Es war Samstag Abend und einige Menschen begaben sich auf eine klitzekleine Reise in Richtung Zürich Altstetten, wo in der Nähe der gute alte Komplex 457 (wieso eigentlich 457?) steht. Auch unser Weg verschlug sich mit dem roten 2-er Tram dorthin. Im Nebengebäude des Komplex 457 – im Komplex Klub – spielten da nämlich The Antlers, mit der englisch-finnischen Marika Hackman als Vor Act. Hier ist unser Bericht. Von Wahrnehmungs- und Intimitätsproblemen.
Leider ein bisschen verschwommen wurde unser Foto von Marika Hackman. Die reizende Engländerin begann ihr Vor-Konzert mit dem folkigen “You Come Down”. Sie sagte weiterhin humorvoll (nachdem sie sich verspielt hatte): “Sorry when I do mistakes I either laugh or swear.”
EIN KLEINER BALAST: DER LEERE PALAST?
Die Songreihenfolge am Anfang des Konzertes war kongruent zum Anfang des neusten Albums „Familiars“. Die ersten drei Stücke „Palace“, „Doppelgänger“ und „Hotel“ schafften eine gedrückte, tiefe Atmosphäre. Die Luft schien sich wie zu verdicken, vereinzelte Leute im Publikum bewegten sich langsam zur Unerbittlichkeit des vorbeiziehenden Konzertes. Peter Silberman blickte während seines Gitarrenspieles und Gesangs schmachtend in eine erfundene Weite. Auch die anderen Bandmember befanden sich auf einer seltsamen imaginären Parade. Die Musik, die einem sonst so nah ist, marschierte in Richtung Nichts. Die faktisch-musikalische Leistung war nichts desto trotz hochkarätig: Die minutiösen Zwischenspiele und die Trompeteneinsätzen waren herausstehend. Sie beendeten das Konzert mit dem zartgliedrigen Track „Epilogue“ ihres Albums „Hospice“. Die textliche Poetik, die innerhalb der Musik von The Antlers besonders gewichtig ist, ist während des Konzertes etwas verblasst.
Der durchmischt bunt beleuchtete Komplex Klub freute sich über reichlich Besuchende.
KONZERTE UND DAS ERLEBNIS VON MUSIK;
Ein Konzert ist einerseits die Fähigkeiten eines Künstlers oder einer Band live zu sehen: Die zuhörende Person zieht automatisch Vergleiche zwischen der Album- und der Liveversion und kann genau beobachten, wann und wie gewisse Instrumente eingesetzt werden. Hinzu kommt die soziale Komponente: man besucht ein Konzert selten alleine, es sind immer andere Menschen da. Ein Konzert ist andererseits Erlebnis von Musik, die man sich sonst im privaten Kreis anhört. Da gibt es Bands und Alben, die live noch – beispielsweise durch Tanzbarkeit – viel intensiver erlebt werden können. Da gibt es jedoch auch Bands, die anders sind. The Antlers gehören hierbei eher zu letzterer Kategorie. Wie bei Büchern üblich ist auch Musik davon abhängig, wie sie vom Hörer persönlich interpretiert wird. The Antlers produzieren Bunkermusik gesteigerter Sensibilität. The Antlers hört man, wenn Regen fällt und man zuhause im Zimmer liegt. The Antlers hört man, wenn man nachdenklich ist, um noch nachdenklicher oder gar traurig zu werden.
Diese schöne Traurigkeit der Antlers erzeugt in Folge dessen eine ausgeprägte Form der Intimität. Sie dann am Konzert zu sehen, war ein Erlebnis des negativen Eindringens in eine selbsterschaffene Welt einer traurigen Behaglichkeit. Und daher war es eher ein von Anspruch durchdrungenes, gedrücktes Erlebnis, anstelle eines freudigen. (Die Frage, ob ein Konzert immer fröhlich sein muss, ist selbstverständlich zu verneinen.) Dennoch schien die Musik, die sonst einem so nah war, an jenem Konzert im Komplex Klub sehr unfamiliär. Oder – um das Lied “Hotel” frei zu zitieren – wir wissen nicht mehr, wie sich die Vergangenheit anfühlte.
Diese Schilderungen unterlaufen selbstverständlich einer subjektiven Wahrnehmung und es muss keineswegs bedeuten, dass The Antlers auf alle Zuschauer den gleichen Effekt der Unbehaglichkeit ausgeübt haben.
KEEP BUZZIN
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