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Auf der einen Seite verlangen die Krankenkassen Zusatzbeiträge von den Versicherten, auf der anderen Seite schliessen sie Rabattverträge mit Arzneimittelherstellern: sind das Fälle für die Kartellbehörden, insbesondere das Bundeskartellamt (BKartA)? Der Gesundheitsausschuss hat sich in einer öffentlichen Anhörung damit beschäftigt.
Dabei stellte sich zunächst einmal die Frage, ob die Krankenkassen als ”Unternehmen” im Sinne des Kartellrechts anzusehen sind, denn nur dann wäre das Kartellrecht anwendbar. Für den Bereich des europäischen Rechts und des Kartellverbots gemäß Art. 101 AEUV hat der Europäische Gerichtshof (EUGH) schon mehrfach Stellung bezogen. Im Fall AOK Bundesverband (Az. C-264/01 u.a.) entschied der Gerichtshof, dass die Tätigkeit von Einrichtungen wie den Krankenkassen nicht wirtschaftlicher Art ist. Ihre Tätigkeit sei nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet, sie seien daher keine Unternehmen.
Und deshalb bestreiten die Krankenkassen schon die Zuständigkeit des BKartA.
Doch nun öffnet möglicherweise eine Gesetzesänderung den Weg zur Anwendung des Kartellrechts: Bisher regelte § 69 SGB V das Verhältnis der gesetzlichen Krankenversicherung zum Kartellecht so, dass nur eine Missbrauchskontrolle möglich war. Die Rabattverträge wurden durch das Vergaberecht kontrolliert. Denn die zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern, also den Arzneimittelherstellern, ausgehandelten Rabattverträge unterlagen als öffentliche Aufträge dem Vergaberecht, nach § 130a Abs. 8 SGB V waren das Bundesversicherungsamt und die Sozialgerichte zur Kontrolle aufgerufen.
Aber nun wird durch das Gesetz zur Neuordnung des Arzeimittelmarktes (AMNOG) und den dortigen § 69 Abs. 2 S. 1 SGB V das Kartellverbot im Verhältnis zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern, also auch den Arzneimittelherstellern, für anwendbar erklärt. Und es wird die Sonderzuweisung zu den Sozialgerichten aufgehoben und die allgemeinen Zivilgerichte für zuständig erklärt.
Nimmt man einmal den Schutzzweck des Kartellrechts, nämlich den Schutz vor unzulässiger Preisabsprache und vor Benachteiligung von Marktteilnehmern, dann müsste man eigentlich diese Veränderung begrüssen. Doch von den Krankenkassen wird diese geplante Unterwerfung unter das Kartellverbot trotz ihres öffentlich-rechtlichen Charakters scharf kritisiert. Dies schränke die Möglichkeit zum Abschluss von Rabattverträgen stark ein, und mit diesen sparten die Krankenkassen viel Geld, so ihr Hauptargument. Fraglich ist, ob dies allein gegen eine Anwendung des Kartellrechts sprechen kann, denn die Krankenkassen haben sicherlich noch andere zu beachtende Ziele, als diejenige, unter Missachtung (?) des Kartellrechts für sie möglichst günstige Rahmenbedingungen zu schaffen – sowohl im Bereich der Einnahmen, zB. in Form von Zusatzbeträgen, als auch im Bereich der Ausgaben für Arznei- oder andere Hilfs- und Heilmittel.
Es bleibt abzuwarten, ob die Politik dieser Kritik der Krankenkassen Rechnung trägt oder bei seinem bisherigen gesetzgeberischen Ansatz bleibt; dies würde im Ergebnis zu einer deutlich strengeren Kontrolle der Kassen führen, insbesondere, was den Abschluss von kartellrechtlich relevanten Verträgen oder die Absprachen zu Gunsten höherer Zusatzbeiträge betrifft.