"Ja leck mich doch in de Täsch", hätte mein Großvater den Kopf geschüttelt, wer sich das Spiel des Lebens ausgedacht hat, war in der Tat voller Kreativität. Darauf muss man erst einmal kommen. Und es dann auch noch voll durchziehen, ich meine, seine Mitspieler, oder besser: Mensch-ärger-dich nicht-Püppchen, in Schwung halten und immer wieder an der Startlinie ausschwärmen lassen. Auf den Holz-Brett-Weg schicken.
Und manchmal erwischt es uns in unseren schwächste Momenten, das hinter uns würfelnde Püppchen mit dem Holzkopf, was uns fröhlich von unserem Holzweg fegt, noch nicht einmal durch sein überlegenes Können, sondern durch das pure Glück, die richtige Zahl gewürfelt zu haben, und das hat mit Gerechtigkeit nun so gar nichts zu tun, und es kickt einen vom Brettspiel geradewegs nicht etwa in eine moderate Wartezone, oh nein, denn das wäre ja viel zu phantasielos, sondern, und es kommt viel, viel besser: hinein ins kalte Wasser.
Wenn wir müde sind, ausgepowert, kränklich an Körper, Geist und innerer Motivation: wenn das alles zusammenkommt, droht unsere Welt wie eine Riesenwelle über uns zusammenzubrechen, der Sog der Unterströmung zieht uns mit in die kalte und dunkle Tiefe, unser Oben und unser Unten werden Eins, und wir drehen uns, bis uns schwindelig ist. Unsere sich überschlagenden Emotionen nehmen uns die letzte Luft zum Atmen, pressen das kleinste verbleibende Sauerstoffbläschen aus unseren geschundenen, brennenden, sich in der Sinnlosigkeit aufbäumenden Lungen.
Wie lange halten wir es tatsächlich unter Wasser aus? Bevor wir ohnmächtig werden, die Besinnung verlieren, in den ewigen Schlaf gleiten? Es gibt Menschen, die leben in diesem Zustand tagein, tagaus. Glücklich der, der nichts mehr merkt.
Also, wie lange halten wir es unter Wasser aus?
Und finden wir in uns die Kraft, die Strudel der Tiefen dann doch noch zu nutzen, ein weiteres Mal zu nutzen und erneut aufzutauchen? Den unbeschreiblichen Mut? Mit ein bisschen Glück vielleicht? Um erneut nach Luft zu schnappen, unsere Lungen sich gierig vollsaugen zu lassen und an Land schwimmen zu können? An den warmen, weichen und sicheren Strand unserer paradiesischen Insel zu treiben oder zu strampeln, je nach Persönlichkeit, auf das sichere Land, auf dem wir uns in den Schatten des heilenden und üppigen Grüns legen können, mit Freude ins Helle treten, uns wieder aufrecht und mit beiden Füßen auf dem Boden der Sonne zeigen und Licht in unser Dunkel lassen? Um eine weitere Weile glücklich zu sein. Mal wieder.
Jede Krise ist eine Chance.
Land in Sicht?
Sind wir dann tatsächlich, wie viel versprochen, stärker als zuvor? Können wir unser Glück mehr genießen, nach den Erfahrungen des Untergangs und wieder Auftauchens? Ich weiß es nicht. Denn, mögen die Krisen uns auch formen, so bleibt doch leider offen, ob wir ohne genau diese Krisen nicht unterm Strich viel glücklicher und freier leben würden. Klar, das will natürlich niemand hören, oder lesen, denn wozu dann die ganze Mühe und Plagerei? Damit der, der sein Brettspiel auf den Markt gebracht hat, sein Ding durchziehen kann? Nein. Sondern schlicht und einfach: weil wir das Gefühl zwischen den Krisen lieben. Aus purem Egoismus und dem Spaß an der Freude. Nicht mehr und nicht weniger. Wir sind nicht nur ein zusammengewürfelter Haufen Holz-Köpfe, sondern auch Stehaufmännchen, oder?! Wir müssen uns gar nichts beweisen, machen wir uns mal nichts vor. Wir sind nicht im Spiel, um zu lernen. Obwohl diese Erklärung vieles leichter machen sollte. Wir sind auf dem Brett, um zu spielen. Unter Wasser, um immer wieder aufzutauchen. Und das alles, um dieses eine Gefühl, welches unter der Dachzeile "Hoffnung" läuft, noch einmal zu spüren zu bekommen: Die Liebe zum Leben an sich.