Kritik - Liberace

Kritik - Liberace

"I want to be everything to you, Scott. I want to be father, brother, lover, best friend." -

Wieviel Mensch bleibt vom Menschen eigentlich noch übrig, wenn er sich ganz und gar der glitzernden Fassade des US-amerikanischen Showbusiness, z.B. in Las Vegas, verschrieben hat? Ist der Mensch, wenn er in seinem Leben eigentlich niemals richtig gelernt hat, seine wahren Gefühle gegenüber den Menschen zu zeigen, die man wirklich liebt und als Ausgleich dafür alles materiell erworbene aufwendet, nicht schon selbst der modernen Art des Vampirismus verfallen? Wenn er es emotional nicht zu bewerkstelligen vermag, der modernen Gesellschaft, welche sich stets nach dem perfektem Entertainment als Zerstreuung sehnt, die übergroße, gespielt-gekünstelte Pesönlichkeit zu vermitteln, die täglich, wöchentlich, monatlich, ja sogar jährlich, immer wieder eingefordert wird?  Würde er nicht an diesem im aufgebauten, seelischen Druck zu Grunde gehen, um dies bewerkstelligen zu können? Und um das eigene zerbrechen an der Erwartungshaltung zu vermeiden, einen wichtigen Halt im Leben benötigen? Aber ist es aus einem anderen Blickwinkel betrachtet nicht wundervoll, vom Publikum im Gegenzug für die eigene Selbstüberwindung- und Aufopferung auf phlegmatische Art und Weise geliebt zu werden? Auch wenn diese "Liebe" im Leben manchmal halt nicht von Dauer gekrönt ist?

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All diese Fragen und dazugehörigen Antworten fügen sich in Steven Soderberghs Drama "Liberace" nach und nach zu einem zwischenmenschlichen, genuinen Ganzen zusammen. Und zwar zu einem Konflikt, den nicht "nur" gleichgeschlechtliche Paare im Showbiz immer und immer wieder durchleben. Betrachtet man sich Steven Soderberghs von Kritikern gelobtes Drama "Liberace" (OT: "Behind the Candelabra"), in welchem die Homosexualität zwar eine Rolle spielt, aber niemals zum alles bestimmenden Thema erhoben wird, so muß man leider feststellen, dass auch das Schicksal des von Michael Douglas gespielten 70er und 80er Jahre US-amerikanischen Starpianisten "Liberace", der zeitlebens seine Homosexualität verstecken mußte, keinen Einzelfall in unserer Welt darstellt. Sondern das sich dessen Schicksal als Paradiesvogel eher als die tragikomische Quintessenz, ja als das Vorzeige-Produkt einer immer schnellebigeren US-amerikanischen Konsum- und Wegwerfgesellschaft, offenbart. Welche am Ende für die "wahre" Melancholie des im inneren kleinen Menschen bzw. reaktionär-verklemmten, aber mit einem Ausnahmetalent gesegneten Schweines namens "Liberace", der ohne seinen Partner Scott Thorson schon viel eher als an seiner am Ende tödlichen Krankheit zu Grunde gegangen wäre, rein gar nichts vernimmt. Außer Regisseur Steven Soderbergh selbst, der diese "Melancholie" am Ende seines vom US-amerikanischen Fernseher HBO aufgekauften TV-Filmes, der auf die Kino-Leinwände gehievt wurde, Dank der schon oft diskutierten, erstklassigen schauspielerischen Leistung von Michael Douglas für das Publikum auf emotionaler Ebene zu einem perfekten Erlebnis werden lässt.

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Und dieses emotionale, bittersüße Erlebnis darüber hinaus in die akkuraten und passenden Bilder einzuhüllen vermag.  Und obwohl Steven Soderbergh seine Geschichte in einem okönomisch-strammen, 119minütigen Takt, also das gesamte Geschehen um Liberace (Michael Douglas) und Scott Thorson (Matt Damon) aus zunächst rein distanziert-kühler Perspektive erzählt, welches nur im Mittelteil für ca. 10 Minuten dramaturgisch ein klein wenig durchzuhängen vermag, gelingt ihm im Verlaufe dennoch das kleine Kunststück, diese eigene, auferlegte Distanziertheit nach und nach aufzubrechen. Um mit den letzten Einstellungen, also des schwebens Michael Douglas von der Bühne, die nach Oberflächlichkeit bzw. Entertainment verrückte Masse, welche Liberace zu Füßen liegt, aus dem eigenem Blickwinkel heraus zum reinen, nicht entwürdigendem Amüsement verkommen zu lassen. Gleichermaßen werden dann auch die Schöhnheit und die Magie des Kinos selbst wieder einmal zelebriert. Inklusive einrollender Endcredits. Somit offenbart sich "Liberace"  Dank bekannter, in den Mittelpunkt gerückter und ausgetragener Konflikte nicht nur als konventionell ausbuchstabiertes Liebesdrama, als ein (unmögliches) der Wirklichkeit sehr nahe kommendes, empfundenes Gleichnis zweier am Ende aneinander gescheiterter, aber miteinander ausgesöhnter Seelen, welche neben allem ironischem Blick auf die US-amerikanischen Gesellschaft dem ständigen analytisch-geschärften Blick im goldenem Käfig zum Opfer fallen. Ohne das diese der Lächerlichkeit preisgegeben werden.

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Nein, mit Liberaces Abgang inszeniert Steven Soderbergh (als Ausdruck seines biographischen Ausflusses) auch seinen eigenen Abschied von der US-amerikanischen Showbühne, der, betrachtet man rückwirkend den gesamten Verlauf seiner Karriere und das dazugehörige Oeuvre des Regisseurs, natürlich nicht ohne einen kleinen, bissigen und spassfördernden, satirischen Seitenhieb auf die eigene Zunft auskommen kann.  Denn im Hintergrund offenbart sich "Liberace" als Kostüm- und Nabelschau, zwischen all den ausgestellten, bunten Lampen und der glitzernden Fassaden also, als ein Ausdruck der Seele unserer modernen Gesellschaft selbst, welche sich nur noch an der mittlerweile schnelllebigen, scheinheilligen und pervertierten Oberfläche des US-amerikanischen, veränderten (Blockbhuster) Unterhaltungszirkus labt, dessen mittlerweile vorherrschende Kunst als klassischer Dolchstoss in den eigenen Rücken ( Steven Soderberghs Drama "Liberace" sollte trotz aller Qualität Dank der zuständigen, US-amerikanischen Film-Studios den Zuschauern auf der Leinwand gar nicht erst vorgestellt werden) vor allem darin besteht, mit Effekten, Pomp, Spektakel und allem dazugehörigem, visuellem Stil zu punkten.

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So vergisst das Publikum zeitweilen,  welche zwischenmenschlichen, glaubwürdig zu vermittelnden Dramen (zu denen zeitweilen auch das persönliche Scheitern zählt) und auch handwerklichen Mittel erforderlich sind, um die "Kunst" zu einem wirklichen Leben zu erwecken. Deutlich wird dies vor allem in den ersten 15 Minuten von Steven Soderberghs gut  inszeniertem und süffig zu konsumierenden Drama, wenn Liberace die Bewunderung seines gesamten Könnens von DEN Menschen erfährt, welche ihm wirklich nahestehen. Oder ihm noch mehr näherkommen werden, wie halt Scott Thorson. Und der Rest des anwesenden, reifen Publikums darf sich an allen eigentlich unerwachsenen Gimmicks und Beilagen der gezeigten Show erfreuen. Zu viel des Guten ist für die biedere und breite Masse halt etwas sehr wundervolles. In gewisser Art und Weise schafft sich die ehrliche Unterhaltungsindustrie in Steven Soderberghs auf dem Festival von Cannes gefeierrtem Drama "Liberace" also nach und nach selbst ab, was im Finale von Michael Douglas mit einem entsprechendem, aber niemals menschlich entwertendem Lächeln quittiert wird.  Der gesamte, etablierte Unterhaltungszirkus stilisiert sich lediglich zu einer neuen, ethisch diskutablen Form des Darseins hoch, denn der Mensch selbst wird zu einem reinem Kunstprodukt verformt, wenn  Scott Thorson (Matt Damon) sich beispielsweise in die Hände des Schönheitschirugen Dr. Jack Startz (Rob Lowe) begeben darf.  Rob Lowes Anblick, der das Publikum Dank diverser Liftings und dazugehöriger, eingefrorener Mimik auf grandiose Art und Weise erschaudern lässt, belegt einmal mehr, das alternde, natürliche Menschen im US-amerikanischen Unterhaltungszirkus schon seit Liberaces Karrierehöhepunkten in den 70er und 80er Jahren nicht mehr toleriert wurden. Liberace (Michael Douglas) muss bedauerlicherweise ja selbst immer wieder zur Echthaarperücke greifen: thematisch beschäftigt sich Steven Soderbergh also mit der Entwicklung des bis heute verlogenen US-amerikanischen Showbiz, welche zur persönlichen Projektionsfläche des Regisseurs verkommt. Welche sich mit "Liberace" also ihren längst, überfälligen und kräftigen Tritt in den Allerwertesten redlich verdient hat. Bevor man ein leises Servus vernehmen darf.

Fazit: Steven Soderberghs Drama "Liberace" ist trotz aller Ausrechenbarkeit auch Dank gut aufgelegter Nebendarsteller wie Dan Akroyd ("Ghostbusters", Blues Brothers") und Paul Reiser ("Aliens die Rückkehr") zu einem sehenswertem Stück Film geraten.

Wertung: 7.5/10 Punkte


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