Kritik - Die Entführung der U-Bahn Pelham 123

Kritik - Die Entführung der U-Bahn Pelham 123

"Ok... now somebody else has to die. Two people, maybe all of us! Did you hear me?"
"I heard you, but you gotta understand that the circumstances they're different now for you. You gotta rethink this, you... you gotta adapt." -

Das Tony Scott als (mittlerweile leider verstorbener) Bruder von Regisseur Ridley Scott künstlerisch und qualitativ schon immer im Schatten des familiären (Regisseurs) Genius stand, ist unter Filmfreunden sicherlich kein allzu großes Geheimnis. Tony Scotts gesamtes Ouevre beinhaltet zumeist kurzweilig-knackig-inszenierte Mainstream-Kost, die sich trotz einer gewissen Verkultung des Publikums , wie z.B. im Falle von "Top Gun", in Wahrheit aber als eher mittelmäßig inszeniert erweist. Ebenso schuf Tony Scott mit seinem Thriller "Spy Game - Der finale Countdown" einst einen hervorragenden Film, der seine Vita heute entsprechend bereichert. Aber wirklich memorable Filme, die es mit den Genre-Klassikern von Ridley Scott wie z.B. "Alien", "Gladiator" oder "Blade Runner" ohne weiteres aufnehmen können, wollten Tony Scott bis zum Ende seiner Karriere als Regisseur nicht gelingen. Und auch im Jahre Jahre 2009 durfte man gespannt sein, wie Tony Scott den Klassiker aus dem Jahre 1974, "Die Entführung der U-Bahn Pelham 123", für das moderne Publikum neu auflegen würde. Würde er wieder eher seiner typischen "Style over Substance" Inszenierungs-Art- und Weise verfallen? Oder würde er zur Abwechslung einmal die technischen Möglichkeiten des modernen Kinos dem Inhalt, den Figuren und der formal richtigen Inszenierungsweise unterordnen?

Kritik - Die Entführung der U-Bahn Pelham 123

I mean don't you have a plan B?" "No, plan B is enforcing plan A... and the minute you stop believing me mother fucker, that's it!" -

Tony Scotts Thriller-Variante der "Entführung der U-Bahn Pelham 123" erscheint hip- und trendy, dem Zeitgeist also angemessen. Diese lässt das Publikum Dank des zu Grunde liegenden MTV-Styles, welcher Dank vieler Schnitte bzw. ständiger, blitzschneller Ortwechseln entsteht, ständig nervös werden. Nebenbei verzichtet Tony Scott auch auf die grimmigen Zwischentöne als auch den Charme des Originals, der sich aus dem Psycho-Kammerspiel und aller Taktiererei der Widersacher ergab, welche sich im Verlaufe der Handlung nicht mehr richtig in das simple Kategorisierungs-Muster "Gut und Böse" einordnen ließen. Das Aufeinandertreffen von Denzel Washington und John Travolta aus dem Jahre 2009 wird lediglich für einige überflüssige Spirenzchen benutzt, damit John Travolta den coolen Blockbuster-Kids von heute zeigen darf, wie toll es als "abgefuckter" Badguy doch ist, seinem Widersacher (der gegen Ende natürlich zum Helden mutieren muss) in bereits zur Genüge durchdeklinierter, lässiger "Pulp F iction" Manier in den Hintern treten zu dürfen. Den Machern hinter der Neuauflage gingen also ganz klar die Ideen für ihren vorliegenden Stoff aus. Der als Vorbild dienende Klassiker aus dem Jahre 1974 hingegen offenbart sich auch aus heutiger Perspektive weniger als inszenatorische Spielerei, welche dem Publikum vorgaukelt, an etwas wirklich tollem teilhaben zu dürfen.

Kritik - Die Entführung der U-Bahn Pelham 123

"No, I gave you instructions and you know the consequences." -

Sondern als ein nachwievor stimmiges Psychogramm von Jäger und Gejagtem. Man darf im Original mit einem smarten Porträt vorlieb nehmen, das mit dem passendem schwarzem Humor / dem nötigem Esprit versehen wurde und die eigenen, verkrusteten sozialen (gesellschaftlichen) Strukturen mitsamt den vielen zwischenmenschlichen Schwächen offenlegte. Als auch die daraus resultierende Stimmung einer interessanten Dekade, den 70er Jahren also, perfekt einfing. "Die Entführung der U-Bahn Pelham 123" entpuppte sich in der Vergangenheit halt nicht als typisch-künstliches Tony-Scott Ventil für ein pubertierendes Publikum, das ledliglich nur dazu dient, einmal so richtig schön Dampf auf Grund eigener, täglicher Frustrationen (aktuell im Heimkino) abzulassen zu können. Ohne einen entsprechenden Mehrwert dafür zu bieten. Tony Scotts Neuauflage eines siebziger Jahre Klassikers entpuppt sich also als eher mäßiges, oberflächliches und stylisches "Over The Top" Action Produkt, in dem es permanent rummst, kracht und scheppert, das sich also ohne Probleme im Einheits-Thriller-Brei des Mainstreams auf Grund der Inszenierungs-Konventionen einsortieren darf. Und in der die einst funktionierende Mischung aus Ordnung und Actionanteilen irgendwann nur noch dem allgemeinen Chaos weichen muss. So dass das Publikum kaum einmal richtig Gelegenheit dazu erhält, tief Luft holen zu dürfen.

Kritik - Die Entführung der U-Bahn Pelham 123

Was irgendwie noch zu verschmerzen bleibt, wären Drehbuchautor Brian Helgeland ("Robin Hood", "American Gangster" "L.A Confidential") seine, neben den nun üblich-einzukategorisierenden Protagonisten, reißbrettartigen entworfenen und klischeehaften, zusättzlich-auftauchenden Figuren, welche sich im Verlaufe allen hektischen und überladenen Schnitt- bzw. Designorgien von Tony Scott beugen müssen, nicht irgendwann vollkommen egal. Diese gehen im inszenierten Action-Chaos nach und nach unter, erfahren also, obwohl sie einmal ins Spiel geworfen wurden, irgendwann keine weitere Bedeutung mehr für die zu Grunde liegende Geschichte. Und selbst Denzel Washington vermag in "Die Entführung der U-Bahn Pelham 123" im Gegensatz zu Walter Matthau als ZU modern-glattgebügelter "Held des Tages" zu keiner Zeit schauspielerisch zu brillieren. Und kann somit an seine memorable Leistung aus Ridley Scotts "American Gangster" zu keiner Zeit anknüpfen. Tony Scotts Variante der "U-Bahn Pelham 123" wirkt am Ende einfach zu holzhammerartig in Szene gesetzt bzw. wie inszenatorisch-austauschbar herutergekurbelt. Und vermag lediglich auf Grund der routinierten, handwerlichen Qualität zu überzeugen . Zwischen der Titel gebenden U-Bahn, aller Action-Plansequenzen (welche auch teilweise sich überschlagende Polizeifahrzeuge beinhalten) und aller passend in Szene gesetzten Kontrollzentren des U-Bahn Personals, das versucht eine Katastrophe zu verhindern, werden halt jede Menge imposante Schauwerte für das Publikum geboten. Es hätte mit "Der Entführung der U-Bahn Pelham 123" also schlimmer können, denn mit "Domino" beispielsweise schuf Tony Scott einst einen weitaus fürchterlicheren Film als mit diesem hier besprochenem Thriller aus dem Jahr 2009.

Fazit: Tony Scotts "Die Entführung der U-Bahn Pelham 123" ist nach einigen Abstrichen (und im Angesicht mittlerweile noch dümmlich-konzipierterer US-amerikanischer Blockbuster) am Ende sogar durchaus anschaubar geraten. Nur stellt sich nach Sichtung von Tony Scotts 2009er Action-Thriller die Frage, was man insgesamt von diesem hat. Die Neuauflage eines 70er Jahre Klassikers offenbart sich am Ende lediglich als ein "einmal essen und den Rest wegwerfen Fast- Food-Artikel", welcher der richtigen Burger-King-Kino-Klientel nicht sauer aufstoßen, aber den Liebhabern von 5-Gänge-Blockbuster-Menüs nicht gefallen wird, weil auf die Stärken des Originals halt unverständlicherweise verzichtet wird.

Bewertungsprofil Stern (5.5)



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