Nachdem US- Militärs zum wiederholten mal das Krankenhaus in Kundus bombardiert und dabei 22 Ärzte, Pfleger, Helfer und Patienten getötet hatten, fordert die Organisation Ärzte ohne Grenzen erstmals Ermittlungen gegen die Verantwortlichen
Ärzte ohne Grenzen (Médecins Sans Frontières, MSF) , jene Organisation, die das Krankenhaus in Kundus betrieben hatte, lehnt sich erstmals in einem öffentlichen Statement auf gegen die brutale und menschenverachtende Vorgehensweise der US- Army. US- General John Campbell behauptete zwar in seinem jüngsten Statement, das Krankenhaus sei irrtümlich bombardiert worden, aber das ist eine dreiste Lüge. MSF hatte die genauen Geo- Koordinaten des Krankenhauses wiederholt an die US- Army weitergeleitet mit dem Hinweis, dies sei ein Krankenhaus und dürfe keinesfalls angegriffen werden. Nachdem die US- Army sich das Morden selbst hier nicht hatte verkneifen können, wiegen die Vorwürfe gegen Amerika umso schwerer. Und die Welt, in den letzten Jahren hellhörig geworden, spitzt die Ohren.
Man kann über MSF sagen, was man will. Bis 2012 war es Richard Rockefeller, der als Sohn von David Rockefeller den Vorsitz des Beirats von Ärzte ohne Grenzen inne hatte. Die meisten Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen sind engagierte und beherzte Mediziner, die nicht ahnen, dass ihre Organisation als ideales Cover für US- Geheimdienste missbraucht wird. Gegründet wurde MSF vor etwa 40 Jahren von dem französischen Arzt Bernard Kouchner, der später unter François Mitterand französischer Minister und unter Sarkozy 2007 Außenminister wurde. Kouchner werden Verbindungen zum israelischen Geheimdienst Mossad nachgesagt, was jedoch nie bewiesen werden konnte.
So eng das Verhältnis zwischen MSF und Washington auch sein mag, diesmal sind die amerikanischen Okkupationstruppen zu weit gegangen. Daher fordert die internationale Präsidentin von MSF, Dr. Joanne Liu, eine offizielle Untersuchung durch die Internationale Humanitäre Ermittlungskommission, die seit ihrer Gründung 1991 noch nicht in Erscheinung getreten ist, obwohl sie genau zu diesem Zweck gegründet worden war. Hier der öffentliche Aufruf von Dr. Liu:
Am Samstagmorgen kamen zu den zahllosen Menschen, die weltweit in Konfliktgebieten getötet und dann als „Kollateralschaden“ oder „unvermeidbare Konsequenz des Krieges“ abgetan wurden, auch Patienten und Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF). Im internationalen humanitären Völkerrecht geht es nicht um „Fehler“. Es geht um Absichten, Fakten und die Gründe dafür.
Der US-Luftangriff auf das Krankenhaus von Ärzte ohne Grenzen in Kundus war der Luftangriff mit den meisten Todesopfern, den es je auf unsere Organisation gab. Zehntausende Menschen in Kundus haben ausgerechnet jetzt keinen Zugang zu medizinischer Hilfe mehr, wo sie diese am dringendsten bräuchten. Darum sagen wir heute: Es reicht. Selbst im Krieg gibt es Regeln.
Unsere Patienten in Kundus verbrannten in ihren Betten. Ärzte, Pflegepersonal und andere Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen wurden bei ihrer Arbeit getötet. Unsere Kollegen mussten einander operieren. Einer unserer Ärzte verstarb auf einem improvisierten Operationstisch – einem Bürotisch –, während ein Kollege sich bemühte, ihm das Leben zu retten.
Angriff auf Genfer Konvention
Wir würdigen heute jene, die bei diesem furchtbaren Angriff ihr Leben verloren haben. Und wir zollen jenen Mitarbeitern von Ärzte ohne Grenzen Respekt, die zusehen mussten, wie ihre Kollegen starben und ihr Krankenhaus in Flammen stand, und sich dennoch unbeirrt um Verletzte kümmerten.
Es handelt sich hier nicht nur um einen Angriff auf unser Krankenhaus, sondern um einen Angriff auf die Genfer Konventionen. Diese Konventionen halten die Regeln des Krieges fest und wurden zum Schutz von Zivilpersonen geschaffen – sie schützen Patienten, medizinisches Personal und medizinische Einrichtungen. Sie bringen etwas Menschlichkeit in eine ansonsten unmenschliche Situation.
Die Genfer Konventionen sind mehr als ein abstrakter Rechtsrahmen, für medizinische Teams an der Front machen sie den Unterschied zwischen Leben und Tod aus. Es sind die Genfer Konventionen, die unseren Patienten einen sicheren Zugang zu medizinischen Einrichtungen erlauben und uns ermöglichen, medizinische Hilfe zu leisten, ohne dabei angegriffen zu werden.
Unabhängige und unparteiliche Untersuchung
Gerade weil Angriffe auf Krankenhäuser in Kriegsgebieten verboten sind, gingen wir davon aus, geschützt zu sein. Doch 10 unserer Patienten, darunter 3 Kinder, und 12 unserer Mitarbeiter starben durch die Luftangriffe.
Die Umstände dieses Angriffs müssen unabhängig und unparteilich untersucht werden, insbesondere wegen der Unstimmigkeiten in den Aussagen von US-amerikanischer und afghanischer Seite in den vergangenen Tagen. Wir können uns nicht allein auf interne militärische Untersuchungen durch Einheiten der USA, Afghanistans oder durch die Nato verlassen.
Wir fordern heute die Untersuchung des Angriffs in Kundus durch die Internationale Humanitäre Ermittlungskommission. Diese Kommission wurde im Ersten Zusatzprotokoll zu den Genfer Konventionen geschaffen und ist die permanente Instanz, die speziell zur Untersuchung von Verletzungen des humanitären Völkerrechts eingeführt wurde. Wir fordern von den Staaten, die die Erklärung zur Zuständigkeit der Kommission unterzeichnet haben, diese zu aktivieren, um den tatsächlichen Hergang des Angriffs festzustellen und den geschützten Status von Krankenhäusern in Konflikten wiederherzustellen.
Bombardement eines Krankenhauses inakzeptabel
Die Internationale Humanitäre Ermittlungskommission existiert seit dem Jahr 1991, wurde jedoch noch nie tätig. Damit dies geschieht, muss einer der 76 Unterzeichnerstaaten eine Ermittlung beantragen. Bislang sind die Regierungen zu zurückhaltend oder zu ängstlich gewesen, einen Präzedenzfall zu schaffen. Doch das Gremium existiert, und es ist Zeit, es zu aktivieren.
Es ist inakzeptabel, dass Staaten sich hinter „Gentlemen’s Agreements“ verstecken und so eine regelfreie Zone und ein Umfeld der Straflosigkeit schaffen. Es ist inakzeptabel, dass das Bombardement eines Krankenhauses und die Tötung von Mitarbeitern und Patienten als Kollateralschaden abgetan und als Fehler beiseite gewischt werden.
Heute kämpfen wir für den Respekt vor den Genfer Konventionen. Als Ärzte setzen wir uns für unsere Patienten ein. Wir brauchen dabei Sie, als Teil der Öffentlichkeit, an unserer Seite, um darauf zu bestehen, dass selbst in Kriegen Regeln gelten.
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Anmerkung der Redaktion:
Viel erreichen wird dieser Aufruf wohl kaum. Wir erinnern uns an den deutschen Oberst Klein, der nach dem Mordbefehl an mehr als 140 Zivilisten in selbigem Kundus just zum Brigadegeneral befördert worden war.
Quellen:
- Non Profit News
- William Engdahl