Kritik - Captain Phillips
Erstellt am 11. März 2014 von Tobias Lischka
@tobe781
“You´re safe now...” -
Regissseur Paul Greengrass gilt seit seinen dokumentarischen (Action)Thrillern “Bloody Sunday”, “Flug 93" und dem Höhepunkt der “Jason Bourne” Reihe, “Das Bourne Ultimatum”, als einer der besten US-Regisseure der Gegenwart. Ihm gelang es also bis jetzt wie kaum jemand anderen, Themen wie den 11. September 2001 und einen damit verbundenen Flugzeugabsturz, das erneute Aufflammen des Nordirland-Konfliktes und sogar zu hinterfragende, illegale Machenschaften des US-Staatsapparates zur Terrorbekämpfung mit einer Form des Suspense zu verknüpfen, die im US-amerikanischen Mainstream mittlerweile selten geworden ist. Paul Greengrass zum Großteil meisterhaft inszenierte Thriller offenbaren sich immer wieder als eine besondere Form des Körper- bzw. Erlebniskinos, welches mit unerwarteten politisch-gesellschaftskritischen Tönen durchsetzt wird. Und auch mit “Captain Phillips” enttäuscht der mittlerweile 58jährige Filmemacher das Publikum nicht. “Captain Phillips”gehört als dokumentarisch-durchperfektionierter, sprich mustergültig inszenierter Actionthriller nicht nur den Filmhighlights des Jahres 2013, sondern zeigt auch den Produktionen diverser US-amerikanischer Regiekollegen, z.B. von Kenneth Branagh, also 2014er Vorvorgestern Thrillern wie “Jack Ryan - Shadow Recruit”, die entsprechenden narrativen und handwerklichen Grenzen auf.
Wie fühlt es sich also an, der Psychologie der Angst als gnadenlos eingesetztem (Druck)Mittel der Gegnerschaft bzw. dem Überlebenskampf auf hoher See ( und diesmal nicht im All, siehe “Gravity”) bzw. der ausgeliefert zu sein? Hollywoods mittlerweile immer häufiger genutzte Strategie, ernsthafte Themen mit der Form der visuellen Publikums-Überwältigung zu einer einzigartigen, kinomatographischen Dichte zu verknüpfen, macht sich nach Alfonso Cuaróns und Steve McQueens Oscar-Abräumern (zuletzt “12 Years A Slave) auch im Falle von Captain Phillips erneut bezahlt. Erfrischenderweise darf dabei auch auf das mittlerweile übliche John McClane Hollywood-Haudrauf-Helden- und comic-relief artige Gegenspielertum in zwischenmenschlichen Extremsituationen verzichtet werden. Captain Phillips (brillant verkörpert von Tom Hanks) wird von Regisseur Paul Greengrass eher als ergrauter und ermüdeter Antiheld, sprich als Person in den Fokus gerückt, die immer nur das richtige tun möchte. Es wird also zunächst der Versuch unternommen, das diverse Konflikte mit den in “Captain Phillips” auftauchenden Gegenspielern (z.B. Barkhad Abdi) als Getriebene des eigenen (zwischenmenschlich-wirtschaftlichen) Schicksals, die innerhalb von 134 Laufzeit immer labiler werden, also bald keine klaren Gedanken mehr fassen können (“Wo sind die Ältesten?”) zunächst friedlich, sogar aufopferungsvoll gelöst werden sollen.
Was natürlich erst Recht zu einer ungeahnten Wendung und zu einer teils tödlichen Katastrophe auf hoher See führen MUSS. Denn die Motive der Gegenspieler in “Captain Phillips” (unter anderem wirtschaftliche Repressalien, ausgelöst durch die US-amerikanische Wirtschaft und damit verbundene Politik) beinhalten eine gewisse politische Dimension / Brisanz, welche das Publikum wie ein Faustschlag in die Magengrube trifft. In Kontrast dazu werden einfache Menschen wie Captain Phillips gesetzt, welche als Überlebende im nachhinein auch nur zu den Opfern diverser, nicht zu kontrollierender Ränke bzw. Machtspiele eines komplexen Gebildes werden. Und der bald auftauchende US-amerikanische Staatsapperat verrichtet unpatriotisch, emotional distanziert bzw. minutiös geplant seinen aufgetragenen Dienst nach Vorschrift. Man greift ein weil man es halt tun muss. Und das finale Mitgefühl für Captain Phillips bleibt also auf der Strecke, weil die Menschen es sich im Dienst nun mal einfach nicht erlauben dürfen. Das Publikum hingegen bleibt Dank Tom Hanks genialem Moment, Captain Phillips als zerbrochene Seele zu porträtieren, geschockt zurück. Things as the way they are... "Captain Phillips" bäumt sich dann in diesem Moment zum Kino wahrer Größe auf. Paul Greengrass versteht es bei allem gebührendem Respekt für die in den auf hoher See tobenden, tödlichen somalischen Konflikt involvierten nebenbei gekonnt, die Inszenierungsfalle zu umschiffen, “Captain Phillips” zur trockensten, mit erhobenem Zeigefinger versehenen, langwierigen, historisch-akkuraten, über 180 minütigen Aufarbeitung über den globalen Krisen-Zustand der Post 9/11 Ära auf hoher See verkommen zu lassen. Während sich die Standorte ständig abgewechselt hätten. Dennoch räumt er dem Publikum Dank diverser gesellschaftskritischer Spitzen in Form von bissigen Dialogen, welche auf das Konto von Autor Billy Ray gehen, dem am Ende notwendigen Platz ein, nach allen emotionalen Attacken über das ERLEBTE nachdenken bzw. eigene Urteile über das gesehene fällen zu können.
“Captain Phillips” offenbart sich im Grunde genommen als emotional-spiralförmig zuspitzendes, dem Publikum gegen Ende immer mehr Angst einflößendes Drama, welches einem förmlich die Luft in der Kehle zuschnürt. Dank unaufhörlichem, sich steigerndem Suspense bekommt man einen streng durchkomponierten Thriller, also ein perfides Katz- und Maus Spiel klassischer Prägung auf später beengtestem Raum serviert. Um sich von diesem mitsamt dem packendem Finale lösen und vieles des gesehenen verarbeiten zu können, ist einiges an Zeit vom Publikum selbst erforderlich. Danach begreift man Dank Paul Greengrass und Darsteller Tom Hanks intuitiv, welches Mäteryium der echte “Captain Phillips” zu seiner Zeit durchlitten haben muss. Nämlich die absolute, persönliche Hölle. Etwas anderes zu vermittelndes von Regisseur Paul Greengrass hätte den Intentionen des echten, überlebenden Captain Phillips ohnehin widersprochen.
Fazit: Besser wird Paul Greengrass´ inszenierte Form des realistisch wirkenden und ernsthaften Erlebnis/Überwältigungskinos auch in Zukunft kaum noch werden.
Wertung: 9/10 Punkte
Captain Phillips wird am 14.03.2014 auf BluRay Disk erscheinen