Kuba zum Systemwechsel zwingen?

Die Verbindung der europäischen Staaten und besonders die der Bundesrepublik zu Kuba sind schlecht, da die europäischen Staaten von Kuba ein Systemwechsel fordern, bevor sie mit diesem bessere Beziehungen fördern. Die Partei die Linke stellt dies in Frage
Eine Rede von Sevim Dagedelen
Die geografische Nähe Kubas zu den USA hat für den Inselstaat bislang wenig Gutes bedeutet. Doch auch die geografische Ferne der EU und der Bundesrepublik Deutschland hat nicht gerade zu einer rationaleren Beziehung geführt. Dafür wäre es notwendig, dass die Sanktionen der EU nicht nur ausgesetzt, sondern endgültig aufgehoben werden. Der Gemeinsame Standpunkt der EU zu Kuba, der nach wie vor gültige Grundlage der Politik der EU gegenüber Kuba ist, muss endlich aufgegeben und durch einen neuen Ansatz ersetzt werden. Die Zeichen stehen gut. Denn die spanische Regierung drängt nach der Freilassung von 53 Inhaftierten auf Kuba vehementer auf eine Abschaffung des Gemeinsamen Standpunktes.
Systemwechsel als Pflicht
Seit 1996 verknüpft der Gemeinsame Standpunkt die Bereitschaft der EU zur politischen und wirtschaftlichen Kooperation mit Kuba ausdrücklich mit dem Ziel eines Systemwechsels. Die, die an diesem Gemeinsamen Standpunkt festhalten, wollen, dass Kuba seine Suche nach einem eigenständigen Entwicklungsweg, nach einer Alternative zum profitorientierten Gesellschaftsmodell aufgibt. Für die Partei Die Linke ist die aggressive politische Intervention, die im Gemeinsamen Standpunkt zum Ausdruck kommt, keine akzeptable Grundlage für eine Zusammenarbeit.
Bisher konnte Kuba seine Souveränität gegen vielfältige Widerstände verteidigen. Und das ist gut so. Aufgeben würde Kuba mit einem Systemwechsel seine für die meisten Länder der sogenannten Dritten Welt beispielhaften Errungenschaften auf dem Gebiet des Bildungs-, Sozial- und Gesundheitswesens. Diese Errungenschaften hat es trotz US-Embargo und gravierender wirtschaftlicher Schwierigkeiten bis heute aufrechterhalten. An den Errungenschaften des kubanischen Bildungs- und Gesundheitswesens hat nicht nur die kubanische Bevölkerung teil. So wurde durch das seit Dezember 1998 andauernde Engagement medizinischer Fachkräfte aus Kuba in vielen haitianischen Gemeinden erstmals ein Zugang zu medizinischer Versorgung ermöglicht.
Kubas Ansehen
Diese Hilfe kam der Bevölkerung Haitis zuletzt bei der Erdbebenkatastrophe zugute. Diese einmalige, schnelle und unbürokratische Solidarität ist es, die Kubas Ansehen insbesondere in den Ländern des Trikont ausmacht und die darüber hinaus gute Anknüpfungspunkte für die Kooperation mit Kuba bietet – im Sinne einer trilateralen Kooperation, von der ärmere Drittstaaten wie Haiti profitieren könnten. Leider wurde der Appell des damaligen kubanischen Präsidenten Fidel Castro von 1998 an die Industriestaaten, das kubanische Engagement in Haiti mit eigenen Beiträgen wie der Bereitstellung von Medizintechnik, Material und Medikamenten zu unterstützen, seinerzeit nicht aufgegriffen.

Abkommen zwischen Norwegen und Kuba

Die Partei Die Linke begrüßt aber sehr, dass Ende Januar 2010 die norwegische Regierung ein Abkommen mit Kuba unterzeichnete, demzufolge Norwegen die Arbeit der kubanischen Ärztinnen und Ärzte in Haiti mit knapp 900 000 US-Dollar unterstützt. Und wir begrüßen, dass mittlerweile die Diskussion um eine solche trilaterale Kooperation auch in der EU-Kommission angekommen ist. Millionen Menschen könnten davon profitieren, wenn ich zum Beispiel an die äußerst effektiven kubanischen Alphabetisierungsprogramme und die Augenbehandlungen durch kubanische Ärzte in vielen Ländern Lateinamerikas denke.
Doch statt dem Beispiel Norwegens zu folgen, versucht die Bundesregierung, Kuba in altbekannter Art und Weise zu diskreditieren. Und sie versucht, die sich in vielen EU-Mitgliedstaaten im Sinne einer Aufhebung des Gemeinsamen Standpunktes ändernde Haltung gegenüber Kuba zu blockieren.
Haltung der Bundesregierung
Vorgeschobener Grund für diese negative Haltung gegen Kuba ist die heuchlerische und selektive Behandlung der Menschenrechte. Das haben wir erst kürzlich wieder erlebt, als die Bundesregierung ihr neues Lateinamerika-Konzept vorgestellt hat. Als einziges Land mit problematischer Menschenrechtslage wird dort Kuba explizit genannt. Honduras, wo vor anderthalb Jahren ein Militärputsch stattgefunden hat, wo seither Hunderte Menschen ermordet, Tausende willkürlich verhaftet und teilweise schwerer Gewalt ausgesetzt worden waren; Kolumbien, wo weltweit die meisten Gewerkschafter ermordet und Menschenrechtsverteidiger jeden Tag bedroht werden, wo extralegale Hinrichtungen an der Tagesordnung sind und nicht geahndet werden; oder Mexiko, wo die tödliche Gewalt zum Alltag für Millionen geworden ist – diese Länder werden nicht kritisch erwähnt.
Im Gegenteil: Sie sind Partner der deutschen Lateinamerika-Politik gegen den sozialen Aufbruch, der sich derzeit in Lateinamerika vollzieht. So war es nach der FDP-Unterstützung für den Putsch in Honduras besonders bemerkenswert, dass sich die Bundesregierung im Gegensatz zu Spanien, Frankreich und anderen Staaten zu dem letzte Woche in Ecuador stattgefundenen Putschversuch gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Rafael Correa erst nach dem Scheitern des Putsches erklärte. Diese Erklärung beinhaltete aber noch nicht einmal eine eindeutige Verurteilung des Putschversuchs.
Menschenrechte als Konfliktpunkt
Wer Menschenrechte sagt und Rohstoffe wie in Afghanistan und im Südsudan meint, wer politische Rechte für Bürgerinnen und Bürger in anderen Staaten einfordert und Menschen in Länder abschiebt, in denen ihnen Folter droht, wer zur Flüchtlingsabwehr mit Regimen wie in Libyen kooperiert, wer Meinungsfreiheit anderswo einklagt und mit Lügen Angriffskriege führt oder vorbereitet, der verwandelt den Kampf um Menschenrechte in ein Instrument von Sozialraub, Krieg und imperialer Politik. Menschenrechte sind nur dann von Dauer, wenn sie auf einer Wirtschafts- und Sozialordnung beruhen, die die strukturellen Ursachen der andauernden Menschenrechtsverletzungen beseitigen.
Wie Venezuela ist auch Kuba ein wichtiger Motor des sozialen Wandels und der lateinamerikanischen Integration und leistet dabei einen wichtigen Beitrag zur Durchsetzung sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Menschenrechte. Die Linke fordert die Bundesregierung auf, sich innerhalb der Europäischen Union dafür einzusetzen, endlich den Gemeinsamen Standpunkt zu Kuba aufzuheben und diesen durch einen bilateralen Ansatz zu ersetzen. Es sollen Verhandlungen mit Kuba über ein Kooperationsabkommen eingeleitet werden, die gleichberechtigt, ohne Vorbedingungen und mit vollständigem Respekt für die Souveränität der beteiligten Partner und das Nichteinmischungsgebot der UN-Charta geführt werden. Auch sollte die Bundesregierung mit der kubanischen Regierung ohne Vorbedingungen Gespräche über Entwicklungszusammenarbeit aufnehmen und dabei auch die Möglichkeit trilateraler Zusammenarbeit zugunsten Dritter erörtern.
Wir erwarten, dass sich die Bundesregierung gegenüber der Regierung der USA dafür einsetzt, dass diese eine ähnliche humanitäre Geste zeigt, wie dies Kuba mit der Freilassung der 53 Inhaftierten getan hat, damit die seit 1998 in den USA inhaftierten und als „Miami Five“ bekannt gewordenen kubanischen Gefangenen Antonio Guerrero Rodríguez, Fernando González Llort, Gerardo Hernández Nordelo, Ramón Labañino Salazar und René González Sehwerert freigelassen werden. Bis zu dem Zeitpunkt ihrer Freilassung muss die Bundesregierung humanitäres Handeln der US-Regierung einfordern. Dazu zählt, dass die Ehefrauen der kubanischen Inhaftierten Besuchsrecht erhalten.

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