Kritik - Falling Down

Kritik - Falling Down

"Ich geh nach Hause! Davon kann mich keiner abhalten!""Ach, ich bin der Böse?" - "Ja" - "...das habe ich ja nie gewollt... ich habe alles getan, was man mir gesagt hat..." -

Unsere Welt, samt ihrer reellen Bezüge auf der Leinwand, wird in der Filmlandschaft Hollywoods meistens immer klischeehaft in Schwarz und Weiß unterteilt: Da gibt es zum einen diejenigen, die immer für Ordnung sorgen und das Chaos aus der Welt schaffen, sich also für andere, also den normalen Durchschnittsbürger aufopfern. Und diesen aus den schlimmsten Notlagen befreien dürfen. Auf der anderen Seite hingegen gibt es die Individuen, die morden, rauben plündern, lügen und bis zum Exzess hin stehlen müssen. Hollywood möchte dem Publikum gerne ab und an immer diese ungeschminkte Wahrheit verkaufen, die sich manchmal als zu naiv, fahrlässig bzw. nicht der Realität entsprechend herausstellt. Aber was befindet sich in der nicht allzu oft ausreichend temperierten, realen menschlichen Mitte, der Grauzone der Gesellschaft? Erfrischenderweise kam Joel Schumacher anno 1993 auf die Idee, einen bis dato nie da gewesenen, schonungslos offenen, ehrlichen, zynischen und sarkastisch-pointierten Psychothriller zu drehen, der mit dem angestammten Psychothriller-Klischees Hollywoods erbarmungslos aufräumt. Denn die Welt lässt sich nun mal nicht in Schwarz und Weiß definieren, sondern stets als grauer Schmutzhaufen entlarven. Die Realität erweist sich im nach hinein als zu komplex, um  auf simple Art und Weise, also stur in Recht und Unrecht unterteilt und dementsprechend auf der Leinwand abgebildet zu werden. Sie birgt viel Stress Potential durch den alltäglichen Wahnsinn bzw. die Reizüberflutung, die tagtäglich auf uns Überhand zu nehmen droht. Aber welche Folgen bringt dies mit sich?  Um diese zentralen Fragestellungen kreist Joel Schumachers Psycho-Thriller "Falling Down": Haben wir noch die Kontrolle über unser aller Leben, über unsere schneller fortschreitende Entwicklung? Oder macht uns die Gesellschaft mit dem "American Way of Life", der "From Rags to Riches Lebenslüge", von vorneherein nicht zu einem anderen, seelisch kaputtem Individuum, welchem man die mentale und körperliche Wut an den Missständen der Gesellschaft nicht einmal übel nehmen kann? In wie fern ist heutzutage noch jeder selbst für sein Handeln in einer immer schnelllebigeren Gesellschaft beziehungweise einem vordefiniertem Gesellschaftsvertrag verantwortlich? Sind wir nicht alle bereits zu sehr fremdgesteuert, einem wirtschaftlichen Automatismus unterlegen? 

Zum Inhalt: Es ist Sommer: an einem verdammten heißen Tag in L.A steigen mal wieder die Temperaturen ins unermessliche. Eine Baustelle wird sichtbar. Die Lüftung im Auto von "D-Fens" (Michael Douglas), funktioniert nicht mehr, der Fensterheber ist kaputt, der Schweiß perlt unserem Protagonisten, der gleichzeitig als Täter und Opfer fungieren wird, von der Stirn. Der Fahrer mit Namen William Foster (Michael Douglas) , der dem Kennzeichen seines Autos nach mit  "D-Fens" bezeichnet wird, ist ein bedauernswertes Individuum unserer Gesellschaft, ein Nobody wie du und ich, ein totaler Durchschnitts-Mensch. Jemand, der nur sein einfaches Leben unter Kontrolle halten möchte, aber gerade von seiner Familie verlassen und arbeitslos wurde. Joel Schumachers Thriller "Falling Down" ist also aktueller denn je. Michael Douglas bleibt in seiner Rolle ebenso anonym wie die Stadt, in der er lebt. Es gelingt Joel Schumacher bemerkenswerterweise schon nach wenigen Augenblicken dem Publikum klar zu machen, wohin die Reise mit "Falling Down" gehen wird. Untermalt von einem minimalistischen Score wird klar, das nur ein kurzer kleiner Augenblick genügen wird, damit das Fass "D-Fens" überlaufen darf. Was auf Grund verschiedener Gesichtspunkte aber jederzeit nachvollziehbar bleibt. 

  Man kann "D-Fens" ja noch nicht mal als "reinen" Wahnsinnigen identifizieren, man versteht den abgründigen Humor, den er an den Tag legt. Denn im Grunde genommen hat er mit dem was er ausdrücken möchte, ja Recht. Dies wird dem Publikum schnell ersichtlich, lässt sich man sich von Joel Schumachers Regie in "Falling Down" mitreißen. Denn "D-Fens" sieht sein Lebenswerk zerstört, sich also um seine Ideale betrogen. Amerika befindet sich als gepriesenes "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" kurz vor dem Gang in die wirtschaftliche Rezession, man sieht sich, genau wie "D-Fens" also mit einer Lebenslüge konfrontiert, die in unserer anormalen Gesellschaft zusätzlich auch noch durch den täglichen Konsumterror unterstützt wird, welchen "D-Fense" im Verlaufe nicht mehr ertragen kann. Und der den Menschen mehr als jemals wirklich für jeden einzelnen zu erreichen ist, verspricht. Aus diesem Grunde begibt sich D-Fens mitunter auch bewaffnet(!!) in ein Fast Food Restaurant. Kritik - Falling Down

"Hallo, ich hätte gerne ne Portion Wham-Fries, ein Omelett mit Schinken und..." - "Tut mir leid, Sir. Wir machen kein Frühstück mehr. Dafür gilt jetzt die Mittagskarte." - "Ich will aber lieber Frühstücken." - "Wie ich sagte, das gibt es jetzt nicht." - "Ja, das sagten sie schon. Ist das der Geschäftsführer?" - "Ja, das ist er." - "Ob ich ihn mal sprechen könnte?" - "Ja natürlich. Rick, hier ist ein Kunde der dich sprechen möchte." - "Ja, Sir?" - "Hallo, ich möchte gern Frühstücken." - "Bedauere, dafür ist es zu spät." - "Rick, ich weiß, dass es kein Frühstück mehr gibt. Sheila hat es mit gesagt... wieso rede ich euch mit Vornamen an. Ich kenne euch doch überhaupt nicht. Zu meinem Boss sage ich noch immer Mr., ich habe siebeneinhalb Jahre für ihn gearbeitet, aber hier komme ich als Fremder rein, und rede euch mit Rick und Sheila an, als ob es ein Treffen der anonymen Alkoholiker ist. Ich will nicht ihr Kumpel sein, Rick, ich will nur eins... Frühstücken." - Sheila : "Wenn sie wollen können sie Miss Fournsome zu mir sagen." - Rick: "Sheila! Mann kann bei uns täglich bis 11:40 Uhr Frühstücken." - (Schaut auf die Uhr - 11:33 Uhr) - "Rick, sie haben doch sicher schon mal des Ausdruck gehört: Der Kunde ist bei uns immer König!" - "Ja" - "Das freut mich zu hören. Also, hier bin ich. König Kunde..." - "Das ist nicht unsere Verkaufspolitik. Wenn sie essen wollen, bestellen sie etwas von der Mittagskarte." - "Ich will kein Mittagessen, ich will immer noch Frühstücken." - "Tut mir leid, kann man nicht ändern." - "Wollen mal sehen, ob man das nicht ändern kann." - "Er hat ein Maschinengewehr!!!" -

Kritik - Falling Down

Schonungslos offen und ehrlich seziert Schumacher das Seelenleben seines Protagonisten, welcher durch individuelle Einflüsse der modernen, schnelllebigen Lebensweise immer zunehmend kränker wird. D-Fens Motto lautete: dränge dich niemals zu sehr in den Vordergrund, sei immer fleißig und gehe ehrlich arbeiten. Dann erhältst am Ende auch deinen gerechten Lohn. Denn wer rechnet denn schon mit Banken, Finanz- und Rentenkrise, vor allem damit, das letztere das eigene, hart erarbeitete Kapital schröpfen wird? Aber nach über 25 Jahren harter Arbeit hat man hat man D-Fens über das Ohr gehauen, ihn beschissen, belogen und und um sein angespartes Geld betrogen, selbst in einem schnödem Fast Food Restaurant fällt man der Lüge zum Opfer. Denn auch ein mickriger Hamburger, der mal wieder zu klein ist. Beziehungweise als größer und saftiger von der "Big Brother is watching you" Werbung versprochen wurde, muss dran glauben. In der rechtlichen Grauzone zwischen eigens aufgebauter Paranoia und totaler Verzweiflung sucht er nach einem Ausweg, um sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Um um die Gerechtigkeit wieder herzustellen. Wutentbrannt stapft er los, und als ihm besagte Waffe in die Hände fällt, nehmen unvorhergesehene Dinge ihren Lauf… Joel Schumachers spannungsgeladenen Thriller "Falling Down" sollte man öfters eine Chance zur Sichtung einräumen, um sämtliche Perspektiven aller am Drama Beteiligten überhaupt nachvollziehen zu können, die sich regelrecht am Ende überschneiden. Und natürlich kündigt sich daher am Ende von "Falling Down" eine persönliche und zwischenmenschliche Katastrophe an, die man nicht mehr vergessen wird. Am Ende darf das Publikum das gesamte, menschliche Verhalten beziehungweise unsere gesamte Gesellschaft komplett überdenken. 

Mit 'Falling Down' gelang Joel Schumacher in den 90er Jahren ein auch noch heute in allem Maße realistisches Zeitdokument, einen intensiven, schwarzhumorigen Thriller, der im ach so prüden Amerika wegen der damaligen Gewaltanschauung damals große Diskussionen hervorrief. Man muss neidlos anerkennen, dass Michael Douglas in jeglicher Hinsicht eine brillante Leistung in der Rolle des tollwütigen, ums Lebenswerk betrogenen )(globalen) Vorstädters, des kleinen Mannes von heute abliefert, dem trotz immer größerem Arbeitseinsatz immer mehr verloren geht: Die Arbeit, das Kapital; die Frau, weil man trotz Mittelstands-Jobs und Dank weniger Aufstiegsmöglichkeiten nicht genug bieten konnte, das Haus, ja selbst die Kinder, die aus dem Haus gehen und ein eigenes Leben führen. Und zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind. Vom ersten Moment an zeichnet Joel Schumacher D-Fens als manischen Choleriker, als eine anrollende Ein-Mann Armee, die hasserfüllt, instabil und seelisch krank geworden eine gesamte Stadt in Panik versetzt. Der Ausgang bleibt erst einmal ungewiss.

Kritik - Falling Down

Was ihn auch direkt als das reine "Böse" disqualifizieren sollte, schließlich versteht man Michael Douglas verkörperten Wutbürger. Man leidet mit ihm, man ist sogar geneigt sich nicht nur neben ihm, sondern komplett hinter ihm zu stellen. Man sollte jemanden wie  "D-Fens" als Opfer der kranken , paranoiden Leistungsgesellschaft ansehen, die auf Grund eines Gewaltausbruchs selber gleich immer vor dem kulturellem und wirtschaftlichem Kollaps steht. Aber das ist noch nicht alles: Zusätzlich zur Figur des "D-Fens" wird Robert Duvall in seiner Rolle als vermeintlich guter Cop und "Gutmensch" Martin Prendergast an seinem letztem Arbeitstag eingeführt... Und es kommt wie es kommen muss, beide Wege der Protagonisten kreuzen sich zwangsläufig... Und je weiter das Publikum auf seiner Reise in "Falling Down" voranschreitet, desto deutlicher wird die Grenze zwischen selbst gefällig definiertem Recht und Unrecht in der Gesellschaft aufgehoben, dies zwingt zum nachdenken, einem moralischem Diskurs über das gesehene. "Falling Down" erweist sich perfekter Abgesang aufs stereotype Klischees und schwarz-weißes, klischeehaftes Denken, auf naive Gutmenschentümelei. Dank Joel Schumachers meisterhafter Inszenierung lassen sich die Protagonisten im nach hinein diesen Aspekten nicht mehr zuordnen, die Grenzen zwischen Gut und Böse verwischen, die Realität erweist sich leider Gottes immer als etwas vollkommen subjektives. Und ist selten gerecht.  Fazit: "Falling Down" erweist sich als meisterhaft inszenierter, klassisch-spannender Psychothriller, als schwarzhumorige, bissige Gesellschaftssatire, die bereits vor 20 Jahren die moderne, global-gesellschaftliche Entwicklung voraus sah als auch perfekt aufs Korn genommen hat. Die sich also gleichermaßen dem Tiefgang wie dem Entertainment verschreibt. Und aus heutiger Sicht zu Recht als kultig erachtet wird, weil sie unter dem abgeschrubbtem Staub des Genres die klassische, antike (griechische) Tragödie hervorgezaubert hat.
Wertung: 10/10 Punkte


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