Kultur ist für alle da – auch für Kinder!

Von Mutterundsoehnchen @Marsha_

Irgendwie bin ich gerade ziemlich entsetzt. Und wie vor den Kopf geschlagen. Vor kurzem habe ich über unseren Besuch auf der Wartburg berichtet, während dem eine fremde Frau den Rabaukowitsch anblaffte. Dieser Text wurde von einem großen Online-Magazin auf Facebook geteilt. Und es folgten einige Kommentare. Ich hatte damit gerechnet, dass einige Eltern eine andere Meinung als ich haben. Und dass nicht alle meinen Text lieben, ja ihn vielleicht scheiße finden.

Ich habe mit allem gerechnet, aber nicht, dass so viele Leser – alles Eltern wohlbemerkt – der Ansicht sind, dass Kinder während kulturellen Führungen NICHTS zu suchen hätten. Dass sie selbst von anderen Kindern genervt wären, dass man lieber auf den Spielplatz gehen solle und dass Kinder eh Kultur kacke fänden. Hallo! Geht´s noch???

„Wäre ich ohne Kinder dabei gewesen hätte es mich auch genervt wenn jemand ständig sabbelt.

Kultur ist für alle da – auch für Kinder! Und ja, ich finde auch ein fast 2-jähriger kann bei einer Burgführung mitmachen. Er hört vielleicht nicht wie sein 5-jähriger Bruder einem Redner zu, kann sich aber trotzdem an alten Figuren, Truhen und Rüstungen begeistern. Und das gilt nicht nur für Rittergedöns, sondern auch für andere Ausstellungen. Es geht darum, die Kinder an Kultur heranzuführen und sie am ganz normalen Freizeitaktivitäten teilnehmen zu lassen.

Kinder – bitte draußen bleiben!

Kunst und Kultur – ein kinderfreier Raum? Warum dürfen sich Kinder dafür nicht interessieren? Weil die Erwachsenen genervt sind, wenn während einer Führung, einer Ausstellung oder im Museum (Klein)Kinder anwesend sind. Zu Recht, denn für die gibt´s ja Kinderversionen. Oder zumindest einen Spielplatz. Extra für Kinder ausgewiesene Orte, an denen die kleinen Nervbratzen niemandem auf den Docht gehen können. Kinder haben eben einfach in der Erwachsenen-Welt nichts zu suchen. Leinen wir sie doch einfach gleich wie Hunde draußen an, während wir Führung und Kultur in Ruhe genießen!

Man ist ja nun mal auch nicht Mutter geworden, um so weiterzuleben wie zuvor, oder? Spielplatz statt kulturelle Führung, Zoobesuch statt feines Restaurant. Es gibt genügend Möglichkeiten, seine Freizeit mit Kindern zu gestalten. Wo ein Kind Kind sein darf und sich niemand gestört fühlt.

Sorry Leute, aber diese Einstellung kotzt mich an. Sie erschüttert mich, macht mich sauer und traurig. Warum sollten Eltern mit ihren Kindern an Kunst und Kultur nicht teilnehmen dürfen? Warum sollten wir uns isolieren? Warum sollten wir Restaurants meiden? Weil: „Es gibt ja den Zoo.“ Ach soooo! Klar! „Und MCDonald´s.“ Toll!

Ich möchte meinen Kindern aber auch Kultur ans Herz legen, mit ihnen Altes neu entdecken und ihre Freude an schönen Dingen wecken. Wir gehen auch regelmäßig in Restaurants. Also in solche, bei denen man mit Besteck isst. Und wir waren – mit dem großen Sohn zumindest – auch schon bei Konzerten und in der Oper. Klar, fahren wir das Kulturprogramm nicht jede Woche auf, aber gelegentlich. Und jetzt muss ich mich wie ein Exot fühlen? Weil ich Kinder in den Alltag integriere? Whhaaaat?

Zum Glück gibt es bei uns Altersbeschraenkungen. Selbst Puppentheater ist bei uns erst ab 3 Jahren. Gott sei Dank.

Der feine Herr auf Entdeckungstour mit 10 Monaten im Keltischen Museum auf dem Glauberg

Nein! Eltern wie wir sind hier nicht das Problem. Die Gesellschaft ist es!

Ich muss sagen, wenn sich da andere gestört fühlen, dann ist das deren Problem. Und nicht meins! Das heißt nicht, dass sich meine Kinder wie die Sau im Wald benehmen dürfen. Aber in der Regel weinen sie nicht, rennen und schreien nicht, quengeln nicht, sondern haben auf ihre kindliche Art ihre Freunde. Und ja – die äußert sich dann auch mal über Bibliotheks-Lautstärke. Meine Güte – man darf auch mal Lachen!

Wenn Kinder so nerven und nicht in (normale) Restaurants, in Museen, Ausstellungen & Co. dürfen, dann wäre ja auch der Umkehrschluss, dass auch andere Menschen mit Nervpotential ausschließbar sind, oder? Wir waren beispielsweise mal in einer Gedenkstätte für verstorbene Marinesoldaten, an der es sich gehört, leise und andächtig zu sein. Respekt zu zeigen! Der damals fast vierjährige HerrSjardinski bekam das hin. Fand diesen stillen Ort sogar super spannend.

„Ich finde man hat als Erwachsener Respekt verdient auch von fremden Kindern und da dürfen auch mal Fremde daran erinnern.“

Einige Rentner quatschten aber permanent, lachten und unterhielten sich. Man waren DIE NERVIG. Rentner sollten echt nur an altersgerechte Orte dürfen, oder? Wozu gibt es denn Altersheime? Oder Kaffefahrten? Oder gleich den Friedhof?

Seht ihr, was ich meine? Das ist Diskriminierung. Niemand würde sowas ernsthaft verlangen. Aber bei Kinder – ach abwink. Die können wir doch irgendwie wegoptimieren, oder?

Traut euren Kindern doch mal zu, dass sie „mit Kinderaugen“ Kunst und Kultur wahrnehmen, auch wenn keine Extrawurst an Kinderprogramm aufgefahren wird! Ich selbst bin auch kulturell geprägt aufgewachsen – meine Eltern sind sehr Kunst interessiert und hatten viele Künstler-Freunde. Auch mein Opa war Künstler. Ich habe als Kind sehr sehr viel Zeit auf Vernissagen verbracht. Und in Sterne-Restaurants mit mehreren Gängen und Stoffservietten ebenfalls, wohlbemerkt. Klar war das auch mal langweilig. Aber oft auch sehr interessant. Kinder haben oft ein ganz spezielle Sicht für Kunst, die auch Erwachsene inspirieren kann.

Aber wenn ihr euch als Eltern gesellschaftlich ausschließen wollt und die Kultur auf Spielplätzen suchen möchtet – bitte schön. Dann dürft ihr euch aber nicht wundern, wenn eure Sprösslinge auch mit 6, 8, 10, 16 oder 18 Jahren Kunst und Kultur eher so mittelprächtig finden. Ich lege euch aber sehr den Film „Rhythm ist it“ ans Herz, in dem es um ein Bildungsprojekt mit klassischer Musik geht – vielleicht kann der ja eure Meinung ändern. Und ansonsten hoffe ich auf etwas mehr Solidarität unter Eltern.

So, der Puls hat sich gerade etwas gelegt. Ich hoffe es fühlt sich keiner derbe angegriffen. Aber ich verstehe einfach diese Einstellung nicht. Ihr?