Kritik - Der Butler

Erstellt am 15. Juni 2014 von Tobias Lischka @tobe781

"Darkness cannot drive out darkness. Only light can do that." - 

Die (afro)amerikanische Bürgerrechtsbewegung ist für ambitionierte Hollywood-Filmemacher immer ein interessantes Thema, also DER Kino-Stoff aus dem sich Träume ableiten lassen, gewesen. Das die Inszenierungen solcher Kino-Träume nicht immer zu Gunsten des internationalen Publikums gelingen können, zeigte auch Meisterregisseur Steven Spielberg ("E.T, "Der weiße Hai", "Jurassic Park") im Jahr 2012. Als er diesem seine gräulich-trockene Geschichtsstunde "Lincoln" servierte,  welche mit dem erhobenem, moralischen Zeigefinger beziehungsweise in bester Acht-Klässler-Fernseh-Manier darüber aufklärte, was es mit dem berühmten amerikanischen Präsidenten nun wirklich auf sich hatte. Ohne das man über die charakterlichen Facetten des "Menschen" Lincoln und anderer, spannend wirkend, einflussreicher Menschen einer an sich interessanten, vergangenen Dekade wirklich etwas interessantes erfuhr. Dadurch machte sich schnell entsprechende Langeweile beim Publikum breit.  Und auch Regisseur Lee Daniels bekleckert sich in dieser Hinsicht mit seinem auf dem Papier ambitioniert klingenden, 2013er Drama "The Butler" nicht gerade mit Ruhm, wenn es darum geht, das dem Publikum die wichtigen Protagonisten wie zum Beispiel Cecil Gaines (Forrest Whitaker) als berühmtester US-amerikanischer Butler, lebendig erscheinen sollen.  "The Butler" ist Dank Lee Daniels Regie am Ende leider nur zu einem weiteren, Malen nach Zahlen Hollywood-Bio-Pic Baukasten geworden, dem die Bravheit, die weitesgehende Spannungsarmut, der Wille zur erzählerisch-handwerklichen Kunstbeflissenheit und die daraus resultierende, inszenatorische Angestrengtheit, die sich auf das Publikum überträgt, während einer stolzen Laufzeit von 132 Minuten aus allen Poren tropft. "The Butler" leidet halt am spießig-gräulichen Konservatismus und der damit verbundenen Geschwätzigkeit bis Verkopftheit. Als auch am fehlendem Humor in Form von selbstironischen, augenzwinkernden Momenten als ausgleichender Erleichterung zur inszenatorischen Ernsthaftigkeit.  Seit "The Butler" wissen wir also nun, dass Cecil Gaines als afroamerikanischer Vorzeigebürger die schlimmsten Demütigungen ertrug, da er bereits in jungen Jahren einen schlimmen, persönlichen Verlust erleiden und danach lernen musste, in politischen und gesellschaftlichen Themen beziehungsweise Verhaltens niemals den Mund aufmachen zu dürfen. 

"I'm Cecil Gaines. I'm the new butler." - 

Dazu gehören selbstverständlich auch der Verzicht auf gesellschaftlich-höhere Entlohnungen und entsprechende Aufstiegsmöglichkeiten. Dennoch darf Forrest Whitaker bis zu seinem bitter-biederen, mit verkniffenem Gesichtsausdruck gespielten Ableben stets Rückgrat beweisen, denn irgendwann ändern sich ja so oder so die Zeiten in allen US-amerikanischen Bundesstaaten. Das Rückgrat macht sich also bezahlt, wenn man verkrüppelt-verknöchert dann doch anerkannt irgendwann ins Oval-Office marschiert. Doch leider dümpelt Lee Daniels auf Hochglanz poliertes Drama "The Butler" bis dahin mit dem im Genre üblichen versehenen 08/15 Füllstoff diverser Familienkrisen und dazugehörigen, bekannten Bewältigungsstrategien US-amerikanischer als auch deutscher Daily-Soaps vor sich hin. Und kratzt mit seinem eingeworfenem, moralischen Diskurs über die zu durchleidenden Ungerechtigkeiten der schwarzen Bevölkerung leider nur an der sprichwörtlichen Oberfläche. Da werden ein paar brave, unbescholtene Bürger nachts vom Ku-Klux-Klan auf einer Brücke ermordet, da schließt sich der Sohn Cecil Gaines der Black-Panther-Bewegung an, die später nicht thematisch weiterverfolgt wird. Warum eigentlich, ist die Black-Panther Bewegung nur ein ein milde zu belächelndes, historisches Relikt vergangener Spinnereien, denen man abseits weniger dramatischer Familien-Zwist-Dialoge keine Beachtung mehr schenken muß? Darüber hinaus darf US-Talkmasterin Oprah Winfrey in ihrer Rolle als Ehefrau Cecil Gaines zwischendurch auch mal fremdgehen, weil sich bereits bis dahin, genau wie beim Publikum, die entsprechende Langeweile breitgemacht hat. Denn die Familie Cecil Gains wird halt mit eiserner Hand regiert, der Job als Butler genießt weiterhin oberste Priorität, man wird sexuell vernachlässigt. Und die eigenen Kinder haben die Familie bereits verlassen. Entweder wegen verpönter, innen- und außenpolitischer Ansichten oder einem eigenem, zu führenden Leben.  Über Cecile Gain hingegen erfährt man abseits seines beruflichen Erlebnisse wenig, Forrest Whitakers, verkörperte, berühmte Figur bleibt dem Publikum erstaunlich fremd. Selbst dessen Verhältnis zu dessen Arbeitskollegen, unter anderem verkörpert Lenny Krevitz als James Holloway, erweist sich als erstaunlich frostig in Szene gesetzt. Könnte Cecil Gain seine tragischen Erlebnisse niemals vollständig verarbeiten? Eine Antwort darauf liefern Drehbuchautoren und Regie zu keiner Zeit. 

"The only thing I ever knew was cotton. It was hard work." - 

Und zwischendurch wird halt Martin Luther King mit seiner berühmten Rede in schwarz-weißen Montagen eingestreut, so das auch ein jeder im Publikum weiß, wie Recht der Sohnemann mit seiner Protestbewegung am Ende doch hat. Und wie dumm der hart arbeitende Schwarze ist, der die eigene Frau allein lässt. Und selbst ein Schwarzer wird am Ende irgendwann US-amerikanischer Präsident, bevor sich Lee Daniels braves, inszenatorisch-altbacken-konservatives, leicht-mickriges Destillat in das zu erwartende Wohlgefallen für das Publikum auflösen darf, nach dem man geistig erhellt wurde. Wenn dem Sohn Cecil Gaines der eigene Respekt gezollt wird. Yes, we can! Dazu wird in rührselig-manipulativer Manier natürlich für ALLE Schwarzen die eine oder andere Träne vergossen. Es ist doch schlimm, was die Afro-Amerikanische Bevölkerung bis dahin durchgemacht hat, nicht wahr? Ist es aktuell nicht gut, das die schwarze Bevölkerung im Leben und im Tode nun akzeptiert ist und ein schwarzer Präsident regiert? Und der Schwarze Mann beziehungsweise die Schwarze Frau unter dieser Regentschaft nun endlich perfekt angepasst leben darf? Hat jemand am Ende etwas anderes erwartet, obwohl Lee Daniels Drama auf einer bestimmten Metaebene in Sachen thematischen Verständnis auf oberflächliche Art- und Weise gewollt korrekt erscheint? "The Butler" verströmt bis zu seinem vorhersehbaren Ende eher den Sexappeal eines akademisch-greisen, kollektiv-selbstgerechten Schulterklopfens in Form eines für das Kino zusammengefügten TV-Mehrteilers, der die gängigen Mittelstands-Weisheiten des tagespolitischen, internationalen Journalismus von der US-amerikanischen Washington Post bis zur deutschen Bildzeitung hin abklopft, voranstellt, wiederkäut, phrasiert und danach zur mehrstündigen Möchtegern-Intellektuellen-Debatte auf dem öffentlichen Programm über unsere Befindlichkeiten der Vergangenheit bis zur Gegenwart hin einlädt. 

"We will respond with that timeless creed that sums up the spirit of a people." -  Dem gebildeten Publikum werden am Ende dabei am Ende aber keine neuen, echten visionären Weisheiten vermittelt. Diesem wird lediglich auf "künstliche" Art- und Weise suggeriert, an etwas ganz großen und wichtigen teilhaben zu dürfen. "Black victimization" lautet also das Motto. Dazu muß selbstverständlich viel Darsteller-Charisma aufgefahren werden, etwa in Form von hochkarätiger Showprominenz wie Robin Williams, John Cusack, Alan Rickman und James Marsden, die mit ihren (Alters)Masken mal mehr mal weniger eine bestimmte, also eine nicht immer gelungene Affinität zu Präsidenten wie Dwight D. Eisenhower, Richard Nixon und Ronald Reagan evozieren können. Und ab und an Dank Gestik und Mimik beinahe wie eine Karikatur dieser ehemaligen Regierungsgrößen wirken und dem berühmtesten, US-amerikanischen Butler auch selbstverständlich hin- und wieder vor den Kopf stoßen dürfen, so dass das Publikum sich psychologisch manipuliert-angewidert fühlen darf. Man muss halt zur Selbsterkenntnis gelangen, im Hinblick auf die Akzeptanz der schwarzen Gesellschaft Fehler gemacht zu haben. Daher muss man sich beim Alkohol ausschenken am Glastisch von Präsident Nixon irgendwie miteinander aussöhnen, denn in der weißen Gesellschaftsschicht steckt doch auch so viel gutes zwischenmenschliches, so viel ungenutztes Potential. Daher muss man doch zu einem erzählerisch-erzreaktionären Schluss kommen, der einem persönlich übel aufstößt.  So kitschig, so rührselig, so verlogen-manipulativ und einschläfernd. Schön, das die weiße Gesellschaftsschicht sich endlich auch Dank des kollektiven Bewusstseins geändert hat, also für alle schwarzen Männer und Frauen wirklich etwas übrig hat. Was auf politischer Ebene aber wirklich dazu beitrug, die schwarze Gesellschaftsschicht endlich zu akzeptieren, wird in "The Butler" bis auf wenige, interessante, im Review noch später erwähnte "Black Power" Momente halt immer wieder unter den Tisch gekehrt. Die schwarze Gesellschaftsschicht hat es sich nämlich selbst zu verdanken, das sie soweit wie heute gekommen ist. Und nicht Dank des im Herzen dann noch doch guten, weißen Mannes, der in "The Butler" zu einem Abschluss seiner Reise wie Schauspieler John Cusack, hier als Präsident Nixon, kommen darf.  Schlimm. "Schwarz" hat sich mittlerweile halt von ALLEN Gesellschafts-Schichten emanzipiert. Der oder die Schwarze sollte halt nicht nur als treuer, guter Schluff, also als gute(r) Freund(in) angesehen werden, dem man am Ende Unrecht angetan hat. Schwarz zu sein bedeutet heutzutage einfach viel mehr, nämlich das man von anderen nichts braucht, vor allem Dank der eigenen Stärke keine Tränen des Kollektivs im Kino. Barrack Obama ist nicht nur ein gutmütiger DIENER auf dem Präsidentenstuhl genau wie Cecil Gaines im Oval Office, von dem man sich irgendwann wieder lossagen muß, egal ob im Leben oder im Tode. Sondern man ist als "Schwarzer"  Stellvertreter der modernen Emanzipation. 


"Vietnam took my boy, and I didn't understand why we were there in the first place." - 
Von der in Gestalt Cecil Gaines am Ende abseits seiner Leiden, der Dienerschaft und damit verbundenen Buckeligkeit, die man beweinen soll, halt nur sehr wenig zu spüren ist. Dazu grassiert der Rassimus in den US-amerikanischen Bundesstaaten auch noch, ist also nicht vollständig besiegt worden. Und das im Hinblick auf die Errungenschaften Schwarzer auch Intrigen gegen die schwarze Politik durch die demographischen Einflüsse Weißer geschürt wurden, findet in "The Butler" nur dann als Ausnahme mal eine Erwähnung, wenn Cecil Gaines von Ronald und vor allem Nancy Reagan (Jane Fonda) ins weiße Haus zum Bankett geladen wird. Diese Einladung erweist sich als politisch genauestens durchdachter Schachzug. Dieser so wichtige, thematische Moment bleibt in Lee Daniels Drama "The Butler" im großen Rahmen der Inszenierung aber die Ausnahme. Denn Lee Daniels traut sich abseits diverser Klischees, wenn sich Cecil Gaines als Schwarzer mal über die sozialen Ungerechtigkeiten beklagen darf, halt nicht immer wieder dorthin zu gehen, wo es halt wirklich mal unangenehm wird. Hollywood biegt sich zu Gunsten einer funktionierenden, aber öden Dramaturgie einen am Ende eigenen, inszenatorisch-gräulichen gutgemeinten Versöhnungs-Kitsch-Subtext beziehungsweise eine fiktiv-bequeme Wahrheit  über Schwarze und Weiße Menschen, also einen zu glatt gelutschten Drops auf dem Silber-Wohlfühl- Tablett, zurecht. Und nimmt dabei bis auf wenige national nachgestellte Momente, wie halt in Form einiger weniger Strassen-Grabenkämpfe, den Protest Schwarzer gegen den Vietnamkrieg und die Unterzeichnung der Bürgerrechte, keine Rücksicht auf den wahrheitsgetreuen, historischen, US-amerikanischen Kontext, der sich halt ohne Probleme belegen lässt.  Als trocken-eintönige wirkende "From Rags to Riches" Geschichtsstunde aller US-amerikanischen Schwarzen bleibt "The Butler" am Ende also unvollständig bis überschaubar. Das ist gelinde gesagt zu wenig. Un die wenigen schwarzen, historisch-emanzipatorischen, eingestreuten Black-Power Momente irritieren auch Dank des nebenbei vorgetragen-verlogenen, später zu versöhnenden, angesprochenen Verhältnisses von Nixon (John Cusack) und Cecil Gaines (Forrest Whitaker) als Stellvertretung für weiße und schwarze Gesellschaftsschichten.   

"Does anyone want  something, tea, salt, biscuit?" - 

Dazu serviert Lee Daniels dem Publikum viele nicht immer perfekt linear miteinander verschmolzene, dramaturgisch sich dahinziehende Kapitel, eine also sehr sprunghaft erzählt wirkende Geschichte.  Was "The Butler" zu einer wie bereits angesprochenen, leicht anstrengenden Erfahrung werden lässt. Denn es sind viel Aufmerksamkeit und Konzentration erforderlich, um Lee Daniels Drama im Laufe von 132 Minuten Laufzeit im nach hinein zu einem sinnstiftenden Ganzen im eigenem Geiste zusammenfügen zu können, obwohl die historischen Rückblenden schnell an einer Hand abgezählt werden können.  Fazit: Am Ende bleibt also ein mäßiges, moralisch und erzählerisches fragwürdig-unausgereiftes Drama zurück. Das gelinde gesagt trotz einiger weniger solider Momente und guten Handwerks einfach nur enttäuschend einfallslos, mit einem zu märchenhaften Touch daherkommt.  
Wertung: 5/10 Punkte