Während andere Länder vor wirklich existenzbedrohenden Krisen stehen – so muss Japan nicht nur Erdbeben und Tsunamischäden verkraften, sondern auch noch einen atomaren Super-GAU, der alles bisher gewesene bei weitem übertrifft, in Griechenland, Portugal und Spanien stehen vor allem die jungen Leute vor dem Abgrund, in Tunesien, Ägypten, Syrien, Jemen und so weiter sowieso, verzweifelte Flüchtlinge aus Afrika verrecken lieber auf dem Mittelmeer, als in ihrer Heimat zu bleiben, in asiatischen Fabriken bringen sich die Arbeiter um, falls sie nicht an den elenden Arbeitsbedingungen sterben und so weiter und so fort. Deutschland hat aber Probleme ganz eigener Art. Wie ausgerechnet British American Tobacco bzw. deren „Stiftung für Zukunftsfragen“ herausgefunden hat belegt Deutschland im europäischen Vergleich beim Thema Kinderfreundlichkeit den letzten Rang.
Lediglich 21 Prozent der Bundesbürger sehen ihr Heimatland als kinderfreundlich an. Bekanntermaßen ist die Geburtenquote hierzulande mit 1,37 Kindern pro Frau sehr niedrig. Mal abgesehen davon, dass ich dieses Geschwafel von der demographischen Katastrophe für einen billige Ausrede der Politik halte, die nur dazu dient, ihr offensichtliches Versagen zu bemänteln, ist es doch ganz interessant, die Leute zu fragen, warum das so ist. Laut British American Tobacco nennt die Mehrheit der Bundesbürger drei wesentliche Gründe für die geringe Anzahl an Familiengründungen:
1. Der Wunsch nach Freiheit und Unabhängigkeit.
2. Die Sorgen vor den finanziellen Aufwendungen für den Nachwuchs.
3. Der persönlich höhere Stellenwert der eigenen Karriere
gegenüber der Familiengründung.
Für die Repräsentativbefragung der gemeinnützigen Stiftung für Zukunftsfragen wurden 1.000 Personen ab 14 Jahren
befragt.
“Viele Deutsche haben schlichtweg Angst vor der Familiengründung“, erklärt Professor Dr. Ulrich Reinhardt, der Wissenschaftliche Leiter der Stiftung. Es sei die „Angst, die eigene Autonomie zu verlieren, Angst vor den Kosten, Angst, die eigenen Karrierechancen zu verbauen, Angst vor Scheidung, dem falschen Zeitpunkt oder den Zukunftsperspektiven für den eigenen Nachwuchs“. Außerdem werden die fehlenden staatlichen und gesellschaftlichen Voraussetzungen für Familien bemängelt: Die Argumente reichen von fehlenden Kindergartenplätzen über familienunfreundliche Städte bis zum geringen gesellschaftlichen Stellenwert von Familien. Das finde ich besonders interessant, da es in Deutschland ja sogar ein Ministerium dafür gibt und insbesondere die Regierungsparteien ständig von Familie faseln.
Im Grunde finde ich es ermutigend, dass offenbar immer mehr Menschen erkennen, dass die sogenannte Reproduktionsarbeit, also Kinder kriegen und aufziehen, sich um den Haushalt kümmern und so weiter, nichts als eine besonders perfide Form der Ausbeutung ist, die sich insbesondere diejenigen, die sie bisher tun mussten, nicht mehr gefallen lassen wollen. Mit Mutterkreuz und ein paar staatlichen Almosen ist es nicht mehr getan. Jetzt kommt der nächste Schritt, nämlich zu erkennen, dass Lohnarbeit als „Selbstverwirklichung“ genauso fiese Ausbeutung ist wie alle anderen Formen der Ausbeutung. Immerhin wollen sich die Frauen nicht mehr doppelt ausbeuten lassen. Aber das ist längst nicht genug.