Kristin Rübesamen: Alle sind erleuchtet.

Kristin Rübesamen: Alle sind erleuchtet.
(Achtung. Es folgt Privatleben.)
Neben der Vorliebe für ausufernde Serien, die einen Großteil meiner Lesekapazität blockieren und meine Postdichte auf eine Art Existenzminimum reduzieren, kann ich noch eine weitere unselige Konsumgewohnheit beklagen: Bücher mit extrem kleiner Zielgruppe. In diesem Fall: Erfahrungsberichte zum Thema Yoga. An dieser Stelle dürften sich zirka 98% der Axt-Leser augenrollend verabschieden. Tschüs, bis zum nächsten Mal!
Für die restlichen 0,5-2 Yogis hier spreche ich heute über Kristin Rübesamens „Alle sind erleuchtet. Bekenntnisse einer Yoga-Lehrerin.“ Dieses Buch war das vorerst Letzte in einer kleinen Reihe ähnlicher Werke, die ich kürzlich gelesen habe. Tja, Überraschung, die Axt ist eine Yogini. Wer hätte das gedacht – bei dem Namen.
Mich interessiert immer sehr, wie andere Menschen ihr Yoga erleben. Wie es ihnen dabei geht, was es mit ihnen macht, ihre ganz subjektiven Erlebnisse, Erkenntnisse und Schwierigkeiten. Praktischerweise neigen schriftstellernde Yogis dazu, diese Erfahrungen in Büchern zu verarbeiten, die ich dann mit einem gewissen voyeuristischen Vergnügen kaufe. Alle sind erleuchtet ist eines davon – und es kommt bei seiner Zielgruppe erstaunlich schlecht weg. Rezensenten auf Amazon beklagen das hemmungslose Name-Dropping (ist was dran), die intellektuelle Sprache (WTF?), die sprunghafte Erzählweise (könnte schlimmer sein), den fehlenden Kuschelfaktor (stimmt).
Tatsächlich gefällt sich Kristin Rübesamen als coole Weltbürgerin urbaner Räume ganz gut. New York, London, Berlin, dabei immer ganz nah am Rocksaum der örtlichen Prominenz – das wird stellenweise penetrant. Allerdings lassen sich diese Umzüge auch als äußere Manifestation des Getriebenseins lesen, ist die Autorin doch fast verzweifelt auf der Suche nach dieser einen zentralen Erkenntnis, die geistige Erleichterung verspricht. Dabei bleibt die Person Kristin Rübesamen seltsam fremd. Sie schreibt kühl, launisch, oft rotzig, auch selbstverliebt. Das schafft leicht eine unsympathische Aura.
Jedoch mag ich sie für ihre nachdenkliche, kluge Art, das neuzeitliche Yoga-Business mit seinen schrägen Auswüchsen zu abstrahieren und zu hinterfragen. Ich mag sie für ihren Zweifel. Oft schwingt ein leiser Humor zwischen den Zeilen, bissige Anekdoten entlarven den ein oder anderen „Star“ der Branche. Alle sind erleuchtet ist tatsächlich kein Wohlfühl-heile-Welt-Buch. Wer sich esomäßige Geborgenheit erhofft, wird mit bemerkenswerten Sätzen wie diesem erschreckt: „Modernes Yoga soll immer helfen. Aber was ist mit Genügsamkeit und Nähe zu Gott? Macht es die Nervösen nicht vielleicht empfindlicher, die Geknickten noch wehleidiger, die Sanften debil und die Aggressiven unerträglich? Materialisten sind auch im Yoga die größten Körperfetischisten.“
Das ist kein Stoff für Menschen, die gerne glauben möchten, dass Yogalehrer unfehlbar sanfte Wesen sind, oder die in ihrem Yoga in erster Linie ungestörte Harmonie suchen, oder die gerade erst mit dem Üben begonnen haben. Wappnet man sich ein wenig gegen das desillusionierende Potential des Buches, bietet es aber dennoch eine Perspektive zum Thema, die ich interessant finde. Oft genug ist es ja auch gerade dieser leise Zweifel, der den eigenen Blick erweitert. Namasté.
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