bekommen – ein zentrales Indiz für eine gesunde Demokratie. Es kommt aber anders. Hauchdünn reichen die Mehrheitsverhältnisse für eine sozialliberale Koalition. Das zieht einen Machtwechsel nach sich, wie er nur in einer Demokratie funktioniert. Ein Kandidat der langjährigen Oppositionspartei SPD löst Kanzler Kiesinger nach nur drei Jahren ab: Willy Brandt.
Bislang im Eulengezwitscher Extra zur Bundestagswahl:
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Konrad Adenauer, der Gründungskanzler
- Ludwig Erhard, der Kanzler mit der Zigarre