Vielleicht ist das nur meine nostalgiegetrübte Wahrnehmung, aber ich habe das Gefühl, dass sich in den Behörden dieses Landes in den letzten zwanzig, fünfundzwanzig Jahren ein ziemlich starker Mentalitätswandel ereignet hat, der zwar noch nicht abgeschlossen ist, aber seine Auswirkungen bereits deutlich zeigt. Er fällt vielleicht zufällig, vielleicht kausal, mit der weitgehenden Abschaffung des Beamtenstatus auf den Ämtern Deutschlands zusammen. Die Rede ist von der Transformation des Bürgers vom bittstellenden Untertanen zum Kunden.
Erneut, vielleicht ist es nur Nostalgie. Aber ich glaube mich erinnern zu können, dass die Öffnungszeiten der Ämter noch in den 1990er Jahren eher im Rahmen von "drei Stunden vormittags und an einem Nachmittag pro Woche" lagen und dies heute wesentlich besser geworden ist. Nicht nur haben die Ämter länger geöffnet. Viele Zumutungen früherer Tage für diejenigen, die dort aufschlagen, sind ebenfalls beseitigt. Mir ist dies heute morgen erneut bewusst geworden, als die Anmeldung meines Kfz innerhalb von Minuten erledigt war - und dies ist beileibe nicht das erste Mal, dass die Aufenthaltszeit im Landratsamt bei unter einer Stunde lag. Auch auf den Rathäusern wird man mittlerweile sehr schnell bedient.
Doch der Mentalitätswandel erstreckt sich nicht nur auf eine schnellere und effizientere Organisation. Auch der Umgang mit den Menschen scheint mir deutlich freundlicher, als dies noch vor zwanzig Jahren der Fall war. Man tritt inzwischen mit einer völlig anderen Haltung auf. Weggefallen ist der herrschaftliche Gestus des einen hoheitlichen Akt vollziehenden Beamten als letztes Relikt des Wilhelminismus. Man begegnet leidlich freundlich und mit einem Fokus auf Problemlösung. Ich wurde schon lange nicht mehr angeschnauzt, irgendwelche Papiere vergessen zu haben - stattdessen wird es mit einem Gewissen Bedauern erklärt. Das sind Kleinigkeiten, aber der Ton macht die Musik.
Ich bin im Übrigen nicht der Überzeugung, dass die Änderung mit der weitgehenden Abschaffung des Beamtenstatus zusammenhängt. Institutionen können sich auch in bestehenden Strukturen reformieren. Ein Parallelbeispiel bietet sich für die Analyse dazu geradezu an: das Schulsystem. Hier nämlich wie sonst an keiner anderen Stelle (außer der Ministerialbürokratie, aber mit der hat der gemeine Bürger selten zu tun) werden immer noch vorwiegend Beamte genutzt, und auch hier hat sich das Bild massiv gewandelt: viel mehr Offenheit, viel mehr Mitbestimmung durch Eltern und Schüler und ein deutlich größeres Zugehen und Zuschneiden auf die "Kunden" (Schüler und Eltern).
Das heißt natürlich nicht, dass alles perfekt ist und rosig glänzt. Idioten gibt es überall, wie in der Marktwirtschaft eben auch. Manche sind eher gleichgültig, andere engagiert. Manche nehmen Änderungen besser an als andere. Manche sind von Natur aus freundliche Naturelle, andere eher nicht so. Sicherlich kann jeder eine Geschichte aus Landratsamt, Rathaus oder Schule erzählen, wo man sich an Paragraphen, Abgehobenheit und Sachzwängen die Zähne ausgebissen hat. Aber insgesamt hat sich die Lage in der deutschen Bürokratie deutlich zum Besseren gewandelt.
Was ich allerdings überhaupt nicht weiß ist, woher das kommt. Gibt es eine bestimmte Regierung, die irgendwelche Maßnahmen diesbezüglich erlassen hat? Sind es strukturelle Unterschiede? Ist es ein Allparteien-Konsens oder das Werk eines Koalitionspartners, eines Ausschusses oder eines engagierten Politikers? Waren es Kräfte innerhalb der Bürokratien selbst, oder die Ernennung besonders reformfreudiger Exekutiv-Vorstände? Ich weiß es nicht. Ich würde es aber gerne wissen.