Was jeder weiß: Facebook wird 10. Was kaum jemand weiß: Twitter gibt es nunmehr auch schon seit 8 Jahren. Höchste Zeit also, diese völlig unterschätzte Plattform mal etwas näher zu beleuchten.
Während Facebook klar im Zentrum der Social Media Strategie vieler Unternehmen steht, wird das Potenzial des „Ach, das gibt es ja auch noch“-Mediums Twitter nur selten voll ausgeschöpft. Umso mehr stechen Firmen heraus, die die Kommunikationsmöglichkeiten Twitters erkannt haben und den Kanal nicht nur mit 1-zu-1 gespiegeltem Facebookcontent bespielen. Eines dieser Best Practice Beispiele ist der Kundensupport-Account der Telekom.
@Telekom_hilft SO! Passt ma auf, ihr Napfsülzen!! Wegen eurer Spotitfy-KRANKHEIT is mein Datenvolumen AM ARSCH!! von wegen zählt nicht!!
— Griesgrämer (@Griesgraemer) 25. Juni 2013
Am 25. Juni 2013 beschwerte sich ein User namens @Griesgraemer in, vorsichtig formuliert, „barschem“ Ton bei der Telekom. Was man dazu wissen sollte: Der Griesgraemer ist eine Kunstfigur, die mittlerweile über 13.800 Follower mit seinen cholerischen Anfällen und Alkoholverherrlichungen bespaßt. Der Clou an der Geschichte: Anna, die zu diesem Zeitpunkt den Telekom-Account betreute, wusste das offensichtlich auch. So ergab sich die Situation, dass ein offizieller Kundensupport eine beleidigende, provokante Kritik nicht wie gemeinhin üblich mit freundlichen Standardfloskeln abwiegelte, sondern das Spiel einfach mitspielte:
@Griesgraemer Pass ma op, mein Froind. Streaming wird vom Volumen ausgeschlossen. Offline verfügbar Machen nicht. Noch Fragen, ODER WAS? ^an
— Telekom hilft (@Telekom_hilft) 25. Juni 2013
In der Folge entbrannte ein leidenschaftlich-pampiger Dialog, der von Tausenden mit Begeisterung verfolgt wurde. Spätestens als sich @rossmann einmischte und Baldriankapseln zur Beruhigung anbot, war ein legendärer Twittermoment geboren, der sich ins kollektive Gedächtnis der Community einbrannte. Wer hätte gedacht, dass sich Beleidigungen in Capslock je als PR-Coup herausstellen würden? famefact sprach mit der Kielerin Anna von @Telekom_hilft:
famefact: “Moin Anna! Heute schon jemanden beleidigt?”
Anna: “Na, zumindest dienstlich nicht. Im richtigen Leben weiß ich, was sich gehört.”
famefact: “Wie kam es, dass Du so passend auf den Griesgraemer reagieren konntest?”
Anna: “Er ist auf Twitter eine bekannte Größe, nicht zuletzt genau wegen der Art, wie er sich benimmt. Weil ich privat schon eine Weile dort unterwegs bin und auch schon selbst vom Griesgraemer angepöbelt wurde, wusste ich, dass man das ‘darf’, dass er und mitlesende Dritte diese Reaktion würden wechseln können.”
famefact: “Was hat Dein Chef dazu gesagt, dass Du einen Kunden mit SCHNAUZE angecapslockt hast?”
Anna: “Er hat sich bis zur ersten Reaktion sämtliche Nägel abgekaut. Aber sag das bloß nicht weiter! Nein, tatsächlich hab ich seine Erlaubnis vorher eingeholt, wir haben sehr klare Abstimmungswege, die weniger der Kontrolle als dem trittsicheren Umgang bspw. auf Twitter dienen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass er anschließend ca. eine Woche lang durchgefeiert hat.”
famefact: “Welche Rolle spielt Twitter Deiner Meinung nach mittlerweile im Kundenservice?”
Anna: “Twitter ist ein Echtzeitmedium, die Brücke zwischen sozialem Netzwerk und Messaging-Dienst. Dadurch ist es eine tolle Möglichkeit, um neben der Qualität des Service auch die Geschwindigkeit, mit der wir arbeiten, zu zeigen. Die Erwartungen sind dementsprechend hoch. Die Kommunikation dort erfüllt mehr Zwecke als der direkte 1:1-Dialog.
Es hat z.B. eine Radarfunktion für uns, auch ins Unternehmen hinein. Durch die Tweets erhalten wir ohne großen zeitlichen Versatz Rückmeldungen über mögliche Handlungsbedarfe und können schnell reagieren. Andersherum verbreitet sich eine proaktive Info, die wir dort absetzen, wie ein Lauffeuer, so dass weniger einzelne Fragen beantwortet werden müssen, um viele Menschen zu erreichen. Und letztlich ist das, was wir als Kundenservice auf Twitter abliefern, ein wesentlicher Bestandteil unseres ‘Gesichts’ in der Öffentlichkeit, und dann noch einer, auf den wir jeden Tag Einfluss haben.”
famefact: “Hast Du abschließend ein paar ganz allgemeine Tipps zur Kommunikation mit Kunden in 140 Zeichen?”
Anna: “Sag, was du meinst, sei Mensch statt Textbaustein, achte darauf, wer dein Gegenüber ist, denk dran, dass du Mitleser hast und vor allem: Fass dich kurz! (155 Zeichen. Naja, fast.)”
famefact: “Vielen Dank für das Gespräch!”