Die Games-Branche lebt durch Menschen, die ihre Leidenschaft für das Medium jeden Tag auf unterschiedlichste Weisen zum Einsatz bringen - ganz gleich ob Entwickler, Journalist, Dozenten oder Publisher. In unserer Interviewreihe „Köpfe der Spielebranche", haben wir es uns deshalb zur Aufgabe gemacht, euch die Vertreter der deutschen Computer- und Videospielindustrie vorzustellen, die die deutsche Spieleindustrie maßgeblich beeinflussen und wen ihr in Zukunft unbedingt auf dem Radar haben solltet. Einer von ihnen ist Hendrik Lesser. Als Kopf von Europas größter Games -Entwickler-Familie remote control productions, beherbergt sein Produktionshaus eine Reihe von Studios wie z.B. Chimera Entertainment, die Macher von Angry Birds Epic. Im Interview erzählt uns Hendrik, warum es ihn in die Games-Branche verschlagen hat, wie sein Alltag bei remote control aussieht und was sein Unternehmen von einem klassischen Spieleentwickler unterscheidet.
Games-Career.com: Vom Philosophie-Studenten zum Spiele-Chef: Hast du schon immer eine Karriere in der Games-Branche angestrebt oder war das eher Zufall? Hendrik Lesser: Games-Career.com: Du bist mittlerweile seit über 15 Jahren in der Spieleindustrie unterwegs. 2005 hast du dich mit remote control productions selbstständig gemacht? Wie kam es zur Gründung von rcp? Ich wollte immer schon in der Gamesbranche arbeiten, schon seit Teenagertagen. Ich habe bereits als Kind und Teenager über Spiele geschrieben, sie im Laden verkauft und als Teenager sogar den ein oder anderen Copyring organisiert... Mein Philosophiestudium war eine bewusste Entscheidung mit dem Games-Plan im Hinterkopf - zuerst dachte ich ja, ein Politikstudium reicht aus...;) Games-Career.com: Ihr versteht euch als Unternehmensfamilie. Was unterscheidet euch vom klassischen Spieleentwickler?Hendrik Lesser: Bei Take 2 habe ich viel Erfahrung in Producing, Marketing und BizDev gesammelt. Nachdem ich die Firma verlassen habe, kamen für mich zwei Optionen in Frage: entweder ins Ausland zu gehen, oder eine Möglichkeit zu finden, den besten Mehrwert ohne massiven Cash-Einsatz zu bieten. Dieser Mehrwert war für mich unter anderem klar der, Spiele von deutschen Entwicklern an Publisher zu vermitteln. Zu der Zeit mangelte es vor allem an Möglichkeiten, Spiele internationalen Partnern schmackhaft zu machen - definitiv etwas, was ich durch meine Erfahrungen und Kontakte aus meinem früheren Job bieten konnte.
Mit meinem damaligen Partner, der Sales-Agent war, haben wir die Vision entwickelt, Spiele nicht nur zu vermitteln, sondern sie auch besser zu machen. Das führte dann in 2005 zur Gründung von remote control productions.
Hendrik Lesser: Wir sind ein Produktionshaus für Games. Das bedeutet, dass wir keine Spieleentwickler sind, sondern die Games-Entwickler betreuen, die zu unserer Entwicklerfamilie gehören. Eines unserer Mottos lautet „You take care of development, we'll take care of the rest", und genau darum geht es bei rcp: wir haben ein Team von erfahrenen Profis in allen möglichen Businessbereichen, die Entwicklern die Arbeiten abnehmen, die oft nicht die Stärken von Kreativen und Designern sind: wir haben ein Business Development-Team, dass die vielen Ideen und Pitches unserer Studios an den Mann bzw. den Publisher bringt, aber auf der anderen Seite auch Auftragsarbeiten von großen Publishern vermittelt. Unser Account Management achtet darauf, dass Arbeitsabläufe, Teamauslastung und Entwicklungszyklen optimiert sind, und unsere Marketing- und PR-Dudes kümmern sich um die bestmöglichste Positionierung und steuern die gesamte Kommunikation. Dazu kommt noch eine Vielzahl von anderen Services, von Finance über Legal und HR bis hin zu Projektmanagement. Und das Ziel von allem, was wir machen, ist am Ende unser anderes Motto - „make better games"! Wir verwenden übrigens ganz bewusst den Begriff „Entwicklerfamilie", denn rcp ist an allen Studios, die mit uns arbeiten - und das sind inzwischen satte 15 Stück! - beteiligt. Wir sind keine Agentur, die einen Entwickler für ein paar Monate berät und dann weiterzieht. Wir möchten grundsätzlich immer eine nachhaltige Partnerschaft, von der alle Partner langfristig profitieren. Und das bringt mich zum nächsten Vorteil der „Familie" - jedes unserer Studios profitiert von den anderen, sei es im Austausch von technischem Know-How im täglichen Austausch über unsere Slack-Channels oder in unseren zwei Mal im Jahr stattfindenden internen Entwicklertreffen, den DevSummits, oder in der konkreten Zusammenarbeit bei größeren Projekten.
Games-Career.com: Was ist das Schönste an deinem Job? Was stresst?Hendrik Lesser: Ein typischer Arbeitstag hat mir sehr viel mit Kommunikation zu tun, und das auf allen möglichen Kanälen. Viele Meetings und Calls, aber auch viel Dialog via Slack, Trello, Email und Skype. Dazwischen streune ich auch immer viel durchs Büro und rede mit den Leuten. Wir sind inzwischen mehr als 80 Leute in unserem Büro, das wir uns mit unseren „Familienmitgliedern" Developern Chimera Entertainment und Wolpertinger Games teilen, da ist viel direkter Dialog möglich, was mir persönlich sehr wichtig ist. Ansonsten behalte ich den Markt im Auge, checke die Top-Listen auf Steam und in den Appstores... und abends wird reichlich gezockt.
Games-Career.com: Welche Reaktionen bekommst du, wenn du auf Familienfeiern erzählst, dass du dein Geld in der Games-Branche verdienst?Hendrik Lesser: Das Schönste an meinem Job? Ganz klar: wir erschaffen Spiele und Spiele-Entwickler und wir helfen Leuten, erfolgreich zu sein und ihren Traum zu leben. Wenn ein lange geplantes Spiel endlich den erfolgreichen Launch erlebt, ist das extrem befriedigend und wird nur noch davon übertroffen, zu sehen wie Leute, die man über Jahre hinweg gecoacht und gefördert hat, ihre ersten coolen Projekte auf die Beine stellen und sich massiv weiterentwickeln.
Die ständige Jagd nach dem nächsten Projekt ist ein großer Stressfaktor. Was mich wahnsinnig macht, ist ein Spiel kommerziell floppen zu sehen, weil ein Partner aus welchen Gründen auch immer failt und wir die Dinge nicht selbst in der haben. Und es ist für mich immer wieder enttäuschend, wenn Projekte verkannt bzw. das Potenzial nicht erkannt wird, sei es in der Konzeptphase, beim Launch oder irgendwo dazwischen.
Hendrik Lesser: Jeder in meiner Familie kennt mich als Gamer, seit ich vier Jahre alt war. J Richtig ernstgenommen wurde das allerdings erst nach vielen Jahren in der Branche, als meine Firma immer größer und erfolgreicher wurde und ich zusätzlich damit anfing, mich in der Politik über Lobbyarbeit zu engagieren. Viele haben aber bis heute nicht so richtig verstanden was ich mache. Sie verstehen nicht, dass ich nicht ein reiner Business-Typ bin, der smart den Markt analysiert hat, sondern dass ich ein Nerd war und bin, der glücklicherweise auch business-mäßig nicht auf den Kopf gefallen ist. Ich bin auch nach all den Jahren nicht nur der Oberboss, sondern eben immer auch der Obernerd!
Wir bedanken uns herzlich bei Hendrik für das ausführliche Interview und wünschen ihm und seinem Team auch weiterhin viel Erfolg!