Kriminalität ist schlecht zu regulieren

Erstellt am 17. Juli 2014 von Smallcapservice

Die Bundesminister Heiko Maas und Dr. Wolfgang Schäuble möchten sich der stärkeren Regulierung des grauen Kapitalmarktes widmen. Das erscheint nach den jüngsten Skandalen (S&K, Infinus, etc.) zunächst sinnvoll. Der graue Kapitalmarkt gilt unter vielen als das Sammelbecken für Kapitalanlagebetrüger und Abzocker schlechthin. Insbesondere Stimmen von Anlegerschützern und aus der regulierten Finanzbranche fordern, dass der graue Kapitalmarkt vollständig reguliert werden muss und bestimmte Anlagen für kleine Privatanleger nicht mehr zugänglich sein dürften.

Beispielsweise zitiert das Handelsblatt in einem Online-Artikel (vgl. http://www.handelsblatt.com/finanzen/recht-steuern/anleger-und-verbraucherrecht/tv-kritik-hier-treffen-sich-zwei-gierige-seite-all/10212222-all.html, abgerufen am 17.07.2014 um 12:00 Uhr „Mister Dax“ Dirk Müller, der in einer Fernsehsendung des MDR (vgl. http://www.mdr.de/exakt/die-story/infinus-dresden100.html, abgerufen am 17.07.2014 um 12:04 Uhr) u.a. sagte, dass gewisse Anlageprodukte für Privatanleger nicht mehr zugänglich sein dürften, dass der Staat eine Fürsorgepflicht hätte und auch Profis oftmals kriminelle Machenschaften nicht ohne weiteres erkennen würden. Die erste Aussage ist schlicht und ergreifend populistische Scheiße. Freien Bürgern das freie Handeln zu untersagen widerspricht unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung vollständig und ist absolut unakzeptabel. Herrn Müller verbietet man ja schließlich auch nicht, dass er sich zu Sachverhalten äußern darf, obwohl er dafür keinerlei Qualifikationen besitzt. Die beiden anderen Aussagen, also die Fürsorgepflicht des Staates und die komplizierte Erkennung krimineller Machenschaften, sind allerdings vollkommen richtig! Da es sich hier aber um sehr wichtige Punkte (jedenfalls die zweite und dritte Aussage) handelt, sollen diese nachfolgend als eine Art Agenda genutzt werden.

Aber zurück zum eigentlichen Problem. Die permanente Wiederholung der Aussage, dass der graue Kapitalmarkt nicht unter staatlicher Aufsicht stünde, macht die Aussage nicht richtiger! Auch der graue Kapitalmarkt unterliegt den Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland! Dazu gehören unter anderem das von Politik und Fachverbänden so hoch gelobte Wertpapierprospektgesetz und diverse andere Gesetze, die es eben NICHT jedem erlauben, beliebige Kapitalanlagen beliebig zu vertreiben. So dürfen Kapitalanlagen eben nur von Personen vertrieben werden, die eine dazu erforderliche Erlaubnis besitzen. Alle, die das nicht machen, handeln kriminell!

Und selbst dann, wenn man den sogenannten grauen Kapitalmarkt „reguliert“, ist das weder ein Gewinn an Sicherheit noch an Transparenz für den Anleger. Vielmehr suggeriert das eine Sicherheit, die faktisch nicht existiert. Oder zahlt irgendeine der regulierten Institutionen des „weißen Kapitalmarktes“ Anlegern das Geld zurück, welches diese schlicht und ergreifend verzockt haben? Wer setzt sich für die Kreditnehmer ein, die beim Abschluss von Kreditverträgen schon fast systematisch über den Tisch gezogen werden? Was ist mit Immobiliendarlehen, bei denen dem Sachbearbeiter der Bank bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses klar war, dass das Darlehen dem Häuslebauer in wenigen Jahren um die Ohren fliegt und das Haus dann in die Zwangsversteigerung geht? Was ist eigentlich mit den Schäden, die durch Absprachen bei Leitzinssätzen entstanden sind? (Da das ganze so kompliziert ist, dass es eh keine sau versteht, klagt auch niemand…)

Skandale um Einzelfälle von „Fehlverhalten“, wie man vermeintlich systematischen Betrug in der Welt der regulierten Kapitalmarktteilnehmer auch gerne nennt, gibt es zahlreich. Die Konsequenzen sind vergleichsweise lächerlich, wenn überhaupt existent. Zwar werden in jüngster Zeit zunehmend hohe Geldbußen verhängt, allerdings bringt das den Geschädigten hinterher auch nichts. Oder wie viele Zwangsversteigerungsverfahren werden eingestellt, weil der Immobilienbesitzer bei der Immobilienfinanzierung falsch beraten wurde? Und warum werden die Preis- und Leistungsverzeichnisse für bestimmte Kreditangebote nicht öffentlich gemacht?

Die Begründung, warum man gerne alle Kapitalanlagen „regulieren“ möchte ist vielschichtig. Da sind einerseits populistische Politiker, die etwas Opium im Volk verteilen wollen. Außerdem sind da diverse Berufe, die ohne die Regulierung schlicht und ergreifend niemand bräuchte. Auch Fachanwälte profitieren von zunehmend komplexen Regelungen, weil man so häufiger auf ihre Dienste angewiesen ist. Letztlich ist auch die mächtige Finanzindustrie bestrebt, die Eintrittshürden in die eigenen Reihen hoch zu halten. Man will schließlich nicht mit den Schmuddelkindern spielen. Wenn man das nämlich tun würde, wären weder hohe Managergehälter noch hohe Provisionen und Boni vertretbar. (Kleine Anmerkung am Rande: Wir sprechen in vielen Fällen darüber, dass Personen, sogenannte Finanzexperten, die wissentlich riskanteres Glücksspiel als Hundewetten betreiben, hohe sechsstellige Jahresbezüge erhalten. Während man dem Spielsüchtigen, der seine Rente zur Hunderennbahn oder in die Spielbank trägt landläufig für einen Idioten oder ein armes Schwein hält, werden Personen, die exakt das gleiche Verhalten an den Tag legen, Finanzexperten, nur weil sie im Maßanzug dummes Zeug faseln.) Außerdem wollen die etablierten Institutionen der Finanzindustrie auch weiterhin an möglichst allen Geschäften, die getätigt werden, profitieren. Der so oft angeführte Anlegerschutz ist aber letztlich scheiß egal. Faktisch existiert er weder seitens der Politik noch seitens der Finanzbranche. Lediglich einige Interessensvertreter und Anlegerschutzanwälte haben ein ehrliches Interesse daran. Leider haben diese Menschen keine Lobby.

Um das zu verdeutlichen, kann man sich vor Augen halten, dass die so hochgelobte und dem Anlegerschutz dienende Prospektpflicht für Wertpapiere ausschließlich ein Instrument zur Vernichtung von Anlegergeldern ist. Zwar prüft die BaFin Wertpapierprospekte formal, leider jedoch nicht inhaltlich. Für 6.500 € sollten Anleger allerdings eigentlich erwarten, dass die BaFin auch wirklich prüft und nicht nur den Mindestinhalt an Kapitelüberschriften bestätigt. Die derzeitige Verfahrensweise sorgt schlicht und ergreifend dafür, dass 6.500 €, die eigentlich den Anlegern gehören, völlig sinnlos verbrannt werden.

Hier vernachlässigt der Staat seine Fürsorgepflicht aufs Schärfste! Der größte Schwachsinn an der derzeitigen Prospektpflicht ist außerdem, dass diese Dokumente so umfangreich und so komplex gestaltet sind, dass selbst einfache Kapitalanlagen für den berühmten Otto-Normalverbraucher nicht mehr zu durchdringen sind. Abgesehen haben die wenigsten Anleger die Zeit, sich mit oft 100 und mehr Seiten trockenster Informationen auseinanderzusetzen. Die Prospektpflicht ist in der derzeitigen Fassung völlig realitäts- und praxisfern.

Stattdessen sollte man eine Prospektpflicht light (vgl. http://blog.smallcapservice.de/15/07/2014/prospektpflicht-light/) einführen, die darüber hinaus außerdem maschinenlesbar ist. Damit könnten Anleger nicht nur Informationen in einfacher und knapper Form einsehen, sondern auch automatisch diverse Kapitalanlagen vergleichen und gegenüberstellen. Ein derartiges Prospekt könnte auch deutlich kostengünstiger (ca. 50 €) von der BaFin gebilligt werden. In Verbindung mit der Prospektpflicht light müssen außerdem weitergehende Befugnisse für die BaFin und verbindliche Klarverträge für Kapitalanlagen (vgl. http://blog.smallcapservice.de/18/10/2013/klarvertraege-fuer-kapitalanlagen/) geschaffen werden. Beispielsweise muss es den Aufsichtsbehörden möglich sein, jederzeit Einblick in die Bücher zu bekommen. Denkbar ist auch, dass bestimmte Finanzprodukte nur an Leute vertrieben werden dürfen, die eine Art „Finanzführerschein“ gemacht haben. Dieser darf allerdings ebenfalls nicht mit Gebühren verbunden sein, wie sie in der Finanzbranche derzeit herrschen.

Ebenfalls wichtig: Die staatlichen Aufsichts- und Ordnungsbehörden (insbesondere aber Polizei und Staatsanwaltschaften) müssen über mehr und qualifiziertes Personal verfügen. Das ist zunächst mal mit Kosten verbunden. Allerdings bringen sämtliche Regulierungsmaßnahmen nichts, wenn sie später praktisch weder überwacht noch gemaßregelt werden können.

Ein weiterer Schritt der Vereinfachung in Richtung Deregulierung und Transparenz wäre das Vereinheitlichen von Zuständigkeiten. Aber davor dürften Politiker und Branchenvertreter vermutlich aus oben genannten Gründen zurückschrecken.

Damit wäre der Punkt Fürsorgepflicht zunächst mal grob umrissen. Bleibt noch der Aspekt der Kriminalität.

Viele Geschäftsmodelle, mit denen Anleger Geld verloren haben, haben sich im Nachhinein als kriminelle Machenschaften entpuppt. Der Vollständigkeit halber muss man aber auch sagen, dass nicht alle Kapitalanlagen, die im Totalverlust enden, das Resultat kriminellen Handelns sind. Ganz im Gegenteil! Der überwiegende Teil läuft vollständig legal ab. Selbst dann, wenn gewisse Geschäftsmodelle auf den ersten Blick merkwürdig daherkommen, solange sie nicht explizit verboten sind und anderen vorsätzlich schaden, sind sie erlaubt! Das ist ein Grundprinzip unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung.

Zurück zu den Kriminellen. Wie der Name schon sagt, handelt es sich offenbar um Personen, die sich NICHT um Recht und Gesetz kümmern. Konkret geht es um Leute, die sich (meist auf Kosten anderer) bereichern wollen ohne dabei den Anforderungen des Gesetzgebers zu genügen. In der Regel operieren diese Leute verdeckt, um eben nicht aufzufliegen. Kriminelle sind meist auch nicht dümmer als der anständige Rest der Welt. Folglich interessiert es diese Leute auch nicht, ob da irgendwelche Politiker irgendwelche Gesetze erlassen. Sicherlich ist es sinnvoll, dass man offensichtlich betrügerische Dinge gesetzlich verbietet, allerdings provisorisch einfach sämtliche Dinge zu verbieten, nur weil dort evtl. jemand betrügerisch handeln könnte, ist blanker Unsinn!

Wichtiger als noch weitere komplizierte Gesetze sind Vereinfachungen und eine möglichst gute personelle Ausstattung der staatlichen Ordnungsorgane. Sicherlich braucht kein Mensch einen Polizeistaat, aber ein paar mehr WIRKLICHE Kontrollen von Unternehmen, die Kapitalanlagen vertreiben, ausgeben oder handeln wären durchaus begrüßenswert.

Abschließend muss auch noch etwas klargestellt werden. Im Fall von kriminellen Machenschaften ist weder die BaFin noch das Ordnungsamt der richtige Ansprechpartner. Ermittlungen in Strafsachen führt in diesem Land noch immer die Staatsanwaltschaft. Auch das Gefasel, dass die BaFin bisher keinen Handhabungsspielraum gehabt hätte, ist Blödsinn. Immerhin sind die Aufseher der BaFin im Staatsdienst (verbeamtet oder angestellt) und dazu verpflichtet, Tatsachen, die die Annahme einer Straftat rechtfertigen, anzuzeigen! Im Übrigen können auch Anleger und andere Menschen Hinweise zu möglichen Straftaten an Staatsanwaltschaft und Polizei liefern. Die sind dann verpflichtet der Sache nachzugehen. Allerdings gilt, wie oben geschrieben, dass diese Stellen mehr Personal brauchen.

Kriminalität lässt sich nicht regulieren! Nicht im Rotlichtmilieu, nicht bei Waffenschiebern und nicht in der Finanzbranche!