Kreta 2019 – Vorbereitung: Von Villen mit Pool, Flugscham und dem langweiligsten Ferienort der Welt

Morgen startet der alljährliche Familienurlaub. Um eins gleich vorwegzunehmen: Im Gegensatz zum letzten Jahr geht es diesmal nicht nach Föhr, wenngleich der (fast) tägliche Genuss köstlicher Campingwecken eine ziemlich starke Anziehungskraft ausübt. Allerdings ist Föhr nicht sonderlich groß und im letzten Jahr habe ich festgestellt, dass doch die ein oder andere Urlauberin*, meine täglichen Berichte über das Brötchenholen, die Trainingseinheiten mit Beach Body oder das Leben in der Strandkorb-Siedlung lasen. Einerseits schmeichelt das selbstverständlich meinem Autoren-Ego, andererseits kann es im ungünstigen Fall aber dazu führen, dass eine wildfremde Person am Strandkorb auftaucht und sagt: „Ich wollte nur mal schauen, wie sie in echt aussehen.“ Im noch ungünstigeren Fall erscheint eine Person, über die ich am Vortag geschrieben habe, und haut mir eine rein. Beides eher unschöne Szenarien, die es zu vermeiden gilt. Es musste als ein etwas weiter entfernter Urlaubsort sein – vorzugsweise außerhalb Deutschlands –, der mehr Anonymität verspricht.

(*Im Folgenden verwende ich ausschließlich die weibliche Form, Männer und andere Geschlechter sind aber mitgemeint. Außer ich vergesse es und benutze die männliche Form. Dann sind Frauen und andere Geschlechter mitgemeint.)

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Föhrwell! #schoenefoehrien #werbungdaortsnennung #nomoneynocry

Ein Beitrag geteilt von Familienbetrieb (@betriebsfamilie) am Aug 12, 2018 um 1:08 PDT

Während die Frau und ich uns noch im Entscheidungsfindungsprozess bezüglich eines geeigneten Urlaubsziels befanden, trugen die Tochter und der Sohn den Wunsch an uns heran, sie hätten gerne mal ein Ferienhaus mit Pool. Meine Antwort, ich hätte gerne eine Million Dollar, aber das wäre genauso unrealistisch, wurde mit einem Augenrollen der Kinder quittiert. Wenn du noch kein eigenes Geld verdienst, scheint die Höhe der Miete kein sonderlich wichtiges Kriterium bei der Auswahl des Feriendomizils zu sein. Der Chill-Faktor und eine Instagram-taugliche Hintergrundkulisse dafür umso mehr.

Mein Vorschlag, wir könnten doch einfach ein Planschbecken auf unseren Balkon stellen und Staycation in Berlin machen, stieß bei den Kindern auf wenig Begeisterung. Auch die Frau reagierte eher sparsam und erstickte mein Staycation-Gedankenspiel im Keim, indem sie die linke Augenbraue hob.

Stattdessen recherchierte sie intensiv im Internet nach Unterkünften mit Pool. Dazu müssen sie wissen, dass unsere Ehe durch strenge Arbeitsteilung gekennzeichnet ist. (Die Frau macht beispielsweise die Wäsche, ich das Geschirr und es ist uns strengstens untersagt, uns in ein fremdes Aufgabengebiet einzumischen.) Dieses Prinzip gilt auch für die Urlaubsvorbereitung. Zur Aufgabe der Frau gehört unter anderem die Suche nach möglichen Domizilen und sie hat dafür ein richtig gutes Händchen. Das muss ich hier mal lobend erwähnen. Mir obliegt es dagegen, finanzielle Einwände gegen ihre Auswahl vorzubringen, wofür ich ebenfalls ein gutes Händchen habe. Allerdings hat sich die Frau dazu noch nie anerkennend geäußert.

Die Aufgabe der Kinder besteht wiederum darin, Partei für ihre Mutter zu ergreifen, wodurch ich überstimmt werde und obendrein wie ein pfennigfuchsender Geizkragen dastehe. Meine Hinweise, ein zu teurer Urlaub führe zu Altersarmut und lasse das Erbe der Kinder schrumpfen, interessiert hier niemanden. Mich eigentlich auch nicht, denn da das Erbe der Kinder erst mit meinem Ableben eintritt, ist es mir vollkommen wumpe, wie hoch es ausfallen wird. Außerdem muss ich noch 20 bis 25 Jahre arbeiten. Da ist es nicht ausgeschlossen, dass ich bis zu meinem Renteneintritt noch einen siebenstelligen Lottogewinn einstreiche, was mir einen Lebensabend frei von finanziellen Sorgen ermöglichen wird. Und ich kann mir eine altersgerechte, barrierefreie Villa in der Toskana kaufen, was mir einen Lebensabend frei von kulinarischen Sorgen ermöglichen wird.

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Was das Urlaubsland angeht, einigten die Frau und ich uns sehr schnell auf Griechenland. Dort hatten wir in der Vergangenheit bereits sehr gute Urlaubserfahrungen gemacht.

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Urlaubsblog is coming. #kreta2019

Ein Beitrag geteilt von Familienbetrieb (@betriebsfamilie) am Jul 12, 2019 um 8:35 PDT

Das Wetter ist garantiert gut, die Badetemperaturen sind angenehm, das Essen lecker und die Menschen freundlich. (Letzteres ist für jemanden, der in Berlin lebt und täglich mit Unhöflichkeiten konfrontiert ist, die als Berliner Schnauze beschönigt werden, besonders angenehm.) Vor allem aber war es das einzige Land, in dem die Frau Ferienhäuser mit Pool fand, die wir uns leisten können, ohne verzichtbare Organe verkaufen, diverse Körperflüssigkeiten spenden oder nackt putzen gehen zu müssen. (Letzteres ist für einen genanten Menschen, den nudistische Hobbys eher befremden, ebenfalls besonders angenehm.)

Neben den vielen kulinarischen, meteorologischen und finanziellen Vorzügen, die Griechenland zu bieten hat, gibt es allerdings einen gravierenden Nachteil: Wir müssen mit dem Flugzeug anreisen. Das ist zum einen unschön, weil die Frau und die Tochter Flugangst haben. (Der Sohn dagegen schaltet sobald er im Flugzeug sitzt, irgendein mobiles Endgerät an, auf dem er irgendetwas zockt, bis die Daumen schmerzen, und das er erst wieder ausmacht, wenn wir gelandet sind.)

Ich selbst fliege auch nicht sehr gerne. Sie können mir tausendmal die physikalischen Grundlagen des Fliegens erklären und mir irgendetwas von Auftrieb, Anstellwinkel und Tragflächengeometrie erzählen, ich finde es trotzdem unbegreiflich, wie sich ein Flugzeug mit hunderten von Menschen an Bord und einem Gesamtgewicht von 60 bis 70 Tonnen in die Luft erheben und dort fortbewegen kann. (Genauso unbegreiflich ist mir übrigens die Funktionsweise des Fernsehers und wie dort auf Knopfdruck Personen auf dem Bildschirm erscheinen. Dabei kann ich aber gemütlich, Chips essend auf dem Sofa lümmeln und sitze nicht 12.000 Meter in der Höhe in einem unbequemen Sitz und werde bei jeder noch so kleinen Turbulenz an „Lost“ oder „Katastrophenflug 232“ erinnert.)

Fliegen ist aber nicht nur aufgrund des mulmigen Gefühls, das es beim Großteil der Familie verursacht, problematisch, sondern auch weil es wahrscheinlich die klimaschädlichste Art des Reisens ist. In Zeiten des nicht mehr zu leugnenden Klimawandels, der geradezu messianischen Verehrung für die Klimaschutzikone Greta Thunberg und von Friday-for-Future-Demonstrationen mit zehntausenden von Schülerinnen ist es äußerst unpopulär geworden, in den Urlaub zu fliegen. Sozial so geächtet wie das Ertränken von Hundewelpen, das Abschlachten von Robbenbabys oder Besuche im Swinger-Club.

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Du traust dich eigentlich kaum, öffentlich zuzugeben, den Flieger zu benutzen. In Schweden gibt es sogar ein eigenes Wort dafür: Flygskam, also Flugscham. Ich finde, das ist ein gutes Konzept, schädliches Verhalten mit einem eigenen Scham-Wort anzuprangern. Eine Andreas-Gabalier-Konzert-Scham oder eine AfD-Scham würde ich beispielsweise sehr begrüßen.

Um meine eigene Flugscham etwas zu lindern, recherchiere ich im Internet nach Seiten, wo der eigene CO2-Ausstoß kompensiert werden kann. Dort wird die Menge an CO2, die du verursachst, berechnet, und dafür spendest du einen entsprechenden Betrag an ein Klimaschutzprojekt. Damit wird zwar nicht die eigene CO2-Emission ungeschehen gemacht, aber wenigstens wird an anderer Stelle etwas Gutes für das Klima getan. Quasi ein moderner Ablasshandel.

Laut einer dieser Seiten sollen wir 65 Euro spenden, weil wir mit unserem Hin- und Rückflug mehr als 2.800 Kilo CO2 verursachen. Das sind mehr als 30 Prozent unseres jährlichen CO2-Ausstoßes, den wir maximal produzieren dürfen, damit das 2°C-Ziel erreicht werden kann. Fast ein Drittel in ungefähr sechs Stunden! Sofort habe ich ein noch schlechteres Gewissen. Das Prinzip CO2-Kompensation trägt bisher nicht wirklich dazu bei, meine Flugscham zu reduzieren.

Um mir meine CO2-Balance schönzureden, beruhige ich mich damit, dass ich ansonsten ein verhältnismäßig C02-armes Leben führe. Ich fliege im Schnitt nur alle zwei Jahre, ich besitze kein Auto, sondern fahre Rad und benutze den Berliner ÖPNV, mein Fleischkonsum ist moderat, und ich habe einen sehr stabilen Magen, so dass ich nach dem Genuss von Zwiebeln oder Hülsenfrüchten nicht überdurchschnittlich viel klimaschädliches Methan in die Luft puste. (Eine Information, die Sie sicherlich brennend interessiert.) Trotzdem erhöhe ich unseren Kompensationsbetrag vorsichtshalber auf 100 Euro. Schließlich weiß ich ja nicht, wie gut ich das griechische Essen vertrage!

CO2-Kompensation: Ablasshandel gegen die Flugscham

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Diesmal führt uns der Griechenlandurlaub nicht nach Psakoudia wie vor ein paar Jahren, sondern nach Kreta und zwar in den Ort Bali. Die Betonung von Bali liegt auf dem i, wodurch es phonetisch von der indonesischen Insel Bali, bei der das a betont wird, unterschieden werden kann. Trotzdem soll es schon Touristinnen gegeben haben, die im Internet eine Unterkunft für Bali gebucht haben und bei der Ankunft auf Kreta festgestellt haben, dass ihr Urlaubsdomozil ungefähr 10.000 Kilometer weiter östlich liegt. Eine Entfernung, bei der tägliches Pendeln zum Mittelmeer-Strand eher herausfordernd ist. An dieser Stelle möchte ich mich aber nicht über irgendwelche vertrottelten Urlaubsreisende mit mangelhaften Geographie-Kenntnissen lustig machen. Das mache ich erst, wenn ich am Samstag wirklich den Schlüssel zu unserer kretischen Pool-Villa in den Händen halte und mir nicht mitgeteilt wird, dass wir ins falsche Land gereist sind, weil ich tatsächlich eine vergammelte Strandhütte auf dem indonesischen Bali gemietet habe.

Das Bali mit dem langgezogenen i liegt an der Nordküste Kretas zwischen Rethimnon und Heraklion. Kreta-Kennerinnen wird das etwas sagen, mir aber nichts. Aber das kann sich in den nächsten zwei Wochen ja noch ändern.

Berlin – Bali: Ein kleiner Fußmarsch von 462 Stunden

Unser Ferienhaus liegt als eine von drei Villen in den Bergen etwas außerhalb von Bali und bietet einen malerischen Ausblick aufs Meer. Zumindest wenn den gephotoshoppten und durch mehrere Filter gejagten Bildern auf der Website des Vermieters Glauben geschenkt werden kann. Was die Unterkunft besonders attraktiv macht: Jede der drei Villen hat einen eigenen Pool, der nicht mit anderen Gästen geteilt werden muss. Ein Traum! Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe nicht prinzipiell etwas gegen andere Menschen, aber ich möchte nicht mit ihnen reden. Und schon gar nicht mit ihnen in einem Pool schwimmen.

Die Entfernung von unserem Ferienhaus zum Meer beträgt ungefähr zweieinhalb bis drei Kilometer. Die Frau und ich betrachten das als fußläufige Distanz. Somit haben wir beschlossen, auf einen Mietwagen zu verzichten. Das entlastet die Urlaubskasse (Stichwort Miete für eine Villa mit Pool), schont das Klima (Stichwort Flugscham) und ein wenig körperliche Ertüchtigung schadet auch nicht (Stichwort Strandfigur). Die Kinder sehen das wahrscheinlich etwas anders. Deswegen werden wir ihnen die Information, dass wir kein Mietauto haben, bis zu unserer Ankunft auf Kreta vorenthalten.

Bali selbst wird im Internet als beliebter Urlaubsort für Familien angepriesen. Es gibt drei Strände – einer ist flach und eignet sich besonders gut für kleine Kinder, ein anderer ist wegen der starken Brandung bei Wassersportlerinnen sehr beliebt und der dritte wird aufgrund des klaren Wassers von Taucherinnen geschätzt –, die Nächte sollen sehr ruhig sein und die Wikipedia-Seite zu Bali weist ganze zwei Sehenswürdigkeiten auf: Den alten Ortskern rund um den Hafen sowie ein altertümliches Kloster, das ungefähr einen Kilometer außerhalb von Bali auf einem Hügel gelegen ist. Der ganze Artikel ist ohnehin nur 295 Wörter lang. Mehr hat Bali anscheinend nicht zu bieten.

Alles in allem ist Bali wohl einer der langweiligsten und ödesten Urlaubsorte der Welt. Herrlich! Ich freue mich darauf.

Gute Nacht!

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