Kunstlos

Eine liebe Leserin meines Blogs bei Facebook hat mich auf die Idee gebracht, meine Daseinsberechtigung als Mutter zu überdenken. Beziehungsweise unsere. Heute guckt man sich um und stellt im Mamadschungel schnell fest, dass man scheinbar die goldene Supermuddimedaille nur bekommt, wenn man nähen kann. Oder filzen. Oder alles zusammen. Wo man hinsieht nähen entzückte Frauen Mützchen, Höschen, Kleidchen, Haarbänder und Röckchen. Für sich selbst und für Dawanda. Geschäftstüchtige haben auch ein schier unerschöpfliches Sortiment von Wickeltaschen, Mutterpass- und U-Heft-Hüllen. Und wenn man es richtig drauf hat, dann steigt man in die Näh-Königsdisziplin ein: Mei Tais oder ähnliches, was man dann für 40 - 100 Euro bei Dawanda an die Frau bringen kann. Unglaublich.
Für alle, die wie ich total unbegabt in solchen Dingen sind, eine Erklärung: Ein Mei Tai ist kein leckerer Rumcocktail, sondern eine Bauchtrage für die Brut. Da ich selbst maximal eine (natürlich gekaufte) Bauchtrage besitze (jaja, natürlich mit superergonomischer Anhock-Spreizhaltung...), die ich nur selten für Kurzstrecken benutze, da ich Tücher nicht mag und einfach eine überzeugte Schiebemama bin, kenne ich mich auf diesem Gebiet auch nicht wirklich aus. Aber es gibt einen riesigen Markt dafür. Und am besten scheint es zu sein, wenn auf allen Mützchen, Höschen, Kleidchen und Röckchen Eulchen prangen. Und ich frage mich verwundert, wer wann beschlossen hat, dass Eulen so niedlich sind? Ich finde, Eulen sind stattliche, tolle und schon ein bisschen mysteriöse Federtiere und spätestens seit Potters Harry auch wirklich gesellschaftsfähig - aber niedlich? Ich weiß nicht. Ich finde, Eulen werden inflationalisiert - falls es dieses Wort gibt. Falls nicht, sollte man es erfinden.
Warum erzähle ich das eigentlich alles? Ich bin mir nicht sicher. Die einen werden sagen, aus mir spreche der pure Neid. Die anderen werden nicken und mir zustimmen und den ganzen Hype ums Nähen nicht verstehen. Beide haben wohl Recht. Auf der einen Seite finde ich es toll und beneidenswert, wenn man sich mal eben schnell was nähen kann. Oder den lieben Kleinen. Auf der anderen Seite finde ich es anstrengend, wenn man auf jeder Seite im WWW, die etwas mit Eltern und Kindern zu tun hat, mit all diesen genähten Sachen konfrontiert wird. Wenn es jemand macht, weil er da schon immer wirklich Spaß daran hatte: Daumen hoch und mein Respekt! Aber wenn man als Mutter irgendwann das Gefühl vermittelt bekommt, dass man nur eine richtige Supermom ist, wenn man neben Haushalt, Arbeit, Ehefrausein und Erziehung auch noch all diese Eulchen-Klamöttchen nähen kann, dann nervt es doch gewaltig.
Aber selbst ich muss zugeben, dass ich mich daran aus ebendiesen Gründen schon versucht habe. Das Ergebnis, ein kleines Stofftier OHNE Eulchen, konnte sich überhaupt nicht sehen lassen und ich bin nur um die Erfahrung reicher geworden, dass ich einfach keine Nerven für all das Gezottel und Geschnipsel des Nähens habe. Ich werde aggressiv und laut und nach etwa 5 Minuten und dem ersten Problem, das als Anfängerin garantiert auftritt, fliegen alle Stoffe und Garnrollen durch den Raum und der Mann muss mich sanft von seiner Nähmaschine führen. Ja. SEINE Nähmaschine, denn bei uns näht der Mann. Praktische Dinge, die genäht werden müssen. Keine Eulen.
Also bitte: Gemach mit all dem Federvieh - aber wenn ich ab und zu etwas von nähenden Freundinnen geschenkt bekomme, dann freue ich mich unglaublich, weil ich auch etwas zum Rumzeigen habe und weil ich begeistert bin, dass Menschen, die ich mag, sowas Schönes für mich genäht haben. Aber ansonsten gehe ich doch lieber in den Laden und fröhne meiner Kleidershoppingsucht. Das kann ich nämlich gut - auch wenn ich damit keinen Cent bei Dawanda verdienen kann. Schade eigentlich.

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