… oder der Panettone des Ostens!
Ich habe an dieser Stelle wohl schon etliche Male erwähnt, dass mein Bäcker-Herz für althergebrachte, mit Tradition umwobene, über Generationen weiter und weiter gegebene Rezepte besonders leidenschaftlich schlägt.
Der Grund ist simpel: Denn ach, wie ist es leicht, aus ‘teuren’, immer verfügbaren Zutaten etwas Tolles herzustellen! Man nehme Butter, Zucker, jede Menge Schokolade und fertig ist der geilste Schoko-Kuchen. Und das ist ganz in Ordnung!
Aber erst dann, wenn die Ressourcen knapp sind, wenn frische Butter, Rum, Trockenfrüchte, Vanille, Gewürze Mangelware sind, werden Hausfrauen (und Hausmänner natürlich, pardonissimo! ) zum Nachdenken und Kreativsein getrieben. Wenn man sich überlegen muss, ob man 100 oder 300 Gramm Butter, Kakaopulver oder echte Schokolade, Obers (Sahne) oder nur Butter, zehn oder nur 2 Eier verwenden will, dann verhält sich die Sache schon ganz anders!
So war es in allen Jahrhunderten vor dem jetzigen, in manchen Gegenden dieser Erde mehr, in anderen weniger. Meine Grossmutter, einstmals aus wohlbehütetem Haus, wo es an nichts mangelte, musste nach dem Krieg, nach einer unsäglichen Flucht aus Ostpreussen und mit drei kleinen Kindern an der Hand, jedesmal, wenn sie sich eine Zeitung kaufen wollte, den Groschen dreimal umdrehen, bevor sie ihn ausgab.
Aber nun zum Kulitsch: Russland war bis in die 50er Jahre ein durch und durch bäuerliches und von tiefer Religiosität geprägtes Land (auch wenn der Kommunismus versuchte, die Gläubigkeit der Bevölkerung systematisch zu unterwandern und zu verteufeln, geschafft haben es die Genossen nie ganz!).
Wenn der Winter vorbei war, das Osterfest vor der Tür stand und die harte Zeit der Tage in Eis und Schnee ein Ende fand, war die Freude so immens, das Ereignis des auferstandenen Christus so unfassbar, die Hoffnung auf den jährlichen ‘Neuanfang’ so gross, dass überall gefeiert wurde. Ostern war und ist das allergrösste, das höchste Fest für die Russen.
Und keine elegante Tafel, kein bescheidener Tisch, kein alter und kein junger Mensch kann ohne Kulitsch auskommen. Man besucht Verwandte und Freunde, bringt Kulitsch, bunte Eier und gute Gedanken mit.
Kulitsch- das russische Osterbrot hat alles Gute, Kostbare, Schmackhafte in sich, was man in früheren Zeiten zu Verfügung hatte: Eier, Milch, Butter, Gewürze, getrocknete Früchte, Alkohol…
Man bäckt ihn in leeren Konservendosen, viel besser sind grosse als kleine. Das ergibt ihre charakteristische Form wie ein Panettone. Man kann natürlich auch andere Formen nehmen. Ich habe zwei kleine und eine grosse Dose verwendet und den restlichen Teig als Wandl in einer Kastenform gebacken.
Zutaten:
- 600 gr Mehl
- 150 gr Butter
- 200 gr Zucker
- 5 Eier
- 40 gr Germ (Hefe)
- 250 ml Milch
- 1 Stamperl Rum/ Amaretto
- 1 unbehandelte Zitrone
- je 100 gr Rosinen, Mandelstifte, kandierte Orangenschale (getrocknete Marillen)
- eventuell 50 gr kandierter Ingwer
- 100 gr Staubzucker
- Vanille
Zubereitung:
150 ml Milch erwärmen, 60 gr Butter darin auflösen.
250 Gramm Mehl und 50 Gramm Zucker dazugeben und zu einer glatten Masse verrühren.
Den Germ in 50 ml Milch auflösen und dazu rühren.
30 Minuten gehen lassen.
In der Zwischenzeit die Etiketten von den Dosen entfernen und mit Backpapier auslegen.
Dann das restliche Mehl (350 g), die restliche Butter (90 g), 150 Gramm Zucker, 50 ml Milch die abgeriebene Zitronenschale, die Vanille, den Rum zu der Masse geben.
4 Eier trennen (die Eiweiss aufheben, man kann herrliche Financiers daraus machen!).
Die 4 Eidotter und ein Ei in den Teig rühren und die Masse gut abschlagen (siehe TIPPS unten).
Eine Stunde rasten lassen.
Danach die feingewürfelten Aranzini, die Rosinen ( wer hat, nehme in Rum eingelegte!), die Mandelstifte und eventuell auch noch gehackten kandierten Ingwer (meine persönliche Note) einarbeiten, die Metalldosen bis zur Hälfte damit befüllen und eine Stunde oder mehr warten, dass der Teig aufgeht und oben ein wenig drüber reicht.
Im vorgeheizten Backrohr bei 160°C Ca. 40 Minuten backen(siehe TIPPS !).
Noch warm vorsichtig aus den Formen herausziehen und auf einem Kuchengitter ca. 15 Minuten leicht auskühlen lassen.
In der Zwischenzeit 2 El vom übrigen Eiweiss mit 100 gr Staubzucker (Puderzucker) hellschaumig schlagen.
Die Oberseiten des Kulitsch damit bepinseln. Es soll an den Seiten etwas herunterlaufen. Wenn nötig, ein bisschen später nochmal bepinseln.
Man kann das Osterbrot dann auch mit bunten Streuseln etc. dekorieren. Ich finde ihn in seiner urtümlichen Version am allerschönsten!
Frohe Ostern!
TIPPS:
1. Man sollte ca. 5-6 grosse Dosen (10-12 cm Durchmesser) oder 4 kleine, 3 grosse bereit halten. Oder, so wie ich, eine Kastenform für den restlichen Teig verwenden.
2. Die Dosen müssen unbedingt mit Backpapier ausgelegt werden; für den Boden die Dose auf Backpapier stellen, mit einem Bleistift um die Dose herum zeichnen und den Kreis ausschneiden. Die Seitenwände mit Backpapierstreifen, die 1cm höher als die Dose sind, auskleiden.
3. Beim Kauf der Dose schon schauen, ob sich das Etikett leicht löst. Ich hatte eine, wo es ganz leicht ging und eine andere, wo der Kleber nicht weg ging und das war blöd, denn man kann sie dann nicht verwenden, weil ja der Kleber schmelzen und es fürchterlich stinken würde!