Kraut des Grauens

Wer an dem ganzen Übel schuld ist, wird man wohl nie erfahren.

Vielleicht war es ein gelangweilter Koch, der ein wenig anders sein wollte als alle anderen und darum durch die Natur streifte, um etwas zu finden, was seinen einfallslosen Gerichten eine aparte Note verleihen könne.

Vielleicht war es eine verzweifelte Gärtnerin, der jedes nur erdenkliche Mittel recht war, um das stinkende Unkraut, das sich immer im Frühjahr in ihrem Garten breit macht, wenigstens zu verwerten. 

Vielleicht war es ein umweltbewusster Ernährungswissenschaftler, der erforschen wollte, ob es unter den einheimischen Gewächsen etwas gäbe, was dem vom Winter ermüdeten Menschen neue Energie verleihen könne, damit man in Zukunft nicht mehr so viele Südfrüchte einführen müsse. 

Vielleicht war es eine geschichtsbegeisterte Rezeptautorin, die im Antiquariat auf eine Rezeptsammlung aus früheren Zeiten stiess und glaubte, sie müsse aus der Mottenkiste holen, was die Menschheit zu Recht vergessen hat. 

Vielleicht war es auch die Lebensmittelindustrie, die erkannte, dass sich langweilige Produkte sehr viel teurer verkaufen lassen, wenn man ihnen eine im Überfluss vorhandene, billige Zutat beigibt und das Zeug mit dem Aufdruck „Special Edition“ in die Läden bringt.

Vielleicht war es ganz anders. Vielleicht haben sich auch all die oben genannten aus purer Bösartigkeit gegen uns verschworen. So genau wird man das im Nachhinein nicht mehr herausfinden können. Klar ist jedoch, dass jene, die auf die Idee gekommen sind, unglaublich erfolgreich waren. Darum bekommt man das Zeug jetzt überall vorgesetzt, Frühling für Frühling. Ungefragt.

Sie ruinieren damit jede Speise auf der Menükarte. Kein Öl, keine Kräuterbutter, kein Risotto, kein Nudelgericht bleibt verschont. Sie reden den Küchenchefs ein, es sei eine gute Idee, den Leuten nicht nur die Blätter, sondern auch die Knospen vorzusetzen – gebraten, gedünstet oder in Öl eingelegt. „Die Alternative zu Kapern“, jubeln sie dann. Als ob Kapern nicht schon schlimm genug wären. Sie karren das Kraut abgepackt in die Supermärkte. Dabei könntest du es gratis an jeder Strassenecke selber pflücken, so du dir das denn antun wolltest. Und falls du es irgendwie schaffst, all dem zu entkommen, schenkt dir garantiert jemand ein streng riechendes Pesto – selbstgemacht, aus dem eigenen Garten und natürlich bio.

Damit du nicht etwa auf die Idee kommst, das Kraut ohne schlechtes Gewissen zu verschmähen, werden Jahr für Jahr die Gesundheitsapostel ausgesandt, um die frohe Botschaft des eisenhaltigen, appetitanregenden, gallentreibenden, cholesterinsenkenden, gefässerweiternden Vitamin-C-Wunders  zu verkünden. Ungläubige, die dieses Evangelium mit einem schulterzuckenden „Mag ich nicht“ von sich weisen, dürfen sich auf ausufernde Predigten freuen: So gesund! So natürlich! So günstig! Und danach hast du nicht mal Mundgeruch! Dir droht ein früher Tod, wenn du deinem Leib diesen Segen verwehrst! 

Nun, natürlich übertreiben es die Gesundheitsapostel mit dieser Drohung ganz gewaltig. Und doch liegen sie nicht gänzlich daneben. Dir wird es tatsächlich übel ergehen, wenn du deine Abscheu nicht hin und wieder überwindest. Denn im Frühling hast du an vielen Orten nur zwei Auswahlmöglichkeiten: Bärlauch essen oder hungrig bleiben? 

Und dann wählst du halt doch lieber den Bärlauch.

Kraut des Grauens

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