Ja, ja, die Liebe…wer glaubt, eine dramatische Liebesbeziehung zu haben, wird nach der Lektüre von Irene Zimmermanns neuem Buch eventuell entspannt aufatmen: in “Kranzgeld” erzählt die Autorin eine Liebesgeschichte, die bereits auf den ersten Seiten zu Ende scheint – verrate ich an dieser Stelle, weil der geneigte Leser ahnt, dass sowas in den meisten Fällen dramaturgisch eher selten vorkommt und es hier hoffentlich auch so ist. Trotzdem: es bleibt bedrückend, packend, oft rätselhaft.
Das wiederum passt ja zur mythenschwangeren Region Oberschwaben, wo der Roman “Kranzgeld” im 19. Jahrhundert spielt: Marie, eine Magd vom Gsellhuberhof, flieht verzweifelt, weil sie vom Jungbauern ein Kind erwartet und der in Kürze eine andere heiraten soll.
Während Hochzeiten aus monetären Gründen nach wie vor beliebt sind, sind uneheliche Schwangerschaften heute Gott sei Dank immer weniger ein Grund, den Freitod zu wählen. Auch Marie überlebt, allerdings nur durch fremde Hilfe und lebt fortan beim kauzigen Sebastian und seiner Mutter in einer abgelegenen Hütte, während der Kindsvater längst den Hof übernommen hat und nicht nur unterm Schuldenberg ächzt, sondern auch in seiner Mitgift-Ehe mit der erbarmungswürdig naiven Fanny leidet.
Die Ereignisse im Dorf sind zudem dramatisch genug – die aufkommende sozialdemokratische Bewegung sorgt für Unruhe, Intrigen und Verfolgungen – und in dem damals quälend engen sozialen Korsett einer kleinen Gemeinschaft, leiden die beiden Liebenden an ihrer verzehrenden Sehnsucht…
“Kranzgeld” ist eine atemlos-spannende Liebesgeschichte weil gleichzeitig ein ungeschöntes Sittengemälde damaliger Zeit und so vielschichtig und kurvenreich, dass ich hier wirklich nicht zu viel verraten werden darf, um das Drama nicht zu stören, das bei allem Entsetzen durchaus Lesevergnügen bereitet.
Kranzgeld ist also nicht nur “Schmerzensgeld” für ein nicht eingehaltenes Eheversprechen und verlorene Jungfräulichkeit, sondern auch mehr als eine fatale Liebesgeschichte: ein eindringlicher, historischer Roman mit authentischen Figuren und überraschendem Unterhaltungspotential .
Irene Zimmermann “Kranzgeld”, 256 Seiten, kartoniert, 12 Euro 90, Silberburg-Verlag