Protestanten und Katholiken müssen neu lernen, um Geld zu bitten
von Wolfgang Thielmann
Ohne Not haben die beiden großen Kirchen neun Jahre lang zugesehen, wie sich der Autor Carsten Frerk zum vermeintlichen Experten für Kirchenfinanzen hochschrieb, der sich dem atheistischen Spektrum in Deutschland zuordnet und als Kirchengegner profiliert. Lange haben sie es ihm überlassen, mit mittlerweile drei Büchern viel an Deutungshoheit über ihr Geld und Vermögen zu erringen. Sie selber waren nicht bereit, die Klarheit zu schaffen, die Frerk nun für seine Ziele dienstbar macht.
Erst seit wenigen Jahren hat die evangelische Kirche eine Internetseite über Kirchenfinanzen geschaltet, seit einigen Tagen ist die katholische Kirche nachgezogen. Jetzt werfen sie kirchenkritischen Organisationen vor, eine Kampagne zu entfachen. Weshalb haben sie nicht selbst eine organisiert? Längst erwarten die Menschen, dass die Kirche sie um ihr Engagement bittet, gleich ob es über gesetzliche Regelungen oder freiwillige Beiträge erfolgt. Auch Staatsleistungen sind auf die innere Zustimmung der Bürger angewiesen. Transparenz und öffentliche Rechenschaft sind aus der Sicht von Gebern eine Selbstverständlichkeit, geheime Haushalte ein Unding.
Warum nur sind die Kirchen nicht offensiver ins Gespräch gegangen? Erst jetzt, unter dem Druck der Publikation, sagen sie etwas deutlicher, dass ihr Engagement bei Schulen, Kindergärten und Krankenhäusern der Gesellschaft nützt, inhaltlich und finanziell. Im vergangenen Jahr hätte das Argument noch schwerer gewogen. Jetzt riecht es nach später Verteidigung.
Einmal abgesehen von der auch hier wieder auftauchenden alten Leier über die Wohltaten der Kirche(n)… finde ich es interessant, Kritik aus den eigenen Reihen (des Gegners) zu lesen.
Wenn das Violettbuch erreicht, dass es mehr Transparenz – auch innerhalb der Kirche(n) – über deren Finanzen gibt, dann ist schon viel gewonnen.
Nic