Autoren: Max Renn, Thorsten Krüger, Tobias Lischka
Nach Komödienkonventionen der öden Art in "Malavita – The Family" möchte Galliens Action-Maître Luc Besson mit "Lucy" wieder darlegen, wie Populärkino den Geist anregen kann, wenn es furiose F/X und ein frenetisches High Concept miteinander verbindet. Mit der Kreation einer Wonderwoman, von Scarlett Johansson menschlich unheimlich nahegehend gemimt, präsentiert der Franzose seinen besten Beitrag seit den 90er Jahren. Auch wenn er kein Meisterwerk inszeniert hat. Komik, Witz und Humor begleiten die wie die allererste Frau Lucy genannte Heldin, die unschuldig in einen makabren Gewaltalptraum gerät. Sie fällt einem grausamen koreanischen Mobboss (furchteinflößend: "Oldboy"-Star Choi Min-sik) in die Hände, der sie als Versuchskaninchen zum Drogenschmuggel missbraucht und ihr die kristalline ultramarine Designerdroge einoperiert, die nach brutalen Fußtritten ihren Körper flutet.
Symphonisch intensive Evolution im Schnelldurchlauf Denn Jonhansson trägt den Film emotional und sehr identifikatorisch, durchläuft fast symphonisch intensiv eine Evolution im Schnelldurchlauf wie in "Her", bis sie zu einem fremden Alienwesen wird, das sie in "Under the Skin" war. Nur nicht als kryptisches Kunstkino, sondern als leicht konsumierbarer, okay wirkender Mainstream, der seine fesche "Matrix"-Actionperformance mit klugen Anregungen zur Denkfähigkeit erweitern möchte. Was ab und an, aber halt nicht immer perfekt funktioniert. Was "Akira" ist und "Transcendence" hätten sein können, vollzieht die Transformation zum Transhumanismus aber auf immerhin visuell-hippe wie faszinierende und empathische Art. Lucy kämpft gegen ein koreanisches Überfallkommando, denn die Action ist nun mal das Mittel der Wahl. Parallel dazu reist Besson vom Ursprung des Lebens bis zur Singularität der Intelligenz, ein auf handwerklicher Ebene unbedingt beeindruckender Trip, der die witzigsten Gimmicks visualisiert.
Monolith-Moment aus Kubricks "2001"
Der Traum der Erkenntnis gipfelt in einer Zeitreise, die in etwa dem Monolith-Moment aus Kubricks "2001" gleicht, eine gewaltige kosmische Schöpfungstour wie von Olaf Stapledon. Bevor sie per ILM-Effekte zum Computer morpht, hält Lucy Wissenschafts-Koryphäen eine Philosophie-Vorlesung. Was man all dem an mangelnder Plot-Logik auch vorwerfen kann, eins ist es nie: langweilig. Wenn man sich denn einklinken mag. Fazit: Am schönsten aber ist: Weibliche Intelligenz ist auch von männlicher Gewalt nicht zu besiegen. Luc Besson gelingt mit Lucy zwar kein großer Wurf, da viele Aspekte der zu Grunde liegenden Thematik ab und an etwas oberflächlich angerissen werden. Auf den notwendigen, am Ende noch größeren erzählerischen Science-Fiction-Tiefgang muß man also verzichten. Ebenso kommt die Inszenierung etwas zu formelhaft daher, das Ende des Films wird beim mitdenken schnell klar. Diese Schwächen kennt man bereits aus früheren Luc Besson "Produktionen". Aus Lucy hätte also durchaus etwas mehr werden können. Das Publikum bekommt trotz Schwächen am Ende aber ein ganz brauchbares, also solide-phantasievolles Science-Fiction-Mashup geboten, das mit seiner gut aufgelegten Hauptdarstellerin, seinem Witz und seinem Timing für Qualität sorgt. Und Luc Besson-typisch einige deftige Action-Sequenzen zu bieten hat. Mit freundlicher Genehmigung von Komm & Sieh
Wertung: 6.5/10 Punkte