"Wissen Sie, wir sitzen hier, Sie und ich, wie zwei ganz normale Typen." Sie machen, was Sie machen, und ich tue, was ich tun muss!" -
Los Angeles ist für die bekanntesten, US-amerikanischen Filmemacher, darunter Regisseur Ridley Scott ("Blade Runner") bisher immer eine Art "Mekka" und "Paradies" gewesen, wenn es darum ging zu schildern, wie die Menschheit ihre ureigenen Grundwerte und Prinzipien verriet bzw. moralisch verfiel. Diese Stadt besitzt eine nahezu magische Anziehungskraft. Vor allem Nachts, wenn das Leben pulsiert. Sie wirkt seit jeher wie das Zentrum der Apokalypse und wie eine offengelegte Wunde der Menschheit, die man nicht mehr schließen kann. Und definiert sich selbstgefällig in Recht und Unrecht bzw. in die sture Unterteilung in Verbrechen und Gesetz, die seit Ewigkeiten zwecks einer geregelten Koexistenz der Menschen ins Leben gerufen wurde. Aber was passiert, wenn Verbrechen und Gesetz sich zu überschneiden drohen und beide Milieus mit ihrer Art der Berufsdefinition ihre Existenzberechtigung haben, da die Schere zwischen armer und reicher Gesellschaftsschicht immer weiter auseinander driftet? Die Gesellschaft wird auch in Zukunft durch ihren unbändigen kulturellen und soziologischen Fortschritt bzw. ihren selbst auferlegten, immer stärker werdenden Gesellschafts, Erwartungs- und dem daraus resultierendem Leistungsdruck immer wieder wieder Mitglieder der Gesellschaft hervorbringen, die an diesen Normen scheitern und nicht weiter gefördert bis beachtet werden, aber ebenso eine Existenzberechtigung wie der bereits vorbildlich lebende "Durchschnittsbürger" haben. Und selbst in den definierten Tagesabläufen unterscheiden sich definiertes Recht und Unrecht, Gesetz und Verbrechen nicht grundlegend voneinander, wenn zum Pasta essen gerufen wird und die "Tommy Gun" im Kofferraum versteckt werden muss. Meisterhafte Epen wie Coppolas "Der Pate" und Thriller-Dramen wie Martin Scorseses "Good Fellas" und "Casino" lebten dem Publikum diese Umstände bereits zur Genüge vor.
"Du darfst dich niemals an was hängen, das du nicht innerhalb von 30 Sekunden problemlos wieder vergessen kannst, wenn du merkst, dass dir der Boden zu heiß wird." -
Vincent Hanna und Neil McCauley sind am Ende die Opfer der zwei Kehrseiten einer gesellschaftlichen Medaille, die von der Hitze in L.A, auch in der Nacht, komplett aufgezehrt werden. In die alles zermahlenden Mühlen des Kampfes um Recht und Unrecht geraten. Es gibt keine reinen Kriminellen, sondern nur normale Menschen, die kriminell werden und verlieren müssen, egal wie man das Blatt am Ende dreht und wendet. Auch Vincent Hanna (Al Pacino) überschreitet die abgesteckte Grenze zwischen definiertem Recht und Unrecht und wird vom Verständnis her zu einem Kriminellen, da er kein Mitgefühl und keine moralische bzw. menschliche Grenze mehr kennt, wenn er Neil McMcCauley schlussendlich eliminiert. Er überschreitet letztere bei weitem und vergisst dabei die wichtigsten "ethischen" Werte, an die ihn sein beruflicher Eid und seine Familie binden. Bevor er sich an diese zurückbesinnt. Nachdem er also zur Selbsterkenntnis gelangt ist, was er sich durch die Jagd auf Neil McCauley zugemutet hat. Und er auch begreifen darf, wohin ihn die fremdbestimmten, auferlegten Richtlinien geführt haben. Erst grenzt sein Vorgehen gegen Neil McCauley an Selbstjustiz, dann entlädt sich seine ganze aufgestaute Wut und Energie in einem finalen, kriminellen Akt beziehungsweise einer eiskalten Geste von Rechtsdurchsetzung innerhalb einer geschaffenen Grauzone. Im amerikanisch-grauen Sumpf der Kriminalität bzw. im Kampf gegen das Verbrechen, vor allem in L.A., finden täglich solche unbeachteten Tragödien täglich statt. Denn es wird unentwegt zu keiner Zeit darauf Rücksicht darauf genommen, ob ein Menschenleben im Kampf gegen das Verbrechen am Ende überhaupt noch wirklich zählt. Ansonsten darf die eigene Karriere als Verbrechensbekämpfer gerne an den sprichwörtlichen Nagel gehangen werden. Sollte man sich beispielsweise dazu entschließen, viele Jahre an harter Arbeit aufzugeben, wenn man einen zu fassenden, Draht ziehenden Verbrecher laufen lässt. Damit man zu dem zurückkehren darf, was letzten Endes wirklich zählt. Nämlich den Menschen, die einem persönlich sehr nahe stehen. Man hat also im Angesicht seines Erzfeindes die Wahl, ob man sich für den langjährigen Erfolg der eigenen Verbrechensbekämpfung oder die eigene Familie entscheidet. Eine echte, sich leider für viele Verbrechensbekämpfer wiederholende bzw. nicht endgültig-aufzuhebende, tragisch-gesellschaftliche Ausnahmesituation, die neben der verkörperten Kehrseite von Robert De Niro von Michael Mann in "Heat" perfekt in Szene gesetzt bzw. packend illustriert wurde. Am Ende ist man auf Seiten des Gesetzes so oder so der moralische Verlierer, der gehörnte, egal für was man sich entscheidet. So simpel und so genial. Man kann halt nicht immer alles im Leben erreichen, egal wie sehr man sich dafür manchmal anzustrengen vermag. So ergeht es in "Heat" halt Vincent Hanna (Al Pacino), der hinter Neil McCauley (Robert de Niro) wie einem zu jagendem Tier hinterherhetzt, um dieses endgültig zur Strecke zu bringen. Aber wer definiert eigentlich das "Recht", ab welchem Punkt wird dies übertreten und ist moralisch in seiner "Anwendung" noch vertretbar? Haben Cops und Gangster nicht gleichermaßen Schuld daran, das sich solch differenzierten, geschilderten Tragödien wie in "Heat", welche in Michael Manns Thriller-Epos inszenatorisch bewusst auf die Spitze getrieben werden, tatsächlich in unserem realem Umfeld Tag für Tag ereignen? Sind Vincent Hanna und Neil McCauley die Sündenböcke, oder sind sie auch als Opfer ihres gesellschaftliches Umfeldes zu betrachten, in das sie hineingeboren werden? Sie sind beides. Und beide ähneln sich Dank ihres Charakters bis zur Schmerzgrenze der Perfektion. Und sie stehen nur auf der für den anderen jeweils gegenüberliegenden Seite. Und Dank der perfekten Schilderung zweier letzterer Tatsachen geriet Michael Manns Thriller "Heat" zu einem Klassiker des Thriller-Genres, der die üblichen Gut gegen Böse- Erzähl- und Figuren-Konstellationen während seines Erscheinens im Jahre 1995 geschickt ad absurdum führte. Fazit: "Heat" erweist sich, da permanent die moralischen Standpunkte der Protagonisten hinterfragt werden, als im höchsten Maße mutiger Thriller. Der beliebten Form der Erzählung, die den Wert jeder einzelnen, menschlichen Existenz thematisiert, hat man zuletzt auf erstklassiger Art nur in Ridley Scotts Science-Fiction Meisterwerk "Blade Runner" beiwohnen dürfen. Harrison Ford wurde einst in der Rolle des zynischen Auftragskillers Rick Deckard moralisch in Frage gestellt, als er den Replikanten "Roy Batty" eliminieren sollte, der einfach nur leben wollte. Und auch seit "Heat" gilt im Thriller-Genre nun seit geraumer Zeit, das Menschen, die abseits und für das Gesetz handeln, einen hohen ethischen Wert besitzen, den man trotz ihrer Taten respektieren muss. Sie dürfen nach einer epischen Auseinandersetzung nicht einfach als tote, untypische, moralische Gewinner (Neil McCauley) oder als moralische Velierer, zerbrochene bzw. seelisch leere Hüllen (Vincent Hanna) zurückbleiben. Zur Zeitlosigkeit von Michael Manns erstklassigen Thriller tragen nicht nur die eigene Thematik, die stringente Form der Erzählung, Robert De Niro als auch Al Pacino als tragende, schauspielerische Säulen bei. Sondern auch der Filmschnitt, die eingefangenen, bläulich-kühlen Bildern durch Dante Spinottis Kamera, die legendäre Schießerei, die an die Auseinandersetzung am O.K. Corrall erinnert, der glaubwürdige Nebencast wie Natalie Portman sowie Mobies u. Goldenthals stimmungsvoller Score leisten ihren Beitrag dazu. "Heat" ist ein erzählerischer Gigant, der sich während des emotionalem Finales mit viel Energie aufrichtet.Wertung: 10/10 Punkte