"Wenn ich drei, fünf, zehn oder sogar hundert Männern das Leben retten kann, dafür aber einen töten muss, soll ich das dann tun? Wer entscheidet darüber? Wer hat das Recht, darüber zu entscheiden?" -
Wenn man eíne Tatsache nicht bestreiten kann, ist es die, dass die Wirklichkeit, also das reale Kriegsgeschehen, und das fiktive Geschehen, welches auf der Leinwand tobt, immer zwei voneinander getrennte Welten sind. Denn auf der Leinwand wird nie im realen Sinne "geschossen" und "gestorben", denn im dramaturgisch-künstlerisch-freien Sinne werden viele dargestellte Soldaten sehr oft von Kugeln (auch im Wasser) getroffen, von denen sie eigentlich logischerweise gar nicht getroffen werden können. Ridley Scott ("Alien", "Blade Runner", "Gladiator") versuchte das Publikum beispielsweise mit seinem ambitioniertem Anti-Kriegs-Thriller"Drama" Black Hawk Down in über zwei Stunden Laufzeit in allerbester technischer Brillanz vom real wirkenden, aber dann doch immer wieder vom dramaturgisch notgedrungen-verfremdeten Schießen und Sterben, also von der Grausamkeit des Krieges zu überzeugen, was leider dann aber nur teilweise am Ende funktioniert hat. Denn das seelische Innenleben, welches auf eine tiefschürfende Charakterzeichnung der Protagonisten in "Black Hawk Down" zurückzuführen ist, blieb uns zu einem Großteil vorenthalten. Steven Spielbergs Film "Der Soldat James Ryan" hingegen, der im übrigen in die deutsche Sprache nicht korrekt übersetzt wurde (denn im Original heißt der Titel passenderweise "saving private ryan”, also wörtlich übersetzt: den einfachen Soldaten Ryan retten), hat von vorne herein erstmal nie seine Absicht verbreitet, die Realität des Krieges auf visueller Ebene 100 prozentig korrekt wiederspiegeln zu können. Jedoch ist es Steven Spielbergs typisch freien, geschulten Blick als US-amerikanischer Regisseur zu verdanken, das der harten Kriegsrealität auf einer ganz anderen (und richtigen) Art und Weise kund getan werden kann. Steven Spielbergs "Der Soldat James Ryan" befasst sich im Kern mit einem ganz wichtigem, kritischem Thema. Und muß zwangsläufig mit einem ganz bekannten Szenario beginnen: Am 6. Juni 1944 begann bekannterweise am "D-Day" die Landung in der Normandie, es wurde mobil gemacht gegen den Nationalsozialismus bzw. die gnadenlose Kriegsmaschinerie der Deutschen. Und diese Mobilmachung forderte ihre Opfer: Ungewiss ist die Zahl amerikanischer und sowjetischer Soldaten, die den Hitler-Truppen Einhalt geboten haben sowie die Zahl der KZ-Opfer, die in die Millionen gehen...
Steven Spielberg geht es in "Der Soldat James Ryan" aber eher um die dokumentarische Position und den persönlich erlebten Eindruck, den jeder einzelne am Anfang vom D-Day und späteren, neuen, auf das Publikum einstürzenden Geschehnissen hat. Ganz präzise arbeitet er diese nach und nach heraus. Es geht um den nahenden Tod, den jeder einzelne Soldat vor Augen hat und den man in jeder Sekunde persönlich zum Opfer fallen kann, als ob man quasi wie ein Lotterieteilnehmer im Kriegschaos wirkt. Jeder Soldat erlebt seine ganz eigene, persönliche Geschichte im Krieg. Und Steven Spielberg trifft in nahezu perfekter Manier den richtigen Ton und erschafft die richtigen Bilder, um seine Intentionen dem Publikum näherzubringen zu dürfen. Denn in der "Soldat James Ryan" geht es nur um das eigene nackte Überleben, was auch der Intention Ridley Scotts in "Black Hawk Down" entspricht. Ridley Scotts "Black Hawk Down" erzeugt aber keine überlebensgroßen Figuren, man darf leider nicht mit einer Geschichte vorlieb nehmen, die perfekt erzählt wirkt, er verlässt sich im Gegensatz zum vorangegangen "Meisterwerk" Gladiator ganz auf die Kraft seiner Bilder, welche (fast immer) zum reinen visuellen Selbstzweck verkommen. Seine intendierte Aussage, das Krieg eine furchtbare Sache ist, wirkt schon beinahe hilflos, weil er das Krieggeschehen technisch überstilisiert und nicht den Mensch und seine persönliche Tragödie durch intensivierte Gespräche, sondern durch am Ende durch überwiegend mehr handfeste Auseinandersetzungen in den Mittelpunkt rückt. Steven Spielberg erzählt eine eigene, zwar fiktive Geschichte, im Gegensatz zu Ridley Scott diese aber auch detailliert-perfekt-konsequent zu Ende.
Denn: In welchen Lebensumständen / in welcher Lebenssituation ist ein Leben eines einzigens Soldaten mehr wert als das aller anderen? Dieses Thema, das durch den weiteren Verlauf der Handlung nach dem Beginn des in Szene gesetzten D-Days wie ein heißes Eisen angefasst und konsequent verarbeitet wird, offenbart sich als das zentrale Anliegen von "Der Soldat James Ryan." Steven Spielbergs Antikriegsfilm behandelt nicht das Anliegen bzw. zeichnet keinesfalls den Werdegang nach, das die Vereinigten Staaten als (patriotischer) Vorreiter den Zweiten Weltkrieg gewonnen haben, sondern befasst sich mit der Schilderung der Sinnlosigkeit des Krieges an sich. Gelenkt wird der Krieg nämlich von (politischen und militärischen) Befehlshabern am grünen Tisch, die keine Ahnung haben, was es bedeutet, sein Leben für eine einfache Sache zu opfern... Und ist jeder einzelne Soldat dazu nicht mehr in der Lage, seine Befehle auszuführen, weil er in einer aussichtslosen Situation feststeckt, ist er es selbstverständlich wert, aus dem Krieg befreit zu werden, damit er im nachhinein nicht auch zu den Kriegsopfern gehört, welche durch die eigene Gedankenlosigkeit irgendwann der Vergangenheit angehören, was am Ende weniger mit Patriotismus, sondern nur mit zwischenmenschlicher Gerechtigkeit zu tun hat. Steven Spielberg nimmt mit "Saving Private Ryan" eine klare Haltung ein, verurteilt den Krieg an sich und begrüßt dafür die Befreiung jedes einzelnen aus dem Krieg. Als bezeichnend dafür erweist sich "Die" Szene am Ende des Films, als ein gealterter James Ryan am Grabe der gefallenen Kameraden steht und erkennt, das er es wert war, als Mensch aus dem Krieg befreit zu werden. Aber was ist mit den Kameraden, die auf Grund der Kurzsichtigkeit vieler wie er leider nicht gerettet wurden, wie z.B. Captain Miller (Tom Hanks)? Besitzen diese nicht auch eine Mutter, haben diese nicht auch das Recht heimzukehren, obwohl sie sich für "Private Ryan" am Ende aufopfern mussten? Damit er nach Hause zurück kehren darf? Diesen wird am Ende von "Saving Private Ryan" einfach keine Beachtung mehr geschenkt. Und das ist mit vielen Männern in einigen Kriegen geschehen, beispielweise dem ersten und zweiten Weltkrieg, aber auch noch viel früher geführten Auseinandersetzungen. "Der Soldat James" ist vielleicht wie Steven Spielbergs Thriller "München" am Ende eher als ein Tick naiv-gezeichneter, Dank übertrieben einschlagenden Kugeln im Wasser und eines erfolgreichen Scharfschützen-Schusses aus 400 Metern Entfernung (!) nicht historisch-militärisch, aber eben, das ist nun einmal so wichtig, menschlich-korrekter Leinwand-Eskapismus bzw. als ein intensiv-gewollter Wachrüttler für das Publikum zu verstehen. Der auch Dank exzellenten Schauspielleistungen zu gefallen weiß, einen freien Blick auf ein für uns großes Ganzes ermöglicht und eine entsprechende Lösung am Ende für sein zwischenmenschliches Dillemma anbietet. Welche uns am Ende halt doch wieder so einfach erscheint. Steven Spielberg ist und bleibt als Regisseur halt ein Genie.
Und damit so etwas wie eine in "Der Soldat James Ryan” geschilderte, zwischenmenschliche Tragödie nicht mehr passieren konnte, führte die US-Army in Wirklichkeit die sogenannte "Soul-Survivor" Regel ein, was aber an dieser Stelle von sekundären, zu besprechenden Belang ist. Viel wichtiger aber ist, das wir die Menschen, die heutzutage im Büro sitzen, arbeiten und ein gutes Leben führen, es zwar verdient haben zu leben. Also eine Zukunft und eine Nachkommenschaft abseits von Krieg und Verzweiflung haben dürfen. Wir sollten dabei aber die Menschen nicht vergessen, die für uns dafür zum Opfer wurden, um uns dies überhaupt erst zu ermöglichen. Und sollten ihnen daher den unpatriotischen, aber zwischenmenschlich-angemessenen Respekt bzw. die im richtigen Maße notwendige Ehrerbietung erweisen. Und unser eigenes Leben im positiven Sinne so leben, das wir ihnen im nachhinein noch gerecht werden können. Um nicht mit einer persönlichen empfundenen Schuld bis zum Ende leben müssen. Man sollte die Gefallenen des zweiten Weltkrieges nicht einfach als todbringende Hitzköpfe stilisieren, die einfach nur für einen Kameraden wie "Helden" umsonst sterben, sondern muss diese als diejenigen betrachten, die für die Rettung eines einzelnen auf das Konto der Lenker und Denker am grünen Tisch gehen. "Saving Private Ryan" erweist sich als das Mahnmal bzw. Leichentuch für die Gefallenen und die rote Karte, die den mächtigen Politikern bzw. Lenkern des zweiten Weltkrieges für ihr Handeln, welches die entsprechenden Konsequenzen ausblendet, freiwillig und unfreiwillig rekruiertre in den Krieg zu schicken, gezeigt wird. Eine Antwort also auf die Frage, in wie fern ein Leben eines Soldaten unter bestimmten Umständen mehr wert ist als das eines anderen, wäre: es offenbart sich nicht als mehr wert als jedes andere, also als genausoviel. Auf solch Argumentation erblassen nämlich die mächtigen Politiker, weil sie sich mit ihrer eigenen Schuld konfrontiert sehen, sich aufopfernde, kämpfende Menschen übersehen zu haben, welche genau wie James Ryan selber eine Familie und immer noch eine Chance besaßen, eines Tages wieder ihre FREIHEIT erlangen zu dürfen. Genauso wie der tragische deutsche Soldat, der in Steven Spielbergs Szenario öfters, auch gegen Ende, eine Rolle spielen, auf dem Schlachtfeld sterben und vom Naziregime in Deutschland später übersehen werden wird. Obwohl er vorher bereits psychisch an sich zerbrochen ist, mit einer Klinge einen von Captain Millers Soldaten brutal ermordet hat, um einfach nur überleben und nach Hause gehen zu können.
Steven Spielberg geht es in "Der Soldat James Ryan" einzig und allein um das Thema der "Heimkehr", also darum einen Kameraden aus dem Krieg zu befreien. Entweder erschießt man jemanden und überlebt, weil es jemand anderes befohlen hat. Oder andere gehen dafür nach Hause zu ihren Familien und leben, weil für sie selbst die Kastanien aus dem sprichwörtlichen Feuer geholt wurden. Und haben am Ende sogar noch Gewissensbisse. So ist nun einmal der Krieg, der ein ewiges überleben und ableben, in dem einfach nur das Glück eine entscheidende Rolle spielt, ist. Was im Grunde genommen einfach nicht sein darf. Man wird also Zeuge des totalen, blanken Irrsinns. Das wird auch schon in der Hölle der Normandie deutlich, in der viele Soldaten am Strand ihr leben lassen... Und DAS offenbart sich als weder als gedanklich herbei konstruiert noch der Phantasie bzw. irgend einem konstruierten Plots eines Drehbuchs entsprungen, sondern entpuppt sich als die bittere und ungeschönte Realität, die der Krieg nun einmal zu bieten hat. Das ist die Intention hinter "Der Soldat James Ryan", die uns Steven Spielberg näherbringen möchte. Ihm ging es nie um etwas anderes. Der Soldat James Ryan wird in seiner thematischen Schlichtheit, Wichtigkeit bzw. erzählerischen Einfachheit meistens einfach bewußt / /unbewußt (?) mißverstanden.
Fazit: Steven Spielberg formte 1999 einen Anti-Kriegsfilm, der nocheinmal einen entsprechenden Impuls im Genre liefern sollte. Und dessen Thema erst in Clint-Eastwoods Drama "Letters from Iwo Jima" sehr ähnlich menschlich korrekt und erfolgreich verarbeitet wurde.
Wertung: 10/10 Punkte