Künstler unter Artenschutz?

Von Peter Broell

Bei folgendem Rundumschlag geht es unter anderem um Kunst-Scharlatane, einen gebrauchten Autoreifen, um Fliegenfänger, um 5-Minuten-Machwerke und um das Rasterschema der Nazis.
  Ladies & Gentlemen,

ich stelle fest, dass es bei vielen zeitgenössischen musealen Kunstobjekten längst nicht mehr um Kunst und somit um das Können des Künstlers geht.   Ähnliches haben Sie sicher selbst schon erlebt: Sie stehen in einem Museum für Moderne Kunst im Kreis mehrerer Personen vor einem nach Ihrer Meinung unbedeutenden oder gar lächerlichen Exponat. In dieser Situation pflegen mutige Personen (bei Vernissagen meist mit dem Sektglas in der Hand) mit gedämpfter Stimme zu bemerken: „Ich finde es durchaus interessant. Ja, ja, das hat schon was! Aber ich muss ehrlich zugeben, mir fehlt irgendwie der Zugang zu dieser Kunst…“ Und blitzschnell wird dann anerkennend hinzugefügt: „…aber auf die Idee, so etwas zu machen, darauf muss eben einer auch erst mal kommen!“ (Anm. PB: Wenn zum Beispiel - wie geschehen - ein gebrauchter Autoreifen als Kunstexponat ausgestellt wurde)Wenn vergleichsweise ein Profi-Fußballspieler schlecht spielt, weil er wiederholt in aussichtsreicher Position 100-%-ige Torchancen vermasselt oder weil er haarsträubende Abwehrfehler macht, dann wird der Spieler gnadenlos kritisiert vom Zuschauer, vom TV-Kommentator und natürlich vom Trainer des Fußballclubs. Und wenn in Casting-Shows Sänger, Tänzer oder Models den oft unverständlichen Vorstellungen einer Jury nicht entsprechen, hagelt es Kritik vor Millionen Zuschauern.Wenn allerdings ein bildender Künstler ein schwaches Werk präsentiert, dann herrscht Schweigen. Je schlichter, langweiliger und unbedeutender sich ein Kunstexponat der Öffentlichkeit präsentiert, umso so sicherer kann in Deutschland der Schöpfer der Idee oder des Kunstobjektes sein, dass er von jeglicher Kritik verschont bleibt. Nun stellt sich natürlich die Frage, weshalb Angehörige fast aller Berufsgruppen Kritik unterworfen sind und weshalb bildende Künstler von Kritik ausgenommen werden. Warum werden zum Beispiel Politiker, Sportler, Freiberufler, Unternehmer, Banker, Handwerker usw. tagtäglich schonungslos kritisiert und weshalb stehen bildende Künstler unter Artenschutz?     

Ich davon überzeugt, dass das auch heute immer noch mit der brutalen Verfolgung jüdischer Künstler zur Zeit des Nationalsozialismus im Zusammenhang steht! Künstler, die nicht in das Rasterschema der Nazis passten, wurden bekanntlich als Täter ‚entarteter Kunst‘ angeprangert. Genau dies ist der unausgesprochene Grund, weshalb im Jahr 2012 dieselbe Person in Deutschland keine Probleme damit hat, den besten Torhüter der Liga als ‚Fliegenfänger‘ zu bezeichnen, es aber vermeidet, eine als mangelhaft oder erbärmlich erkannte künstlerische Arbeit erbärmlich zu nennen. Man möchte sich eben nicht einem gewissen Verdacht aussetzen. Leichtes Spiel auf diesem Feld haben deshalb Kunst-Scharlatane, die sich mit Hilfe undurchsichtiger Beziehungsgeflechte mit 5-Minuten-Machwerken in die Kunstszene mogeln.--- Peter Broell-----------------------------------------------