Kritik - Und dann der Regen

Kritik - Und dann der Regen

"Es gibt wichtigere Dinge als deinen Film." - Das bereits abgelaufene Kinojahr 2012 konnte mit seinem politischem, hollywodeskem Scheinkino und auch Steven Soderberghs sterilem Epidemie-Thriller "Contagion" bisher weniger überzeugen. Vorhersebare Geschichten, welche durch miteinander verbundene Subplots aufgepeppt wurden, schablonenhafte Charaktere, welche auf die Konten der Drehbuchautoren gingen und das fehlen linearer Spannungsbögen stimmten das Publikum unzufrieden. Daher durfte man auf die europäisch / südamerikanische Co-Produktion "Und dann der Regen" von Regisseurin Icíar Bollaín gespannt sein, welche aktuell auch auf dem hochauflösendem Filmformat der BluRay Disk vorliegt, um endlich einen qualitativen Vergleich zum gräulich-politischem, amerikanischen Subtext-Kino mit eineme anhaftendem, finalem Zeigefinger-Geruch und einer überflüssigen "Wir schlau das gezeigte zwischendurch doch ist" Attiüde ziehen zu können. Icíar Bollaíns packendes Drama "Dann der Regen" hält nicht nur den Vergleich mit der Konkurrenz aus Übersee stand, sondern lässt auch Dramen und Thriller politisch-gräulicher, nett gemeinter, aber recht belangloser US-amerikanischer Vordenkerschaft bzw. recht oberflächlich ausbuchstabierter Intrigenstadl wie beispielsweise George Clooneys "The Ides Of March" qualitativ deutlicher hinter sich. Obwohl man sich mit seiner klaren und formal richtigen Botschaft den konventionellen Dramaturgie-Mechanismen des Genres beugen muss. Der Dramaturgie werden trotzdem einige wichtige, neue Facetten hinzugefügt.

Kritik - Und dann der Regen

"Ich bete darum, dass wir das alles schaffen." -

Nicht nur Dank Authenzität und Atmosphäre möchte Icíar Bollaín das Publikum überzeugen, sondern dieses auch auf Grund so mancher entsprechender Metaebene wirklich zum mitdenken herausfordern. Mit ihrem Kunstgriff, einen dokumentarischen FILM IM FILM zu inszenieren und in diesem entsprechende Zitate aus der Menschheitshistorie vergangener Jahrhunderte zu verwenden, als diese auch mit der menschenverachtenden Gegenwart zu verknüpfen, reflektiert sie das menschliche Verhalten, welches sich über die Jahrhunderte gegenüber die unterdrückten und leidenden Menschen unserer Welt leider nicht geändert hat. und nachwievor viel Elend hervorbringt. Welchen Unterschied macht es, ob vor wenigen Jahrhunderten kolonialistische Unterdrücker Steuerabgaben auf Grund falsch eingeschätzer, wirtschaftlicher Mechanismen und politischer Ansichten erpressten und die Menschen dadurch einst ihre Grundbedürfnisse wie Nahrungs- und Wasseraufnahme nicht mehr decken konnten. Oder dies heute immer noch tun . Aus der eigenen politischen, limitierten Weltansicht, dem Status Quo der (fiktiven) Filmcrew gegenüber ihren Beteiligten und der Allgemeinheit heraus entwickeln sich, dank subtiler und raffiniert-installierter psychologischer Nuancen des erstklassigen Scriptes von Paul Laverty, neue, überraschende moralische Entwicklungen bzw. Stand- und Gesichtspunkte gegenüber den Geschehenissen, mit denen man als Betrachter gegen Ende nun mal nicht rechnet. Die schauspielerisch hervorragend agierende und homogen-wirkende Crew erlernt durch ihr "kostümiertes" Spiel und den daraus resultierenden Bezügen zur Gegenwart genau wie das Publikum ihr Fehlverhalten gegenüber der (bolivianischen) Allgemeinheit zu erkennen: im Grunde genommen sind unsere alltäglichen, zwischenmenschlichen und wirtschaftlichen Probleme (auch in Deutschland) nämlich relativ banal, schaut man sich unseren mittlerweile allgemeinen, gehobenen (Nahrungs- und Technik) Konsum im Quervergleich zu wahren (zwischen)menschlichen Problemen und Tragödien, wie in Bolivien beispielsweise, an.

Kritik - Und dann der Regen

Der kausale Zusammenhang zwischen Vergangenheit und Gegenwart erschließt sich in Icíar Bollaíns Drama "Und dann der Regen" Dank einer cleveren Montage sofort. Eine tiefere Verschachtelung diverser Erzählabschnitte ist in "Und dann der Regen" einfach nicht notwendig. Regisseurin Icíar Bollaín hält uns schmerzhaft den Spiegel vor das Gesicht, führt uns unseren teilweise vorhandenen Egoismus, unsere Skrupellosigkeit und vor allem den verschwenderischen, unausgewogenen Lebensstil vor Augen, ohne überhaupt in sentimentale Bereiche abzudriften oder den Betrachter mit der sprichwörtlichen, nervenden Moralkeule erziehen zu wollen. Ebensowenig geizt sie mit entsprechender Spannung und lässt ihre Darsteller auf emotional-ehrliche Weise agieren. Am Ende ihres Dramas "Und dann der Regen" existieren keine Gewinner. Jeder, sogar die fiktive Crew, erweist sich moralisch als Verlierer, also in die menschlichen Einzelteile zerlegt, weil man persönlich ohnmächtig gegen die resultierenden Folgen wirtschaftlicher und persönlicher Verantwortungslosigkeit, also der Schattenseiten des eigenen, gehobenen Lebensstils und dem daraus resultierenden menschlichem Widerstand geworden ist. Icíar Bollaíns "Und dann der Regen" wirkt auf emotional-subtiler Ebene stark nach und überrascht mit einer am Schluss erfreulichen, ehrlichen, undemonstrativen und schönen Geste: Werte wie Freundschaft, Respekt, Loyalität und Zusammenhalt, für welche die entsprechende Lanze in globalen harten Zeiten gebrochen wird, rücken dann per Metaebene unterschwellig in den inszenierten Vordergrund. Handwerklich setzte Icíar Bollaíns ihr stark nachdenklich stimmendes Drama "Und dann der Regen" auf hohem Niveau in Szene. Kameramann Alex Catalán zaubert erstklassige Bilder für das Publikum hervor, die es in Sachen Qualiät locker mit den besten, vergleichbaren Genrebeiträgen aufnehmen können. Ebenso vermag das Darsteller-Ensemble zu überzeugen: Gael García Bernal und Luis Tosar (als Sebastián und Costa) spielen sich routiniert die Bälle zu. Und Carlos Aduviri erweist sich als charimatisches Herzstück des Dramas. Das restliche Darsteller-Ensemble überzeugt mit solidem Spiel: Karra Elejalde hinterlässt die entsprechende, gute Visitenkarte, Raúl Arévalo bekommt in seinen Rollen als Juan und Antonio de Montesinos nicht allzuviel zu tun, füllt die entsprechende Screentime aber überzeugend aus, ebenso wie Najwa Nimri als Isabel La Católica. Und auch der Score untermalt die breiten Bilder stets passend.

Fazit: Mit "Und dann der Regen" serviert Icíar Bollaíns dem Publikum ein wirklich gutes und rundum überzeugendes, ambitioniertes als auch authentisch wirkendes Drama. Obwohl der Sprung zu einem hervorragendem Film oder gar einem Meisterwerk nicht gelingen möchte: zu einem wirklich perfektem Filmgenuss mangelt es an einer etwas stringenteren Inszenierung. Ebenso vermisst man so manch inszenierten, emotionalen Höhepunkt und einige, stilistisch bemerkenswerte, auf das Publikum einstürzende Action-Plansequenzen mehr, etwa wie in Edward Zwicks hervorragendem Polit-Thriller"Blood Diamond". Dennoch stellt Icíar Bollaín ihr Talent mit "Und dann der Regen" eindrucksvoll unter Beweis. Icíar Bollaíns Drama "Und dann der Regen" gehört zu den besten Filmen 2012.

Wertung: 8,5/10 Punkte


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