Kriegs-Eintritte leicht gemacht.
Reichstag: Kriegseintritte ohne das Parlament zu befragen. Ganz leicht durch die Blaupause: -Permanenter Bündnisfall - jetzt in Mali. Ziele und Interessen sind kein öffentliches Thema
Seit geraumer Zeit gibt es Probleme im afrikanischen Mali mit sogenannten “radikalen Islamisten”. Auch die Nachbarstaaten, sogar eine ganze Region der unzugänglichen Wüstenregion der Größe Europas, sei Rückzugsgebiet solcher potenzieller Terroristen. Diese haben sich zusammengerottet, um Städte und Landstriche und den ganze Norden Malis unter ihre Kontrolle zu bekommen. Gerüchteweise wurde über die Medien verbreitet, “Al-Qaida” stecke dahinter. Harte Fakten blieben aus, weitere Informationen hatte man nicht verbreitet. Es gab weder konkrete Zahlen, noch Bilder, noch eine Beschreibung der verdächtigten Gruppierungen oder deren Führer oder ihre Ziele.
Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon riet zur Militärintervention – Al-Qaida warne die “fremden Kreuzritter” dagegen vor einem Einschreiten, berichtete der Spiegel. (1) Das Nomadenvolk der Tuareg, das grenzüberschreitend in Algerien, Mali und in der Sahel-Zone lebt, habe sich mit den Islamisten verbündet. Der Wüstenstaat würde immer mehr zum Anlaufpunkt für ausländische Dschihadisten und Qaida-Kämpfer, soll der BND der Regierung vertraulich berichtet haben. Diese würden sich in Mali an die Seite von Islamisten stellen. (2)
Nun haben weder Mali, noch die “dschihadistischen Islamisten” oder die Tuareg Deutschland den Krieg erklärt. Für Deutschland existiert in Mali faktisch kein “Verteidigungsfall”. Auch nicht im Rahmen einer “Bündnisverpflichtung”, denn ein Nato-Eingreifen in Mali wurde nicht offiziell beschlossen. So wie es sich darstellt, ist die französische Armee im Alleingang in Mali einmarschiert. Die ehemalige Kolonialmacht setzt nun auf Europäische und internationale Solidarität, und darauf, dass die europäischen Nachbarländer sich vor der Weltöffentlichkeit nicht blamieren wollen und militärische Unterstützung leisten. Doch kann ein solcher Militärschlag ohne den Willen und die Zustimmung der USA stattfinden?
Permanenter Bündnisfall durch den 11.September?
Im Grunde legitimiert sich Deutschland bei seinem militärischen Eingreifen (samt den Nato-Mitgliedsländern) durch einen “permanenten Bündnisfall”. Auf eine Konstruktion, die wackeliger und dürftiger kaum sein könnte. Es scheint zu genügen, wenn irgendein befreundeter Staat gegen “Al-Qaida!” und “Islamisten!” zu Felde ziehen will, schon kann ohne Parlametszustimmung auf irgendeinem Kontinent geschossen, geflogen und bombardiert werden.
Thomas Wiegold schreibt auf seiner Plattform “Augen Geradeaus”über die Bundeswehr. Im Artikel “Der Bündnisfall geht weiter” leitet er die Legitimation für militärisches Eingreifen auf die Antwort zum 11. September, der kollektiven Verteidigung nach NATO-Artikel 5 her. Er zitiert die Bundesregierung mit folgender Begründungsblaupause:
Der Angriff auf die USA im Sinne des Artikels 51 der Satzung der Vereinten Nationen, aus dem die gemeinsame Reaktion der NATO resultierte, war mit den Anschlägen des 11. September 2001 nicht abgeschlossen, sondern wurde fortgesetzt, hat auch in weiteren Anschlägen und Anschlagsversuchen seinen Ausdruck gefunden und dauert bis heute an.
Die Bundesregierung verbindet die Gegenwehr gegen diesen Angriff zugleich, wie schon aus einem Schreiben (3) von Außenminister Guido Westerwelle und Verteidigungsminister Thomas de Maizière im November hervorging, mit den Entwicklungen nach dem arabischen Frühling:
Die Umbrüche in der arabischen Welt haben zu einer erhöhten Volatilität insbesondere unseres südlichen Sicherheitsumfelds geführt. In Nordafrika sind Aktivitäten terroristischer Gruppierungen festzustellen, insbesondere der Al-Qaida im Maghreb (AQM). Es besteht weiter die Gefahr, dass Al-Qaida-Ableger oder lokale, AQM-affine Gruppen unkontrollierte Gebiete als Rückzugsräume nutzen.
Die Krise in Syrien hat mittlerweile eine regionale Dimension angenommen. Terroranschläge sind inzwischen Bestandteil der bewaffneten Auseinandersetzung. Auch Jabhat al Nusra, eine von Al-Qaida anerkannte Terrorgruppierung, profitiert zunehmend von der unübersichtlichen Lage.
Die Operation Active Endeavour leistet einen Beitrag dazu, unser Lagebild zu verdichten. Sie entfaltet durch ihre abschreckende Funktion eine präventive Wirkung.
Verfassung ausser Kraft?
Der Einsatz in Mali wirft aufs Neue viele Fragen auf. Können wir unsere Verfassung, die uns ausdrücklich jeglichen Krieg untersagt -außer zur Selbstverteidigung- durch einfache Entscheidungen der Regierung außer Kraft setzen? Braucht das deutsche Parlament nicht mehr zuzustimmen, wenn Deutschland in Kriegshandlungen eintritt?
Souveränitätsvertrag ohne Bedeutung?
Da wir uns, was den aktuellen Kriegseintritt weder in Übereinstimmung mit unserer Verfassung befinden, noch mit der Charta der Vereinten Nationen, muss man fragen: Ist das Friedensgebot im Artikel 2 des “Zwei-Plus-Vier-Vertrages”, der die deutsche Souveränität nach dem 2.Weltkrieg wiederherstellte, nur Makulatur?
Definintion: Krieg ist ein organisierter und unter Einsatz erheblicher Mittel mit Waffen und Gewalt ausgetragener Konflikt, an dem mehrere planmäßig vorgehende Kollektive beteiligt sind. Ziel der beteiligten Kollektive ist es, ihre Interessen durchzusetzen. (4)
Alles vorbeugende Bündnisfälle?
Können wir behaupten, unser Parlament hätte über die möglichen Interessen oder eine Zielrichtung eines Krieges in Mali gesprochen, es hätte eine öffentliche Diskussion stattgefunden und demnach sei eine souveräne, transparente Entscheidung getroffen worden? Sicher nicht. Im Moment befinden wir uns per Definitionem in einem “permanenten vorbeugenden Bündnisfall”, in einem Dauerzustand, einem Ausnahmezustand, basierend auf einer “US-Kriegserklärung gegen Unbekannt” nach dem 11.September 2001, ausgerufen durch die “Bush-Administration”.
Kriegseintritt – SPD: “Größere Flexibilität zeigen”
Die deutsche Bundesregierung -samt der Opposition- scheint sich kaum ernsthaft mit der Begründung und Legitimation von Kriegseintritten zu befassen. Es wollen offenbar plötzlich alle Befreier und Helden sein. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Sonntasausgabe vom 20.01.2013) “Mehr Einsatz für Mali” wird unter anderem der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold zitiert: Deutschland müsse bei dem Einsatz eine größere Flexibilität zeigen. „Das kann bedeuten, dass die Bundeswehr in Mali auch andere Flughäfen als Bamako anfliegt, auch militärisches Gerät transportiert und dass wir im Sanitätswesen helfen, wo wir besonders gute Fähigkeiten haben“, so der SPD-Abgeordnete.
Da kaum eine Reaktion seitens der Öffentlichkeit kommt, kann die Regierung samt der Opposition nach Gutdünken “einfach so” agieren. Was braucht es da Parlamente und demokratische Spielregeln. Es scheint zu genügen, wenn irgendwelche Begründungen konstruiert werden, damit demokratische und rechtsstaatliche Vorgehensweisen ausgehebelt werden können. Selbst bei einem Kriegseintritt!
Über die wirklichen Ziele in Mali darf spekuliert werden:
“Krieg um unberührte Ressourcen”
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Quellen – weiterführende Links
(1) Spiegel online: Islamisten erobern eine weitere Stadt in Mali
(2) Spiegel online: Informationen des BND
(3) Der NATO-Bündnisfall – jetzt wegen des arabischen Frühlings?
(4) Definition“Krieg” aus wikipedia.org
(5) Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Sonntagsausgabe vom 20.01.2013) “Mehr Einsatz für Mali”, Print-Ausgabe
Foto: “Reichstag” by Ich-und-Du, http://www.pixelio.de
Video: “Mali – Krieg um unberührte Ressourcen”, youtube.com – Uplaoder: coop Berlin