Kunst und Zyklus

Fast hätte ich aus diesem Blog-Artikel einen Teil meiner „kleinen Fotoschule“ gemacht. Aber ich meine, er passt viel besser in unsere Kunstdiskussion. Ein großes Wort in der Kunstszene ist immer „Zyklus“. Ehrfurchtsvoll erstarrt das Publikum, wenn ein Künstler einen neuen Zyklus seines Werkschaffens vorlegt. Der Kunstmarkt reagiert wie ein Seismograf, wenn durchsickert, dass ein Künstler an einem Zyklus arbeitet. Kunstsammler sind bemüht, die Anzahl der Einzelwerke in einem Zyklus zu erfahren, um mit ein paar Rechenoperationen zu klären, ob sie sich den Kauf alle Werke des Zyklus leisten können. Alle Schaffenden der Bildenden Kunst haben Angst, einen Zyklus zu beginnen, weil es ein Haufen Arbeit ist und lange dauert. Zyklus ist also ein magisches Wort in der Kunstdiskussion.

Sicher hat jeder Kunstschaffende schon einmal über die Erstellung eines Zyklus nachgedacht. Da jedoch reichlich Missverständnisse in dieser Richtung kursieren, begeben wir uns zunächst wieder einmal in die Definitionsarbeit. Wikipedia hält sich in dieser Richtung bedeckt, besonders wenn es um den Zyklus der Bildenden Künste geht. Lehrmeinung ist, dass ein Zyklus stets ein Grundkonzept benötigt. Über die Konzeptionsarbeit haben wir uns ja schon an anderer Stelle unterhalten. Nun bedeutet aber die Erstellung eines Zyklus nicht nur, dass ein roter Faden im gestalterischen Sinn durch alle Einzelwerke laufen muss, sondern auch alle Einzelwerke eine Gesamtaussage in den Vordergrund stellen. Anders als bei einer Serie, arbeitet ein Zyklus wechselnde Bildinhalte zu einem Gesamtwerk heraus. Umgangssprachlich ist ein Zyklus als ständig wiederkehrender Kreislauf zu sehen, der in sich geschlossen kein Anfang und kein Ende hat. Anders ist der Zyklus im künstlerischen Schaffen zu sehen. Dort umfasst zum Beispiel ein Bildzyklus eine definierte Anzahl von Bildern, die in sich zwar keinen Anfang und kein Ende haben, aber als Gesamtheit die künstlerische Aussage in einer definierten Anzahl von Bildern mehr oder weniger komplett darstellen.

Schwierig ist in der Konzeption eines Zyklus stets die Grundidee, weil sie nicht zu allgemein formuliert werden darf, sich dabei jedoch auch nicht in zu engen Grenzen bewegen kann. In der Malerei ist dies noch verhältnismäßig gut zu fassen, weil sich innerhalb eines Zyklus bestimmte Bildelemente wiederholen können oder eine bestimmte Form-, Farb- oder Lichtgebung die äußere Klammer darzustellen in der Lage ist. In der Fotografie wird man durch die Verknüpfung von vielerlei technischen und gestalterischen Rahmenbedingungen vor ein weitaus größeres Problem gestellt. Somit wird die konzeptionelle Beschreibung enorm wichtig. Ein Hilfsmittel hierzu ist die strenge Beachtung der Konzeptionsmöglichkeiten, wie wir sie im Blog-Artikel über „Inhalt und Aussage“ kennengelernt haben. Nun ergänzt sich in der Gestaltung eines Zyklus das Ganze durch markante Ausarbeitung und gegebenenfalls auch Präsentationsform.

Ich arbeite zurzeit an meinem Zyklus „Innenweltverschmutzung“. Im Grund ist es eine komplexe, zu einem Wort zusammengefasste Aussage, die ich mit überraschenden Ausarbeitungseffekten aus dem rein Fotografischen in eine Gedankenwelt bringe, die zwar am Anfang das Bilderkennen unterstützt, aber keine Lösung zur Bildinterpretation bietet. Unterschiedliche Deutungen sind möglich und sogar das Verändern einer einmal gefassten Interpretation soll möglich werden. Ich bediene mich den Stilmitteln des Surrealismus, um jedem Bildbetrachter die Möglichkeit zu geben, sich aus der Realwelt zu entfernen, um über den Umweg der Metaebene gedanklich wieder zur Realwelt zurück zu kommen. Zugegeben, meine gerade abgegebene Erklärung ist harter Stoff. Aber das Ganze hindert niemanden daran, meinen konzeptionellen Unterbau einfach zu ignorieren und sich … falls das eine oder andere Bild gefällt … aus dem Zyklus eines heraus zu greifen. Auch diese Freiheiten lässt ein gut gestalteter Zyklus zu, da er durch Interpretation zum Leben erweckt wird. Hier nun ein Bild aus meinen Zyklus „Innenweltverschmutzung“ mit dem Titel „Innenweltnebel“.

Kunst und Zyklus

Filmmaterial: impossible PX 100 – Kamera SX-70
Technik: Emulsionsmanipulation


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