Kritik - Das Ding aus einer anderen Welt

Kritik - Das Ding aus einer anderen Welt

"I know I'm human. And if you were all these things, then you'd just attack me right now, so some of you are still human. This thing doesn't want to show itself, it wants to hide inside an imitation. It'll fight if it has to, but it's vulnerable out in the open. If it takes us over, then it has no more enemies, nobody left to kill it. And then it has won." –

John Carpenter gilt als Regisseur neben Wes Craven z.B. bis heute als einer der hartnäckigsten Verfechter und oft unterschätzten Meister des klassischen bzw. zeitgenössischen Horrorfilms. Er prägte die letzten 30-40 Jahre Filmgeschichte also entscheidend mit.  Es bleibt daher eigentlich  nur die Frage offen: welcher Beitrag von John Carpenter zum Horror-Thriller Genre gilt bis heute als der wohl schockierenste (effektivste) aber auch überzeugenste? Die Entscheidung müsste bei genauer Betrachtung eigentlich zwischen seiner 80er Jahre Horror-Remake des Nyby/Hawks-Klassikers aus dem Jahre1951, "The Thing From Another World" und den 70er Jahre Klassikern aus eigenem Hause,"The Assault - Anschlag bei Nacht" und "Halloween" getroffen werden. John Carpenter inszenierte im Falle von "Halloween" den einst relativ unblutigen Horror, welcher sich Dank perfekt getimter Schockattacken  gnadenlos in der Phantasie / im Kopf des Betrachters festbrannte (Ridley Scotts Science-Fiction Horrorklassiker "Alien lässt grüßen) und sich damit auf die richtige Art und Weise entfaltete. Somit wurde einst das "Slasher-Sub-Genre" begründet. Aber "The Thing" stellt gegenüber "Halloween" in Sachen Ekel und Suspense nochmal ein ganz anderes Kaliber da, da die weitestgehend unberechenbaren, blutigen Splatter-Attacken, welche Special-Effects Urgestein Rob Bottin entscheidend mitgeprägt hat, auch bis heute noch einen standfesten Magen vom Publikum erfordern.

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Um John Carpenters ungeschnittene Hochspannungsversion des "Dings aus einer anderen Welt" durchzustehen, sollte man von vorneherein keine persönlichen  Abneigungen gegen Blut, tierische und menschliche Innereien in Form von Organen aber auch Mutationen und perverser Tötungsformen verschiedenster Art besitzen. Ansonsten dürfen gerne ein Eimer oder eine Brechtüte bereitgehalten werden. "The Thing" landete zu gewissen Zeiten Dank seines ausufernden, komplexen Body-Snatchers ähnlichen Horrors bereits auf dem Index…  Ebenso folgt John Carpenters "The Thing" dem klassischem Rhythmus des Horrorfilms, welcher in den 60er, 70er und auch 80er Jahren Dank Regisseuren  wie Alfred Hitchcock, Romand Polanski, Ridley Scott, David Cronenberg und Stanley Kubrick so manchen Klassiker im Genre hervorbrachte ( "Psycho", "Rosemaries Baby", "Alien", "The Shining" und "Die Fliege..."). "The Thing" kommt ebenso Dank des minimalistischen Scores von  Komponistenlegende Ennio Morricone einem stets bedrohlich wirkendem Pulsschlag nahe, welcher sich in den entscheidenden Momenten perfekt entlädt.

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Und offenbart sich als eine liebevolle Verbeugung vor dem Ursprungsstoff von John W. Campbell Jr., "Who goes there?". Aber auch als eine Respektsbekundung gegenüber der 1951er Verfilmung  von Christian Nyby und Howard Hawks, welche John Carpenter dieses mal aus einer leicht verändert-subjektiven, aber frischen Perspektive interpretiert: die Evolution des Lebens, welche mit der Entwicklung des Einzellers beginnt und im Angesicht der höheren Intelligenz des Organismus unaufhörlich fortschreitet, ist eine unkontrollierbare bzw. unberechenbare Macht: Wer sich im Kampf der Natur als der am Ende stärkere, überlegene erweist, dominiert eine andere Spezies. Oder schlimmer. John Carpenter wird per Inszenierung und auch Dank seiner Audio-Kommentare zum Film niemals müde zu betonen, das der Kampf gegen die hereinbrechende Apokalypse, also "Das Ding", am Ende SEINES Film wohl leider nicht gewonnen werden kann, die Paranoia beim Publikum wird also bewußt aufrecht erhalten, weil die menschliche Hybris / die Arroganz jedes einzelnen Menschen im Angesicht der Schöpfung einfach unübertroffen ist. Die Menschen (auch die Forscher in der Antarktis) vertrauen einander im Verlaufe immer weniger und schätzen ihren aus dem All stammenden  Gegner am Ende völlig falsch ein, welcher nur aus dem "wahren, bösem Absichten" heraus und nicht wie in der 1951er Schwarz-Weiß Fassung einfach "nur"  auf Grund der geltenden Naturgesetze des Kosmos oder reinen Machtansprüchen heraus handelt. Daher verzichtet John Carpenter bewußt  auf eine ursprünglich-tiefschürfende, wissenschaftliche Perspektive und einer daraus resultierenden Auseinandersetzung der Beteiligten, wie man mit dem AUSSERIRDISCHEM Eindrinling am besten verfahren sollte. Im In In Nyby/Hawks 51er, schwarz-weißem Original wurden also ganz gezielt die US-amerkanischen / westlichen Urängste vor einer kommunistischen Macht-Übernahme in Form einer fremden Lebensform, also des "Ding aus einer anderen Welt" geschürt.

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In John Carpenters Hochspannungsversion wird aber mehr denn je um die nackte, menschliche Existenz gekämpft.  Wie soll das jetzt WAHRE, unbezwingbare "Böse", das Ding also, welches in Form einer schleichenden Krankheit auftritt, also vor seinem Ausbruchn vergleichbar mit dem AIDS-Virus ist, überhaupt überwunden werden, wenn es bereits selbst von jedem einzelnem, der einem gegenübersteht, Besitz ergriffen haben könnte? Und die ganze Welt ins Visier nehmen würde, sollte es die Antarktis hinter sich lassen? John Carpenter fügt dem bekanntem '51er Nyby-Hawks-Horror also eine weitere Dimension des Schreckens hinzu, die es wahrlich in sich hat.  Wer sich näher mit den zeitgenössischen Horrorfilmklassikern von John Carpenter wie beispielsweise "Halloween - Die Nacht des Grauen" oder "Sie leben!" beschäftigt, wird entgegen so mancher, landläufiger Meinung am Ende dann doch überrascht feststellen, das hinter diesen simplen Horrorfilmen mehr steckt, als man zunächst vermut vermag: denn John Carpenter erwies sich immer als heimlicher, gesellschaftskritischer Regisseur, der die fragwürdigen Ideologien der Menschen gnadenlos sezierte und offenlegte. Michael Myers aus "Halloween" beispielsweise offenbart sich nicht nur als ein simpler, geistesgestörter Killer, sondern wird von John Carpenter zu einem heimlichen (vom Publikum unerkannten) Scharfrichter einer ganzen Nation umfunktioniert, der sich aller US-amerikanischen Kleinstadt-Bürger, welche selber noch den sprichwörtlichen "Dreck am Stecken hatten", entledigen darf. Damit der Rest der Gesellschaft beruhigt weiterschlafen darf. So ähnlich verhält es sich auch mit dem heimtückischen, außerirdischem Organismus, der in "The Thing" eine ganze Gruppe von Forschern in der Antarktis im Auftrag des Teufels meucheln darf: wir Menschen halten erst zusammen, wenn es einen äußeren Feind zu bekämpfen gilt. Wäre der Feind aber besiegt, würde alles wieder seinen normalen, verlogenen Gang gehen. John Carpenter führt uns in seiner Version des Horrorklassikers eine Gruppe von Antarktis-Forschern als Abbild unser globalen Gesellschaft vor, deren Konfliktpotential trotz des vordergründigen  Auskommens / des oberflächlichen Friedens nach zwei miteinander durchlebten Weltkriegen und dem zu durchleidendem, kalten Krieg in Wirklichkeit immer noch kaum größer sein könnte. Und dieser Konflikt wird duch das auftauchende "Ding" wieder an seine Oberfläche gezerrt, bis alle Beteiligten sich diesem bewußt werden und dann trotz allem anfänglichem Optimismus einander dann doch nicht vertrauen.  Besonders deutlich wird dies in den Momenten, in denen sich Helikopter-Pilot McReady (Kurt Russel) und Dr. Blair (Wilford Brimley) Auge und Auge unbeobachtet von den anderen Crew-Mitgliedern gegenüberstehen. Und Dr. Blair versucht, McReady davon abzubringen, der restlichen Crew zu vertrauen / mit dieser eine Alliianz zwecks Bekämpfung des "Ding" zu schließen. Aber entspricht das nicht den Zielen der außerirdischen Bedrohung?

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"Und jetzt?" "Warten wir mal ab, was passiert." -

Akribisch illustriert John Carpenter also die interne und externe Zerfleischung der Menschen, welche duch das "Böse" vorangetrieben wird, das den Forschern in der Antarktis innewohnt. Und diese "Zerfleischung" nimmt erst ein Ende, wenn wir eines Tages dazu in der Lage sind, uns endlich selbst zu überwinden, also in einer Ära nach dem kaltem Krieg mitieinander eins werden können. Aber wird das jemals wirklich geschehen? Dieser Frage begegnen Regie und Script mit der Antwort in Form des nötigem Zweckpessimismus, welcher dem 80er Jahre Kino-Publikum, welches sich in der US-amerikanischen Ära Ronald Reagans nach einer versprochenen, positiven Zukunft sehnte, nicht gefiel: man kämpft einen existenziellen Kampf, den man nicht gewinnen kann. Selbst ein nervenzerfetzender Bluttest, der unsere existenzielle Frage klärt wer wir noch sind und in welche Richtung wir uns (gesellschaftlich) mit all unseren westlich-medizinischen Standards, Krankheiten / Geißeln bewegen werden, hilft uns am Ende gegen die außerirdische Bedrohung, welche nun zu unserer Urangst jenseits allen Kommunistentums geschürt wird, das wir uns eines Tages entgültig-gegenseitig auslöschen könnten, nur temporär; ein WAHRES, auswegloses Science-Fiction-Horror/Zukunfts-Szenario, vor dem mit John Carpenters "The Thing" ähnlich wie in Ridley Scotts 82er Science-Fiction Meisterwerk "Blade Runner", das an den Zerfall unserer Welt und des Menschen gemahnte, eindrücklich gewarnt wird. John Carpenter nähert sich sich er Vorlage von John W. Campbell Jr. also deutlicher als die '51er Schwarz-Weiß Verfilmung von Nyby/Hawks an.   Alle Forscher der antarktischen Forschungsstation, welche nach und nach den Tod durch "Das Ding" finden, werden mittels John Carpenters nihilistischen Blickes zu Spiegelbildern einer männerdominierten, dysfunktionalen / in Wahrheit immer noch in sich zerrissenen Gesellschaft umfunktioniert und können (und sollen folglich) bewußt wenig Empathie beim Publikum evozieren. Dadurch fällt es John Carpenter leichter, alle menschlichen Opfer des Dings auf dem eigenem, inszenatorischem Schachbrett in der jeder Zeit erforderlichen Art- und Weise hin- und her zu schieben. "Das Ding" hat es am Ende nach Kurt Russels letztem Auftritt also leicht, zum Scharf-Richter über Wohl und Wehe zu werden. Und friert am Ende von John Carpenters Horror-Schocker ein (?), um sein Werk an den Menschen zunächst zu vollenden und dann mittels seines Flugmechanismus  die Erde verlassen zu können. Um dann der nächsten Zivilisation im All den unerwarteten Besuch abzustatten.

Fazit: Mit "The Thing" inszenierte John Carpenter ein faszinierendes Horrorschachspiel- und Meisterwerk in klirrender Kälte, welches mit seiner Atmosphäre und Stimmung der geschaffenen, ausweglosen Situation und Szenerien kein zweites mal in entsprechender Konsequenz aufgegriffen werden kan.. Meisterwerk...

Wertung: 10/10 Punkte


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