Kritik - 22 Bullets

Kritik - 22 Bullets

"Ich werde Dich umbringen, von Angesicht zu Angesicht, eine Frage des Repekts. Du sollst wissen, wer Dich tötet und Du sollst auch wissen, warum Du stirbst." -

Nachdem Hollywood  sich seit geraumer Zeit wieder dem Sub-Genre des Rache-Thrillers zugewandt hat, schickte sich das französische Kino anno 2010 an, dem Vorbild Hollywoods nachzueifern und ein recht durchwachsenes Produkt aus der eigenen Kolonialküche zu inszenieren, um wenigstens für ein bisschen für Belebung im Angesicht des festgefahrenen Genres und der Konkurrenz aus Übersee zu sorgen...

Und somit darf sich Regisseur Richard Berry ("Black Box") für die Regie von "22 Bullets" verantwortlich zeichnen. Der bisher aus wenigen Filmen bekannte Regisseur kann dem Genre aber ebenso wenig wie viele, aktuell inszenierte, amerikanische Thriller-Beiträge, welche sich mit dem Thema der RACHE beschäftigen, neue Impulse verleihen. "22 Bullets" erweist sich als klischeehafter, geradliniger Rachekrimi von der Stange, dessen qualitativer Niedergang in die völlige Bedeutungslosigkeit nur durch die gute Schauspielleistung Jean Renos und zweier weiterer Darsteller aus dem Nebencast verhindert werden kann... Wie man sich als Publikum mit "22 Bullets" anfreunden kann, hängt auch maßgeblich davon ab, wie man bereits Einstieg des Films persönlich aufzufassen bereit ist.. Denn welcher normale Mensch überlebt schon 22 Kugeleinschüsse? Im weiteren Verlaufe des Filmes wird keine einzige, logisch- medizinische Begründung geliefert, warum 22 Kugeln den Protagonisten Charly Matteï überleben ließen. Haben die eingeschlagenen Kugeln nur lebenswichtige Organe verfehlt, haben diese sich nicht tief genug ins Fleisch gebohrt? Man erfährt es nicht... Man wird also entsprechend unbefriedigt zurückgelassen, denn der vollmundig von Richard Berry angekündigte, bekanntgewordene Anspruch ist es ja gewesen, einen der "realitätsbezogensten" Thriller des französischen Kinos der letzten Jahre inszenieren zu wollen. Epic fail, sozusagen.  Manch Betrachter mag auch bewußt auf eine inszenatorische Logik in "22 Bullets" nach der bereits gewollt überspitzt inszenierten, mit harten und blutigen Actionsequenzen versehenen Exposition keinen Wert legen. Und Richard Berrys Thriller gerne dort das Prädikat "Trash" anheften, wo es eigentlich unangebracht ist.  Während der gewollt selbstironische, comichafte Ton des Auftakts so gar nicht zur kalten / zynischen Atmosphäre und ansonsten rational funktionerenden Welt von "22 Bullets" passen möchte...

Kritik - 22 Bullets

Richard Berry möchte mit "22 Bullets" unübersehbar den großen Thriller-Vorbildern der Filmgeschichte nacheifern und sehr gerne deren schweres Erbe antreten, wenn die Geschichte eines Zugehörigen des Milieus erzählt wird, dessen Verwandschaft gerne Pasta denieren und die Tommy-Gun im Kofferaum verstecken darf.  Jedoch weiß man bereits seit Francis Ford Coppolas dreiteiliger Pate-Saga und Michael Manns Opus Magnum "Heat", das der Ausstieg aus dem Milieu immer mit schweren, persönlichen Opfern verbunden sein wird, das eigene "entfliehen" wird man am Ende niemals (seelisch) unbeschadet überstehen. Von dieser Melancholie ist in "22 Bullets" am Ende nur noch wenig zu spüren.  Als eine weitere Schwäche der Drehbuchautoren um Richard Berry, der sich für die Geschichte in "22 Bullets" mit verantwortlich zeichnet, offenbart sich auch der bewußte Verzicht auf die Offenlegung der im Genre mittlerweile üblichen, moralisch-gräulichen Zwischentöne des Mileus in Gestalt diverser Krimineller, mit denen Charly Matteï noch eine Rechnung offen hat. Anstatt ""22 Bullets" zur gewollten Mischung aus differenzierter Mileustudie und hartem Krimi gerät, ergehen sich Richard Berry und die Autoren Eric Assous und Alexandre de La Patellière lieber in übler Schwarz-Weiß Betrachtung des Sujets und lassen "22 Bullets" als plaktiven, stumpfen Rachethriller enden. Und so darf sich Jean Reno in der Rebellion des Guten als renitente, bereits fertig entwickelte Mischung aus Bruder Jacques und Léon der Profi, also halb Mönch, halb Killer,  gegen das Böse durchsetzen.  Es gibt keine Kugel, welche die Gegnerschaft nicht verdient hat, deren Motive der bösen Taten, obwohl dies Charley Mattei natürlich per Dialog immer wieder einfordert, nicht mal ansatzweise richtig ergründet werden. Auf recht platte Art und Weise wird somit schon die groteske Sucht des Zuschauers nach dem manipulativem Wunsch bedient, das man seiner im inneren vorherrschenden Wut des kleinen Spießbürgers freien Lauf lassen darf, um es allem Bösen in unserer Welt also endlich mal heimlich, still und leise so richtig schön zeigen darf.  Weil man sonst dazu auf Grund persönlicher Einschränkungen nicht in der Lage ist. Das Fressen und die dazugehörige Show kommen also an erster Stelle, die persönliche Moral wird dabei trotz einiger inszenierter, langatmiger Rückblenden in die Vergangenheit des Protagonisten, um dessen Verhalten zu legitimieren, am Ende jedoch niemals auf die richtige Art und Weise hinterfragt.

Kritik - 22 Bullets

Richard Berrys Thriller "22 Bullets" kommt mit der Wucht einer kompromisslos eingetretenen Tür daher, interessiert sich dabei aber wenig für seine Vielzahl an auftauchenden Figuren, deren Beziehungen untereinander hätten präzise ausgelotet werden müssen. Themen wie Freundschaft, Verrat, Lug und Betrug werden in "22 Bullets" nur an der sprichwörtlichen, thematischen Oberfläche angekratzt. Befremdlich wirkt im blutigem und bleihaltigem Finale auch die Tatsache, das Charley Mattei auf Grund früherer Taten, welche ihn erst in seine zu durchleidende Situation gebracht haben, selber Blut an den Händen kleben hat. Aber er darf sich, obwohl er sich  selber leider nicht von der eigenen Schuld freisprechen kann, als selbstgerecht bzw. moralisch aufrichtig aufspielen.  Seine dann zur Schau gestellte Herzenswärme als "geheilter" und "weinender" Mann wirkt im Angesicht der sonstigen, eigen-vorgetragenen Bärbeißigkeit und des vorherrschenden, persönlichem Zynismus, welcher auch der geschaffenen Welt und der Figuren immanent ist, einfach nur völlig deplatziert.

"Ich werde Euch alle erschießen, alle. Einen nach dem anderen. Aber nicht sofort. Ich will, dass ihr Zeit habt, darüber nachzudenken, was Ihr getan habt. Ich will, dass Ihr Tag und Nacht daran denkt, dass Ihr eure Frauen und Kinder um Verzeihung bittet, dass Ihr ihnen sagt warum Ihr sterben werdet. Und wenn Ihr es am wenigsten erwartet - morgen, in sechs Monaten, in einem Jahr - werde ich da sein. Ihr werdet nicht mehr in Sicherheit sein, solange ich lebe." -

Fazit: "22 Bullets" erweist sich am Ende leider nur als gräuliche Thrillerkost aus Frankreich, welche auch Dank teils hakeligen Szenenüberhängen, manch hektischen Schnitten und einem unspektakulärem, einschläfernden und minimalistischen Score aus der Feder Klaus Badelts kaum zu Jubelstürmen hinzureißen vermag. Und somit in der Mittelmäßigkeit des Genres versandet.

Wertung: 6/10 Punkte


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