„Kriegshetze – Kriegstrommeln – Kriegsdrohungen“ – westliche Propaganda gegen Iran

Erstellt am 26. November 2011 von Lupocattivo

Mit der Forderung nach einer „deutlichen Verschärfung“ der Iran-Sanktionen beteiligt sich Berlin an der Verstärkung des westlichen Drucks gegen Teheran. In der kommenden Woche wollen die EU-Außenminister neue Strafmaßnahmen gegen Angehörige des iranischen Establishments verhängen.Quelle: german-foreign-policy

Die Maßnahmen sollen das iranische Regime zwingen, sich dem Westen im sogenannten Atomstreit unterzuordnen. Tatsächlich handelt es sich um einen Hegemonialkonflikt, in dem der Westen seine Vormacht in den mittelöstlichen Ressourcengebieten mit aller Macht zu verteidigen sucht. Die Stimmen, die für das nächste Jahr Militärschläge fordern, um den aufstrebenden Iran niederzuwerfen, werden lauter.

In Berlin dauert der Streit, ob man sich an einem möglichen Krieg beteiligen soll, an. Während transatlantisch orientierte Kräfte ebendies befürworten, streben Kreise, die auf eine schärfere Konkurrenz gegenüber den USA setzen, eine langfristige Durchsetzung der westlichen Hegemonie in Mittelost mit Methoden des Kalten Kriegs („Wandel durch Annäherung“) an. Die aktuelle Gesamtentwicklung im Nahen und Mittleren Osten ist geeignet, die Befürworter von Militärschlägen zu begünstigen – womöglich entscheidend.

Neue Sanktionen

Berlin spricht sich für eine „deutliche Verschärfung“ der Iran-Sanktionen aus.[1] Wie es heißt, sei Deutschland bereit, den Druck auf Teheran erheblich zu verstärken, um das iranische Regime zur Erfüllung der Forderungen des Westens im Atomstreit zu zwingen. In der kommenden Woche wollen die EU-Außenminister neue Maßnahmen gegen Angehörige des iranischen Establishments beschließen. Die Bundesregierung stellt Zustimmung in Aussicht. Allerdings werde man, heißt es, die Sperrung sämtlicher Konten der iranischen Zentralbank in der EU, wie sie Frankreich fordere, nicht absegnen: Dies schädige nicht nur das Geschäft mit Iran, das in Deutschland derzeit jährlich rund vier Milliarden Euro erreicht, sondern erschwere darüber hinaus jegliches Bemühen um den weiteren „Dialog“ mit dem iranischen Regime. Während Berlin sich mehrere Optionen offenhält, werden – vor allem in den USA sowie Israel – neue Forderungen nach Militärschlägen gegen Iran laut.

Ein Hegemonialkonflikt

Den Hintergrund der erneut eskalierenden Spannungen hat erst kürzlich die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Erinnerung gerufen. Wie es in einer aktuellen Analyse des Think-Tanks heißt, verfolgen die USA bereits „seit dem Niedergang der britischen Kolonialherrschaft und der Verkündung der Eisenhower-Doktrin 1957″ das Ziel, den Aufstieg eines Staates im Nahen oder Mittleren Osten zur regionalen Vormacht zu verhindern – „notfalls mit militärischen Mitteln“. Denn „der Zuwachs an Macht und Einfluss eines regionalen Akteurs“ werde „automatisch mit Verlust von Macht und Einfluss der USA in der Region gleichgesetzt“.

Washington habe sich stets bemüht, über „Allianzen und Bündnispolitik ein regionales Machtgleichgewicht zu schaffen“, das die Hegemonie des Westens in den Ressourcengebieten garantiere.[2] Dagegen ist es seit mehreren Jahren erklärtes Ziel der iranischen Eliten – keineswegs nur des gegenwärtigen Regimes -, die wirtschaftlichen und die politischen Potenziale ihres Landes für den Aufstieg zur Hegemonialmacht am Persischen Golf zu nutzen – ein Ziel, das durch die Zerschlagung des zuvor mit Iran konkurrierenden Irak und durch den Sturz der gegen Iran agitierenden afghanischen Taliban beträchtlich begünstigt wurde (german-foreign-policy.com berichtete [3]). Der Konflikt zwischen dem Westen und Iran ist somit – bei aller ideologischen Verkleidung – ein einfacher Hegemonialkonflikt.

Kein Kurswechsel

Dabei ist der Druck Washingtons auf Teheran, die westliche Hegemonie anzuerkennen, auch nach der Abwahl der offen mit Krieg drohenden konservativen US-Regierung im Wesentlichen konstant geblieben. Wie die DGAP schreibt, habe US-Präsident Barack Obama zu Beginn seiner Amtszeit zwar „überwiegend konstruktive Signale an Teheran“ gesandt. Diese seien allerdings weiterhin Teil einer Doppelstrategie aus Anreizen zur Kooperation und Druck gewesen – und zudem „weitgehend deklaratorischer und symbolischer Natur“ geblieben.

Obama habe es insbesondere vermieden, „die vollständige oder teilweise Aufhebung oder Aussetzung amerikanischer Sanktionen“ in Aussicht zu stellen – ein Schritt, der „möglicherweise ein glaubwürdigeres Entgegenkommen Washingtons signalisiert hätte“. Schon vor der jüngsten Eskalation der Spannungen habe die US-Regierung ihre Sanktionen gegen Iran erweitert und zudem die bereits während der Amtszeit von George W. Bush errichtete „militärische Drohkulisse im Nahen und Mittleren Osten weiter ausgebaut“.[4] Demnach ist die jüngste Debatte über mögliche Gewaltoperationen gegen Iran nur die konsequente Weiterführung der bisher betriebenen Politik.

Vergeltungsschläge

Berlin ist in Sachen Iran nach wie vor gespalten. Transatlantisch orientierte Kräfte bereiten die Öffentlichkeit auf mögliche Militärschläge vor. So heißt es etwa in einem Beitrag in der Zeitschrift Internationale Politik, sollte Iran in den Besitz von Atombomben gelangen, müsse man eine Politik der Abschreckung wie im Kalten Krieg einleiten, um Teheran von offensiven Schritten abzuhalten. Allerdings beinhalte das Konzept der Abschreckung, angewandt auf Nah- und Mittelost, besonders hohe Eskalationsrisiken. Der Westen, auch Deutschland, müsse „sich dann ernsthaft mit dem Gedanken befassen“, mit atomaren „Vergeltungsschlägen gegen Bevölkerungszentren“ in Mittelost zu drohen. Das scheine jedoch „für westliche Staatschefs (…) derzeit politisch weder möglich noch überhaupt denkbar“. Der Westen stehe nun vor der Entscheidung, „sich entweder solch harten und unangenehmen Fragen einer äußerst risikoreichen und kostspieligen Abschreckungsstrategie zu stellen“ – oder aber das iranische Atomprogramm per „Einsatz militärischer Gewalt zu verzögern“. Die Zeit dränge jedoch, hieß es schon im September: „Bald könnte diese zweite Option nicht mehr zur Verfügung stehen.“[5]

Öffnung und Umgestaltung

Teile des Berliner Establishments widersetzen sich der Forderung nach Militärschlägen bereits seit Jahren. Hintergrund sind Konzepte, die auf eine stärkere globale Rolle der EU setzen – und zwar in Abgrenzung zu den Vereinigten Staaten. Dabei spielen Überlegungen eine Rolle, Berlin könne auf diese Weise mehr Einfluss in den mittelöstlichen Ressourcengebieten erlangen als in zweiter Reihe hinter einem militärisch dominanten Washington (german-foreign-policy.com berichtete [6]). So ist jetzt bei der DGAP zu lesen, es müsse – unter Aufrechterhaltung eines glaubwürdigen militärischen Abschreckungspotenzials – eine ernst gemeinte Entspannungspolitik eingeleitet werden. Dies habe gute Chancen, denn „Teile der politischen Elite Irans“ könnten sich eine „Zusammenarbeit mit den USA vorstellen“. Langfristig zielt auch dieses Konzept darauf ab, die westliche Hegemonie in den mittelöstlichen Ressourcengebieten ohne Abstriche durchzusetzen.

Über diese Perspektive, für die allerdings größere Zeiträume veranschlagt werden müssten, heißt es: „Von Beginn der westlichen Entspannungspolitik 1969 gegenüber der Sowjetunion bis zur ‘Politik der Öffnung und Umgestaltung’ unter Michael Gorbatschow vergingen immerhin 16 Jahre. Die bekannten Resultate dieser langfristig angelegten Strategie aus Eindämmung und Entspannung waren jedoch das Warten wert.“[7]

Wahrscheinlichkeiten

Zwar ist die Entscheidung, ob der Westen Iran bombardieren wird, wohl noch nicht gefallen. Vor allem US-Militärs widersetzen sich einem neuen Krieg in Mittelost, der auf lange Sicht Truppen binden und so die kürzlich offiziell eingeleitete Konzentration der US-Streitkräfte auf zukünftige Auseinandersetzungen mit der Volksrepublik China [8] erheblich behindern würde. Allerdings ist die jüngste Entwicklung im Nahen Osten geeignet, den Befürwortern brutaler Gewaltoperationen Auftrieb zu verleihen. Beobachter weisen darauf hin, dass Iran gegenwärtig massiv Einfluss in den arabischen Ländern verliert. Allgemein wachse – vor allem bei sunnitisch-islamistischen Kräften – der Einfluss der Türkei zuungunsten des schiitischen Iran; im Besonderen habe Teheran zuletzt mit dem in einen Bürgerkrieg abgleitenden syrischen Regime seinen zentralen staatlichen Verbündeten in der arabischen Welt faktisch verloren.[9] Seine Isolation nehme deshalb zur Zeit ebenso zu wie die Wahrscheinlichkeit, dass der Westen diese Schwäche für kriegerische Schläge nutze.

Mit seiner Forderung, zunächst die Sanktionen zu verschärfen, hält sich Berlin noch alle Optionen offen. Eine Militärintervention wird jedoch durch die umfassende Aufrüstung der mittelöstlichen Rivalen Irans begünstigt, an der sich Deutschland in erheblichem Umfang beteiligt

[1] Berlin für „deutliche Verschärfung“ der Iran-Sanktionen; Frankfurter Allgemeine Zeitung 23.11.2011
[2] Simon Koschut: Engagement ohne Illusionen? Die Iran-Politik der USA unter Barack H. Obama, DGAPanalyse No. 3, Oktober 2011
[3] s. dazu Hegemonialkampf am Golf
[4] Simon Koschut: Engagement ohne Illusionen? Die Iran-Politik der USA unter Barack H. Obama, DGAPanalyse No. 3, Oktober 2011
[5] Thomas Rid: Abschreckung zwecklos? Was ist, wenn der Iran die Bombe hat: Skizze einer überfälligen Debatte, Internationale Politik September/Oktober 2011
[6] s. dazu Die traditionelle Rolle, Die persische Pipeline und Potenzial zum Partner
[7] Simon Koschut: Engagement ohne Illusionen? Die Iran-Politik der USA unter Barack H. Obama, DGAPanalyse No. 3, Oktober 2011
[8] s. dazu Das pazifische Jahrhundert
[9] Rainer Hermann: Iranische Krisen; Frankfurter Allgemeine Zeitung 31.10.2011