"I'm sorry. I know that means little at this point, but I am. I tried, I think you would all agree that I tried. To be true, to be strong, to be kind, to love, to be right. But I wasn't." -
Die oft zu diskutierende Hybris des Menschen: in vielen Blockbustern wurde dieses Thema in der Vergangenheit bereits zentralisiert? Es ist doch immer das gleiche mit uns Menschen. Das Leben, das härter nicht sein könnte, ist wie ein Sturm auf offener, hoher See, dem man immer wieder trotzen muss, um bis zu seinem Lebensende einfach weitermachen zu können. Und schauen wir uns unsere gegenwärtigen Befindlichkeiten auf unserem Fleckchen Erde an, so meint die Spezies Mensch immer, das diese sich das Leben und Natur im schnellen Verfahren zu Nutze machen beziehungsweise diese zur zweiten Kraft degradieren könnte. Ohne die Konsequenzen dabei befürchten zu müssen. In "All is lost" erleben wir ein geschildertes Schicksal eines universellen Charakters: manchmal ist es halt zwingend notwendig, das der Mensch eine Kurskorrektur mit seinem Boot auf hoher See vornehmen muss, um die jüngste bis auch die letzte Phase seines Lebens überhaupt erleben zu dürfen. Denn ihm wird eine harte Prüfung auferlegt. Und wenn ihm es nicht gelingt, diese erfolgreich zu absolvieren? Ja dann geht der Mensch halt in all seinem Bemühen, erfolgreich den Schwierigkeiten des Lebens getrotzt zu haben, mit dem Sturm auf hoher See irgendwann unter. Wenn er sich halt dazu entschließt, einfach aufzugeben. Bevor er versucht hat, durch seine oder die Unachtsamkeit anderer viele zwischendurch halt immer wieder entstandene Lecks (Schäden) in seinem Leben zu reparieren.
"I fought 'til the end. I'm not sure what this worth, but know that I did. I have always hoped for more for you all. I will miss you. I'm sorry." -
Also, was bedeutet Kino überhaupt? Ist es nur dazu da, damit eine künstlerisch Vision inklusive neuer Welten erschaffen werden kann, die ständig neue Handlungsplätze eröffnet, erweitert es dabei nicht den eigenen Horizont? Oder ist es einfach nur dazu da, um uns mit Action im Dauer-Lärm-Modus nur die Mägen zu malträtieren, sollte es uns nur einen begrenzten Radius von Schauplätzen mit ihm Rahmen überschaubaren, einstürzenden Schlachten zwischen Häusern und Himmel bieten, die bereits bekannt sind und nach einer Weile genauso wie in vorherigen Blockbustern ausschauen? Gibt es eigentlich keinen Mittelweg zwischen den Philosophien Action-Pornographie und der schwammig definierten Unterhaltung, ja am Ende gar keinen Kompromiss mehr? Doch, den gibt es natürlich. Denn in "All is lost" rummst, kracht und scheppert es auch permanent alles andere als pornographisch, weil auf das authentische reduziert, wenn Robert Redford sich in- und außerhalb seines Bootes und auch seines späteren, schwimmenden Rettungsrings allen Gefahren der Natur, inklusive den hohen, aufpeitschenden Wellen stellen muss. Was von den vielen Blockbuster-Kids von heute als nicht positiv goutiert wird. Da sie von Haus aus kein Interesse daran aufbringen, sich zur Abwechslung mit der zu Grunde liegenden Prämisse und dazugehörigen Weisheit des hier besprochenen, aktuellen Films auseinanderzusetzen, die von J.C. absichtlich nicht ganz kenntlich gemacht wird, damit man sich mit "All is lost" gezwungenermaßen auseinandersetzt. So etwas hat eine aktuelle, neue Generation durch gegenwärtige, verschiedene 08/15 Bumm-Bumm - große Brüste-hohle Köpfe-dicke Effekte Bay-Bruckheimer Blockbuster oder durch das fehlende Aufwachsen mit diversen Filmklassikern schon gar nicht mehr intuitiv erlernt. Dabei wird man in "All is lost" mit einer Prämisse konfrontiert, die unser gegenwärtiges menschliches Verhalten sehr simpel, aber auch unpolitisch bis nicht-religiös reflektiert, also im übertragenen Sinne einfach nur auf ein paar Dinge ohne den erhobenen Zeigefinger aufmerksam machen möchte, die jeden von uns etwas angehen. Irritierenderweise wird so etwas öfter als langweilig kritisiert, dabei ist Robert Redfords Auftritt in "All is lost" alles andere als unspannend inszeniert, da er in jedem Moment dem gespielten Tod ins Auge blickt, wenn er des öfteren auch mal über Bord geht. Oder im Boot mal einem Unfall zum Opfer fällt. Ja es kann schon sein, das "All is lost" dann nicht richtig zur Geltung kommen darf beziehungsweise genau in dem Moment als langweilig eingeschätzt werden kann, wenn man sich das gesamte, zu interpretierende Geschehen zwischendurch auf einem kleinem Laptop mit einem schmalen Bildschirm und einem blechern klingenden Paar Stereolautsprecher anschaut. Und von der überwältigenden Größe eines geschaffenes Settings beziehungsweise einer auf der Leinwand ins Leben gerufenen Welt, in welcher der Protagonist per künstlerischer Interpretation am Scheideweg steht, nichts mitbekommt, weil diese halt nicht "Over-The-Top" in Szene gesetzt ist, kein "Wow it´s such a fucking huge CGI" als Ausdruck evoziert. Warum sollte man das zur Schau gestellte "echte" überhaupt auf sich wirken lassen, während man sich mittels künstlicher Suchtmittel im Kino ablenkt, während in Wirklichkeit vieles mit uns nicht immer gerade perfekt-positiv verläuft, was manchmal vollkommen normal ist. Dem man sich halt, durchs Kino beziehungsweise Dank "All is lost" im Rahmen seiner Möglichkeiten abstrahiert, einfach wieder bewusst werden soll. "All is lost" ist also als ein intelligenter, positiv-kritisch-psychologischer (märchenhafter) Essay beziehungsweise als eine abseits aller Action-Sequenzen inszenierte, nüchterne Bestandsaufnahme über unsere momentanen, sprich modernen-menschlichen Befindlichkeiten zu verstehen, die durch Robert Redford als Segler kanalysiert werden. Viele Menschen schmeißen heutzutage die sprichwörtlichen Brocken einfach weg, weil sie keine Hoffnung durch ihre täglichen Schwierigkeiten im Leben, also im übetragenen Sinne auf hoher See, mehr haben. Aber das sollten sie am Ende halt nicht. Sondern sich an der (immer noch vorhandenen) Stärke wieder aufrichten.
Solch ein differenziertes Thema wie in "All is lost" offenbart für einen Teil des Publikums des öfteren aber leider als furchtbar dumm. Sollen sich doch andere um unsere schlimmen, gegenwärtigen, in "All is lost" per Mensch und See auf der Kinoleinwand für uns abstrahierten Belange kümmern. Warum sollte ich das überhaupt tun? Sollen andere doch die Kohlen aus dem Feuer holen, um sich und die Welt mit all ihrem Mut nun zu etwas besseren zu machen, nachdem man die eigenen, auferlegten Grenzen kennengelernt hat beziehungsweise sich allen Gefahren dabei stellt. Oder mit anderen Worten: anstatt sich einer im Rahmen des Kinos in "All is lost" dargestellten, per Symbolsystem zu dechiffrierenden Wahrheit zu stellen, mit unserem Boot manchmal noch andere, positive Richtung ansteuern zu müssen. Aber da wir auf unserem existenziellen Lebensweg manchmal beinahe kompletten Schiffbruch erleiden, flüchten wir uns lieber vor allem ehrlich gemeinten, also vor dem mit "All is lost" wieder wirksamen Independent-Kino in Action-pornographische, Reiz überflutende Mainstream-Streifen. Die abseits der sturen Rezeptions-Diktate Spaß und Unterhaltung (letzterer Begriff muss natürlich viel stärker differenziert werden) gar keine Daseinsberechtigung für sich verbuchen können, da sie sich als ein "Nichts" beziehungsweise ein existierendes Vakuum außerhalb der gängigen Mechanismen des Kinos offenbaren. Und am nächsten Tag ist wieder "business as usual" angesagt, man gibt einfach auf während weiterhin vieles kaputt geht. Ob dies auf oder abseits der Leinwand, also im privaten, ökonomischen als auch ökologischen Sinne geschieht, spielt dann keine Rolle mehr. Es macht einfach keinen Unterschied. Ist so etwas zu tolerieren? Oder sollten wir uns lieber mit dem in "All is lost" gegensätzlich evozierten beschäftigen, der Mär, das man nicht aufgeben und unsere größten, modernen, also gegenwärtigen Schwierigkeiten überwinden kann, wenn man nur fest an sich glaubt? Und das man wieder den Glauben an die Kraft des Kinos entdecken soll, die eine "alles ist am Ende möglich, auch positives" Prämisse heraufbeschwören kann? Eben. Michael Bays aktueller, viel beachteter Transformers-Blockbuster "Age of extinction" zum Beispiel ( mehrere Milliarden Dollar Einspielergebnis werden wieder einmal kein Traum sein) kann abseits vom verzweifelt-hilflosen "Knall Bumm - wie lustig doch alles ist" doch gar nicht mehr mit dem Zuschauer in einen Dialog treten, der mit all dem in "All is lost" evozierten auch nur im Ansatz vergleichbar ist. Es wird kein Narrativ mehr vermittelt, Bilder und Symbole sprechen keine eigene Sprache mehr, sie lassen uns nicht auf mehr auf kluge Weise hinter eine zunächst aufgezogene Wand schauen, sondern sie sind einfach nur noch da. Das ist mittlerweile unsere Vorstellung davon, was Kino überhaupt zu leisten im Stande ist. Wir machen aus allem nichts mehr. Und blasen eine visuelle Mücke zu einem im inneren hohlen Elefanten auf, der schnell die Luft verliert, wenn man in diesen mit einer Nadel hinein sticht. Während man später in seinem beengtem Radius wiederum feststellen möchte, was an der Qualität von einem gut durchdachten Film beziehungsweise einem positiv-human-existenzialistischen Survival-Trip wie "All is lost" überhaupt dran ist, wenn auf J.C Chandors Drama von anderer Seite aus entsprechend aufmerksam gemacht wurde.
Mittlerweile fehlt uns ein ideologiekritisches Verständnis für den sogenannten "production of valued consens", dabei ist "All is lost" mit samt seiner Botschaft und Ehrlichkeit, ja seiner Wichtigkeit der zu Grunde liegenden Thematik, prädestiniert dafür, das Publikum aufzuwühlen beziehungsweise bewusst nachdenklich zu machen, um uns also etwas mitzuteilen. Man kann sich, um Verständnisschwierigkeiten in "All is lost" vermeiden zu können, zum Beispiel einen Filmklassiker wie Ridley Scotts "Blade Runner" in Ruhe anschauen. Der Elemente wie Action, Spannung, epochale Gesellschaftskritik in Form einer Warnung vor dem selbst verschuldetem sterben unseres Lebensraums und die positiv-menschliche Katharsis von Harrison Ford durch das Erlebnis, sich am Ende niemals aufgeben zu dürfen, kongenial miteinander verknüpft. Eegal wie aussichtslos die Dinge in einem persönlich und um einen manchmal herum scheinen, Denn Kino bedeutet viel mehr als reine Knall-Bumm-Spaß-Effekte es evozieren können. Es drückt etwas aus, das mittlerweile des öfteren bereits verloren scheint. Wahres Kino bedeutet nämlich, das man in einem Film auch nach mehrfacher Sichtung immer wieder etwas neues entdecken kann. Und das können wir in Transformers-Blockbustern nicht, in bewegenden Filmen wie "All is lost" hingegen schon. Aber welcher Nicht-Film beziehungsweise welches auf der Leinwand ins Leben gerufene PC-Benchmark-3D-Render-Demo, das einem fälschlicherweise suggeriert, man würde tatsächlich in diesem mitten drin sein, man könnte es kontrollieren, damit man etwas zum rumspielen hat, hat im Gegensatz zum "authentischen" mehr Erfolg an der Kasse? Genau, unsere Welt ist mittlerweile halt eine ziemlich verdrehte. Sobald ein Film inhaltlich etwas fordernder, gedanklich nur ein bisschen tiefsinniger beziehungsweise inhaltlich vielschichtiger wird, müssen wir uns davor schützen, der künstlerischen Gestaltung auf den sprichwörtlichen Leim zu gehen. Denn wenn man etwas richtiges aus einem Film wie "All is lost" heraus liest, der die Extreme "Mensch und Natur" gegenüberstellt, uns vieles beim Aufeinanderprallen dieser Gegensätze durchleiden lässt und uns dann in eine positive Richtung befördern möchte, neigt man gleich wieder zum Hang der Überinterpretation.Wir fallen somit einer engstirnigen Sichtweise zum Opfer, die Blockbuster hervorruft, die sich zu leicht in eine Schublade pressen lassen. Wie zum Beispiel der aktuelle Erfolg "Das Schicksal ist ein mieser Verräter", das genau wie "Twilight" nach den selben Schema-F Szenenabläufen auf banalste Art und Weise die große Liebe thematisiert.
Fazit: J.C Chandor Drama "All is lost" hingegen widersetzt sich als intelligente Allegorie solchen, mittlerweile um sich greifenden Mechanismen der Gleichmacher-Industrie Hollywoods recht erfolgreich, zum Beispiel wenn es um die Beziehung eines für das Publikum zunächst fremd erscheinenden Seglers zum eigenen Fleisch und Blut geht. Es lässt sich am Ende nicht in eine einzige, bekannte Inszenierungs-Kategorie pressen und liefert daher einen entsprechenden Impuls im Genre. Im Geiste fühlt sich J.C. Chandors Drama zwar dem zu Grunde liegenden, ähnlich behandelten Thema diverser Arthouse-Verwandtschaften verpflichtet, dennoch verzichtet es durch das weitest gehende fehlen von Dialogen auf bekanntes, verkopftes Geschwätz. Ebenso ordnet es sich im Geiste dem klassischen, US-amerikanischen Action-Kino auf eine eigenwillige, höchst pragmatische Art unter. Als Publikum darf man Dank Robert Redfords Reise einen einzigen langen, in jeder Faser für sich sprechenden Survival-Take miterleben, der halt immer wieder mit beeindruckenden Actionplansequenzen aufwartet. "All is lost" offenbart sich somit als ein klein wenig typisches, aber andersherum auch wieder als ein sehr untypisch-gutes bis sehr gut inszeniertes Kino made in Hollywood. Das gekonnt zwischen ruhigen und brachial inszenierten Momenten hin- und her pendelt.
Wertung: 9/10 Punkte