Da haben sie über Dekaden dereguliert und entbürokratisiert, liberalisiert und simplifiziert, standardisiert und entsozialisiert und entdemokratisiert und haben den Zustand erwirkt, den sie sich wünschten. Krise heißt dieser Zustand. Es handelt sich genauer gesagt um ein Gesamtpaket an verschiedenen Krisen, für jedermann ist eine passende dabei - eine scheibchenweise Verkriselung, ein Überangebot an Splitterkrisen, die die Strukturkrise des hiesigen Kapitalismus, seine Grenzen und ihm immanenten Fehler, weniger augenfällig machen sollen. Es ist eben nicht natürlich, dass das Leben ein Wettbewerb ist; die unsichtbare Hand hat nun mal kein Gehirnareal, in dem Ethik "erzeugt" wird - sie ist eben nur eine Hand; Eigenverantwortung ist in einer vernetzten, ineinander verwebten Welt eben nicht Stichwort; die individuelle Gier ist eben nicht nur Motor, sondern auch Bremsklotz für alle, die mit ihr nicht kompatibel sind.
Nun ist es vollbracht. Die Auswege sind mit dem System nicht mehr zu machen, weil die Herren des Systems die Notausgänge mit fest verschlossenen Tresoren verstellt haben - jetzt geht es an die Reform einer Bruchbude, in die man sich eingesperrt hat. Statt mehr Regularien, mehr Sozialisierung, mehr Teilhabeprozesse, kurz und bündig: statt mehr Demokratie, erneut von allem weniger. Diese Krisenverursacher dürfen nun als Reformer ans Werk. Der neoliberale Kurs kennt nur seine eigene Radikalisierung als Reform, kennt nur Verhärtung seiner schon alleweil harten Fronten; Selbsterkenntnis ist ihm nicht fremd, er sieht nun ein, dass die Lektionen, die er Politik und Gesellschaft lehrte, viel zu lasch waren, viel zu diplomatisch - ihm ist nun klar, dass er nicht mehr nur beschulen kann, er muss legitimiert regieren. Als Konsitution, delegiert von Brüssel aus, ist ihm das nun gelungen - vom Lehrer und Einflüsterer zum Staatslenker und Diktator.
Die Betriebswirtschaftslehre ist nun nicht mehr nur Staatsräson - sie ist Verfassungsauftrag. Und plötzlich werden sie alle Verfassungspatrioten sein! Haushaltskassen-Politik statt Konjukturprogramme; knapsen hier, sparen dort, einstreichen etwaiger Kosten - so führen Hausfrauen Regiment, nicht Volkswirtschaften. Einerlei, wenn aus der Finanzkrise eine Einnahmenkrise wird, eine Krise bei den Steuereinnahmen nämlich, die nicht mehr so flutschen - die dann wiederum eine Arbeitslosenkrise nach sich zieht und eine Sozialstaatskrise beschwört, die uns lehrt, dass der Sozialstaat nicht zu bezahlen ist. Schuldenbremsen und neoliberale Strukturreformen, die als Auftrag aus Brüssel an alle Mitgliedsstaaten gehen, sind die vertragliche Vereinbarung darüber, Europa in einem dauernden Zustand der Krise zu halten. Sie ist ein internationales Krisenabkommen, das die Krise oder verschiedene Krisen erhalten soll, um auch weiterhin Reformen durchzusetzen, die die letzten Reste einer Wohlfahrtsgesellschaft wegwischen.
Wenn dann eines Tages alle durchgeboxt ist, was man sich an ständestaatlichen Reformen so vorstellt, dann vergeht die verfassungsmäßig garantierte Krise sofort. Natürlich ist dann Krise bei denen, die hungern und sich mit Gewalt beschaffen, was sie zum Leben brauchen - aber die zählt nicht, denn die schieben wir in städtische Randbezirke. Was dort geschieht, hat mit dem realen Leben, in dem sich der neoliberale Kurs nach seiner Selbstwahrnehmung befindet, nichts mehr zu tun. Das sind ja nämlich auch nur lauter kleine, individuelle, persönliche Krisenherde, die man nicht generalisieren kann - wenn viele Mägen hungern, ist nicht der Hunger gesellschaftliches Problem, er ist jeweils das persönliche Dilemma jedes Einzelnen. So etwas wie Gesellschaft gibt es nicht!, hat der neoliberale Kurs im Körper einer kühl toupierten Lady schon vor Jahren gesagt. Sie wischte gesellschaftliche Zusammenhänge damit einfach von der Agenda. Da hungern sie dann im Magen und im Kopf, aber das ist dann nicht mehr unser aller Krise, denn etwas wie Gesellschaft gibt es nicht mehr. Es gibt nur Partikularinteressen - und die stärksten davon obsiegen. Wenn keine davon aus Randbezirken kommt, dann hungert der Randbezirk eben.
Was Krise ist, definieren die Krisenmanager schön selbst. Jetzt soll sie zunächst Alltag bleiben, um den Reformstau zu durchbrechen - und wenn dann die Krise für viele Menschen alltägliche Qual von existenziellem Ausmaß ist, dann erst erklären sie die Krisenzeiten für beendet...
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Nun ist es vollbracht. Die Auswege sind mit dem System nicht mehr zu machen, weil die Herren des Systems die Notausgänge mit fest verschlossenen Tresoren verstellt haben - jetzt geht es an die Reform einer Bruchbude, in die man sich eingesperrt hat. Statt mehr Regularien, mehr Sozialisierung, mehr Teilhabeprozesse, kurz und bündig: statt mehr Demokratie, erneut von allem weniger. Diese Krisenverursacher dürfen nun als Reformer ans Werk. Der neoliberale Kurs kennt nur seine eigene Radikalisierung als Reform, kennt nur Verhärtung seiner schon alleweil harten Fronten; Selbsterkenntnis ist ihm nicht fremd, er sieht nun ein, dass die Lektionen, die er Politik und Gesellschaft lehrte, viel zu lasch waren, viel zu diplomatisch - ihm ist nun klar, dass er nicht mehr nur beschulen kann, er muss legitimiert regieren. Als Konsitution, delegiert von Brüssel aus, ist ihm das nun gelungen - vom Lehrer und Einflüsterer zum Staatslenker und Diktator.
Die Betriebswirtschaftslehre ist nun nicht mehr nur Staatsräson - sie ist Verfassungsauftrag. Und plötzlich werden sie alle Verfassungspatrioten sein! Haushaltskassen-Politik statt Konjukturprogramme; knapsen hier, sparen dort, einstreichen etwaiger Kosten - so führen Hausfrauen Regiment, nicht Volkswirtschaften. Einerlei, wenn aus der Finanzkrise eine Einnahmenkrise wird, eine Krise bei den Steuereinnahmen nämlich, die nicht mehr so flutschen - die dann wiederum eine Arbeitslosenkrise nach sich zieht und eine Sozialstaatskrise beschwört, die uns lehrt, dass der Sozialstaat nicht zu bezahlen ist. Schuldenbremsen und neoliberale Strukturreformen, die als Auftrag aus Brüssel an alle Mitgliedsstaaten gehen, sind die vertragliche Vereinbarung darüber, Europa in einem dauernden Zustand der Krise zu halten. Sie ist ein internationales Krisenabkommen, das die Krise oder verschiedene Krisen erhalten soll, um auch weiterhin Reformen durchzusetzen, die die letzten Reste einer Wohlfahrtsgesellschaft wegwischen.
Wenn dann eines Tages alle durchgeboxt ist, was man sich an ständestaatlichen Reformen so vorstellt, dann vergeht die verfassungsmäßig garantierte Krise sofort. Natürlich ist dann Krise bei denen, die hungern und sich mit Gewalt beschaffen, was sie zum Leben brauchen - aber die zählt nicht, denn die schieben wir in städtische Randbezirke. Was dort geschieht, hat mit dem realen Leben, in dem sich der neoliberale Kurs nach seiner Selbstwahrnehmung befindet, nichts mehr zu tun. Das sind ja nämlich auch nur lauter kleine, individuelle, persönliche Krisenherde, die man nicht generalisieren kann - wenn viele Mägen hungern, ist nicht der Hunger gesellschaftliches Problem, er ist jeweils das persönliche Dilemma jedes Einzelnen. So etwas wie Gesellschaft gibt es nicht!, hat der neoliberale Kurs im Körper einer kühl toupierten Lady schon vor Jahren gesagt. Sie wischte gesellschaftliche Zusammenhänge damit einfach von der Agenda. Da hungern sie dann im Magen und im Kopf, aber das ist dann nicht mehr unser aller Krise, denn etwas wie Gesellschaft gibt es nicht mehr. Es gibt nur Partikularinteressen - und die stärksten davon obsiegen. Wenn keine davon aus Randbezirken kommt, dann hungert der Randbezirk eben.
Was Krise ist, definieren die Krisenmanager schön selbst. Jetzt soll sie zunächst Alltag bleiben, um den Reformstau zu durchbrechen - und wenn dann die Krise für viele Menschen alltägliche Qual von existenziellem Ausmaß ist, dann erst erklären sie die Krisenzeiten für beendet...
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