Das Vienna Vegetable Orchestra vor seinen Instrumenten (c) Luka
Wer das nicht glaubt, der mache sich auf den Weg zu einem Konzert des „Vienna vegetable Orchestra“. Zu Deutsch, dem Wiener Gemüseorchester. Wie das auch am 26. September in Straßburg, im Rahmen des Festival Musica, viele taten. Vor ausverkauftem Haus gastierte das österreichische Ensemble mit seinem verwunderlichen Instrumentarium. 1998 gegründet, tourt die 14köpfige Formation mit ihren Gemüsesteigen durch die Welt. Genauer gesagt bleiben die Steigen in Wien zuhause, denn das Gemüse, mit dem musiziert wird, muss, wie bei einem bekömmlichen Gericht, immer frisch sein. Und so wird eingekauft vor Ort, dort, wo eben gespielt wird. Karotten und Auberginen, Kürbisse und Kraut, Paprika und Rettiche. Mit geschickter Hand ausgehöhlt und zusammengesteckt, Löcher gebohrt und zurecht geschnitten, mutieren die Pflanzen zu urtümlichen Musikinstrumenten.
Auf und mit ihnen wird gequietscht, gepfiffen, gegurgelt, gezirpt, geflötet, getrommelt, gebellt, getrötet, gegluckst, geblubbert und gerasselt, was das Gemüse hält. Und schon beim ersten Stück hat man den Eindruck, sich in einem lebendigen Gemüsegarten voller Gurkentrolle und Karottenelfen zu befinden. Eine faszinierende Welt aus unbekannten Tönen, elektronisch verstärkt, eröffnet sich dem Publikum schon in den ersten Sekunden. Schlagartig wird klar: Musik verbirgt sich in allem, was im Garten wächst.
Wer die Idee zu diesem Orchester hatte lässt sich nicht mehr genau nachvollziehen. Vielmehr verweist das Künstlerkollektiv auf seiner Homepage darauf, dass alle Aktiven an den künstlerischen Prozessen gleichermaßen beteiligt sind und aus unterschiedlichen beruflichen Disziplinen kommen – vom bildenden Künstler bis zum Philosophen und weit darüber hinaus spannt sich dieser Bogen. Eine klassische Musikausbildung hat niemand aus der Truppe. Umso erstaunlicher ist die Ernsthaftigkeit, mit der performt wird und das Ergebnis daraus.
Das Gurkophon (c) Anna Stöcher
Zum größten Teil lebt dieser Abend von seinen rhythmischen Sensationen, gefolgt von den überraschenden Tönen, die man Karotten oder Rettichen entlocken kann. Dass große Kürbisse sich als Trommeln eignen, verwundert nicht wirklich. Dass man jedoch aus einer Karotte, einer Gurke und einer Paprika eine Flöte bauen kann, die klanglich jedem Dudelsack Stand hält, schon viel mehr.
„Am Beginn unserer Zusammenarbeit stand die Idee, bekannte Melodien mit den Gemüseinstrumenten nachzuspielen wie z.B. den Radetzkymarsch“ erklärt Susanna Gartmayer stellvertretend für ihre Kolleginnen und Kollegen noch ganz außer Atem nach dem Konzert. „Damit bespielten wir auch unsere erste CD. Auf der zweiten haben wir ausprobiert, was man alles mit der Elektronik machen kann und jetzt, bei der dritten, ist neben Eigenkompositionen auch ein Werk der Gruppe Kraftwerk vertreten, das wir neu interpretieren“. “Onionoise”, so der Titel der vor wenigen Tagen erschienen CD macht klar, worum des dem Vegetable Orchestra geht. Es sind die klanglichen Sensationen, die sich mit diesen ungewöhnlichen Instrumenten erzeugen lassen.
„Die Leute sind, egal, wo wir auf der Welt spielen, überall gleich neugierig. Sie kommen und wollen sehen, wie das funktioniert, auf Gemüse zu spielen. Wenn sie dann im Konzert sitzen entdecken sie eine Welt voll neuer Klänge“. Auf meine Frage, ob die Gruppe sich dadurch auch als Vermittler versteht, der Ohren für neue Musik öffnet, kommt sofort die Antwort: „Ja, klar. Und wenn uns das gelingt, dann freuen wir uns natürlich sehr, denn das ist eines unserer Ziele“.
Regen und Wind, ein Sausen und ein Rauschen, vorbei ziehende Schiffe und das kurze Aufklingen von Folgetonhörnern – auch diese Klänge sind dem Gemüse zu entlocken. Die Erklärung, dass Strawinski ebenfalls für ein Werk Pate stand, rief bei den Zuhörerinnen und Zuhörern ungläubiges Staunen hervor. Als kurz nach dieser Ankündigung aus dem „Sacre du Printemps“ das „Massacre du Printemps“ wurde, bei dem die Gurken- und Karottenschnipsel nur so über die Bühne flogen, erklärte sich der Wortwitz von selbst. Dass dahinter eine gehörige Portion Musikalität, Entdeckerfreude und auch Ingenieursgeist steht ist klar. Das Publikum macht sich darüber weniger Gedanken – Hauptsache, die Gemüsesuppe schmeckt, die vor dem Nachhausegehen noch gereicht wird.
CD-Tipp:
Onionoise, The vegetable orchestra.
Gelabelt unter: transacoustic research/monkey
Erhältlich unter: www.vegetableorchestra.org