Körpertreffer

Erstellt am 26. Juni 2012 von Mapambulo
Ty Segall Band „Slaughterhouse“
(In The Red)
Schon wieder einer, der von zwei Seiten brennt, der anpackt, lostritt, an allen Fronten und zur gleichen Zeit: Ty Segall, gerade mal 25, aus San Francisco, verkörpert wie kaum ein anderer in der Branche eine kreative Ruhelosigkeit, die fast schon furchterregend ist. Die Liste der Bands, in und mit denen er seit Mitte der Nuller mit Gesang, Gitarre und auch mal Schlagzeug dem Affen unablässig Zucker gibt, ist lang – die Epsilons, Party Fowl, Traditional Fools, The Perverts, Sic Alps, solo im vergangenen Jahr das hochgelobte „Goodbye Bread“, dann kürzlich mit Tim Presley von White Fence das Album „Hair“ (Spex: „bekiffte Lockerheit mit gemütlichen Melodien“) rausgehauen, Referenzen also, dass die Schwarte kracht.
Genaugenommen ist die vorliegende Platte sogar ein Debüt, denn sie ist die erste, die er zusammen mit seiner Liveband, also Charlie Moothart, Emily Rose Epstein und Mikal Cronin, eingespielt hat. Der schon reichlich bemühte Vergleich mit den Stooges und ihrem “Fun House” ist sicher schlüssig, viel griffiger scheint aber das Motto, das über dem Album steht: “It's one thing to be heavy, and it's another thing to be hooky” (pitchfork). Denn das ist es, was den Reiz des erfreulich kompromißlosen Gebretters auf “Slaughterhouse” ausmacht – sie machen es einerseits nicht komplizierter als es sein muß, wuchtiges Gepolter, jedes Riff ein Körpertreffer, aber eben auch mit Sinn für den Schwung des Rock’n Roll.
Man hört Sachen wie “I Bought My Eyes”, “Tell Me What’s Inside” oder auch “Muscle Man”, das ist natürlich gnadenlos, hart und schnell, hat aber im Subtext immer eine Melodie mitschwingen, die Laune macht – selbst bei einem Hochgeschwindigkeitsstück wie “Mary Ann” kann man noch mitwippen, kein stumpfer Prollmetal also, sondern Garage mit Gefühl. Selbiges ist mal mehr, mal weniger ausgeprägt, es gibt durchaus auch Stücke, die diesen Swing vermissen lassen – im Titelstück zum Beispiel wird ein gepresstes Geschrei über einen sich ständig wiederholenden Schredderakkord gemischt, hier hat der Wahnsinn einen Namen. Auch “That’s The Bag I’m In” kommt als brachiales Noisegewitter daher – bei diesen Stücken bleibt vom “Evil Space Rock”, so nennt Segall seinen Sound, nurmehr das erste Wort in Erinnerung.
Überhaupt – man sieht sich den blondgelockten, freundlich lächelnden Surferboy Segall an und überlegt angestrengt, woher ein so sympathisches Kerlchen bloß diese hundsgemeine Mucke kramt. Am Schluß setzt er mit dem zehnminütigen “Fuzz War” sogar noch eins drauf – viel Geräusch, kein Wort, eine Feedbackorgie par excellence. Dann ist das zu Ende, viel Zeit, Luft zu schöpfen bleibt jedoch nicht, denn für dieses Jahr ist noch eine Veröffentlichung kolportiert – wann und mit wem, wer weiß? Dem Interview-Magazine sagte er vor einiger Zeit: “…
I think it's hard for me to only put out one record a year. Because I get too antsy. But it's good I'm learning to do that, because each record counts. And you should make it count.“ Machen wir, bestimmt. http://ty-segall.com/ (haha)
Hören und sehen? Bitte:
06.08. Berlin, Festsaal Kreuzberg